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Hidden Champions, die „heimlichen Gewinner“ sind in ihrer Nische Marktführer, aber bei weitem nicht so bekannt wie erfolgreiche Konzerne. Haben sie dennoch die Chance Top-ManagerInnen für sich zu gewinnen? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Können sie die gleiche Bezahlung wie große Konzerne anbieten? Und welche Rolle spielt die Corona-Pandemie bei der Gewinnung von SpitzenmanagerInnen?

Antworten auf diese Fragen, liefert uns Jörg Kasten, der Managing Partner im Frankfurter Büro von Boyden und zugleich Chairman der Boyden World Corporation ist. Er verfügt über 25 Jahre Erfahrung in Executive Search und besetzt vor allem Führungspositionen auf Partner- und C-Level-Ebene für internationale KundInnen in den Bereichen Technologie, Professional Services und Konsumgüter.

Herr Kasten, fällt es Hidden Champions, die in der Peripherie sitzen, in Zeiten von Covid-19 nun leichter, geeignete KandidatInnen– auch mit Konzern-Erfahrung – für sich zu gewinnen? 

Interview mit Jörg Kasten: Top-Manager in Hidden Champions

Aufgrund der Pandemie-Situation herrscht derzeit natürlich große Leere in deutschen Büros. Das Thema Homeoffice ist unter dem Eindruck massiver Digitalisierung in aller Munde. Für viele Unternehmen ist es daher naheliegend, künftig Büromieten stärker einzusparen, indem etwa Flächen verkleinert oder sogar abgemietet werden.

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In Großbritannien zeigt sich das übrigens schon wie unter einem Brennglas. Dort hat sich eine wahre Immobilien-Rally außerhalb der großen Städte in Gang gesetzt. So sind die Hauspreise – trotz Brexit – im Londoner Umland zuletzt auf ein Rekordniveau gestiegen. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass sich viele Menschen aufgrund des vermehrten „Zuhause-Arbeitens“ nun für ein größeres Haus – inklusive Arbeitszimmer – entscheiden, das sie sich in der Innenstadt möglicherweise nicht leisten könnten. Zum anderen entfällt für BerufspendlerInnen dank Homeoffice die tägliche Fahrt mit der Tube in die Londoner City. Und wenn ich beispielsweise nur noch einmal in der Woche ins Büro muss, dann nehme ich eben auch einen längeren Arbeitsweg in Kauf.

Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch in Deutschland beobachten. Auch hierzulande wird die klassische und kostspielige Büroimmobilie immer mehr zum Auslaufmodell. Und das spielt Hidden Champions definitiv in die Karten. Denn plötzlich scheint der Unternehmensstandort nicht mehr ein Ausschlusskriterium für Top-KandidatInnen zu sein. Mittelständler rechnen sich also – zu Recht – hohe Chancen aus, ManagerInnen zu sich in die Peripherie zu lotsen. Allerdings auch nur unter zwei Bedingungen.

Was sind die Bedingungen dafür Top-ManagerInnen zu überzeugen ?

Die Vorteile der „Peripherie“, also Remote-Working, Homeoffice und Co. lassen sich nicht ohne einen hohen Digitalisierungsgrad heben. So unvorhersehbare Ereignisse wie Covid-19 veranschaulichen mit Nachdruck die Bedeutung einer konsequenten Digitalisierungsstrategie. Aber gerade in Deutschland geht die Schere zwischen digitalen Vorreitern und Nachzüglern weit auseinander. Und was die digitale Transformation angeht, gehören viele Hidden Champions leider immer noch zu Letzteren. Wer jedoch auf der anderen Seite schon seit Jahren kontinuierlich in die Digitalisierung investiert, genießt heute zahlreiche Wettbewerbsvorteile. Etwa was das Image, das Employer Branding und damit die Anziehungskraft potenzieller Top-ManagerInnen betrifft. Remote-Working ist dann kein Problem und schon einmal eine wichtige Bedingung erfüllt.

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Die beste digitale Infrastruktur bringt dem Hidden Champion hinsichtlich des Recruitings von Top-ManagerInnen herzlich wenig, wenn beispielsweise Homeoffice unternehmensintern ein rotes Tuch ist – und das stelle ich bedauerlicherweise immer wieder fest. Bei vielen Mittelständlern gilt die Anwesenheitspflicht immer noch als Indiz für Leistung. Und je höher die Position, desto stärker gilt die Dauer des Arbeitstages und die Präsenz als Maßstab. Aber auch den letzten UnternehmensentscheiderInnen muss 2020 klar geworden sein: Präsenz ist kein Beleg für Produktivität! Wer als ChefIn eines Hidden Champions also weiterhin physisch anwesenden MitarbeiterInnen zu 100 Prozent einfordert, der wird es nach wie vor schwer haben, Top-ManagerInnen für seine Organisation zu gewinnen. Dadurch werden unnötige Potenziale liegen gelassen. Zumal der Wettbewerbsvorteil dann nicht mehr ausgespielt werden kann.

Wenn das geforderte Umdenken stattfindet: Ist der Unternehmensstandort für Top-ManagerInnen dann künftig überhaupt noch ein Entscheidungskriterium? 

Eines muss man ganz ehrlich sagen: Für absolute Spitzenkräfte – also ab einer Spielklasse von mehreren Hunderttausend Euro nördlich – war und wird wohl auch in Zukunft der Arbeitsort kein wirkliches Entscheidungskriterium sein. Denn in der Regel ziehen diese Top-ManagerInnen zumindest jobbedingt mit ihren Familien nur selten um. Die Realität sieht eher so aus, dass der Top-ManagerInnen die ganze Woche beruflich unterwegs sind und sich meist eine Wohnung in der Nähe des Einsatzortes mietet, während die Familie an einem Standort bleibt. Für Management-Level darunter sieht die Welt schon anders aus – besonders im Hinblick auf das private Umfeld. Denn während die Immobilienpreise mitten in der Innenstadt stetig steigen, sind die Mieten und Kaufpreise auf dem Land derzeit noch deutlich günstiger. Das sind auch für einige Führungskräfte schon jetzt schlagende Argumente für die Peripherie und gegen die großen Metropolen dieses Landes – gerade im Hinblick auf die Pandemie.

Stichwort Anziehungskraft: Können Hidden Champions bei der Bezahlung mit den Großen mithalten? Welche Kriterien sind derzeit ausschlaggebend? 

Hier gilt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wenn sich ein kleines Unternehmen im Kampf mit einem Konzern um einen Top-Kandidaten finanziell streckt, um mithalten zu können, wird das auch auf Kandidaten-Seite durchaus wahrgenommen. Die bemühen sich um mich, denen bin ich – im Verhältnis – sehr viel wert. Das kann die Bereitschaft durchaus zugunsten des kleineren Unternehmens beeinflussen. Beides passiert häufiger, als man denkt. Neben dem offensichtlich wichtigen Faktor des Gehalts muss aber vor allem die Karriereperspektive stimmen:

  • Kann ich vielleicht den bisherigen InhaberInnen des Hidden Champions nachfolgen?
  • Ist eventuell das Unternehmensklima aufgrund der flachen Hierarchie besser?
  • Kommt mir womöglich die direkte Kommunikation mit allen Ebenen und kurzen Entscheidungswege zugute?

Das sind wichtige Fragen, auf die ein Hidden Champion Antworten parat haben muss.

KandidatInnen sollten sich bei allen Vorteilen natürlich immer bewusst machen, dass es auch negative Aspekte gibt. So kann ich bei einem Hidden Champion womöglich nicht mehr das ganz große Rad drehen, da Management-Entscheidungen oftmals vom Wohlwollen des Inhabers abhängen. Außerdem müssen beispielsweise wichtige Governance-Strukturen häufig erst noch etabliert werden. Ob ich mich in einem Hidden Champion beruflich verwirklichen kann, ist daher ganz klar eine Typfrage. Wenn ich eine unternehmerische Ader habe, bin ich womöglich bei einem inhabergeführten Hidden Champions besser aufgehoben als bei einem Großkonzern. Bevorzuge ich jedoch klar definierte Verantwortungsbereiche und Hierarchieebenen, gilt eher das Gegenteil. Die KandidatInnen müssen das Für und Wider also erstens kennen und zweitens sorgfältig abwägen – und das geht oftmals weit über den finanziellen Aspekt hinaus.

Hidden Champions kämpfen oft mit ihrer Unbekanntheit: Was heißt das für den Entscheidungsprozess der Top-ManagerInnen?

Die relative Unbekanntheit macht den meisten Hidden Champions zumindest betriebswirtschaftlich nicht viel aus. In den entscheidenden Marktsegmenten sind unsere Champions oft alles andere als „hidden“ – sie sind ja immerhin häufig Weltmarktführer. Viele begründen ihren Erfolg sogar mit der starken und persönlichen Kundennähe, die Großkonzerne in dieser Form selten erreichen.

Aber sie merken schon: Karrieren bei Hidden Champions sind erklärungsbedürftig. Nicht, weil sie selten möglich wären, sondern weil die Vorteile Top-ManagerInnen nicht immer gleich ersichtlich sind – auch nicht in Zeiten einer Post-Corona-Welt mit allgegenwärtigem Homeoffice. Damit Top-ManagerInnen aufmerksam auf das Karrierepotenzial in Hidden Champions werden, sind gute PersonalberaterInnen, die KandidatInnen proaktiv ansprechen, Hintergründe sowie Karrierechancen erklären und dabei auch mal ganz klassisch Visitenkarten verteilen, unerlässlich. Gute HeadhunterInnen bleiben aber stets auf dem Boden der Tatsachen und versprechen nicht das Blaue vom Himmel, um einen Manager von A nach B zu bewegen. Das wäre unseriös und fällt dem Berater, aber auch Unternehmen – und letztlich dem Kandidaten – über kurz oder lang auf die Füße.

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Wird sich der Suchprozess für Hidden Champions künftig beschleunigen? 

Hidden Champions müssen sich für die Gewinnung von Top-KandidatInnen schon immer ein bisschen mehr strecken als die Big Player. Das ist einfach die Realität. Ich erlebe beispielsweise wieder und wieder, dass Top-BewerberInnen, die mitten im Einstellungsprozess bei einem Mittelständler waren, abspringen, um bei einem Branchenriesen anzufangen. Großkonzerne können unter anderem aufgrund ihrer Marken-Strahlkraft schlicht und einfach mit einer gewissen Portion Hybris in den Recruiting-Prozess gehen und KandidatInnen auch mal – salopp gesagt – etwas schmoren lassen. Das können sich Hidden Champions in dieser Art und Weise nicht erlauben. Sie müssen stattdessen viel stärker um KandidatInnen buhlen. Das beinhaltet beispielsweise auch ein geschicktes Selbstmarketing, also die angesprochenen Vorteile des Unternehmens klar herauszustellen. 

Ob sich jedoch der Suchprozess für Hidden Champions als Ganzes künftig beschleunigen wird, ist aktuell noch schwer zu beantworten. Aber was man zweifelsfrei schon jetzt sagen kann: Die Bereitschaft der Top-Leute, bei Anfragen eines Hidden Champions zuzuhören, die ist definitiv größer geworden. Das sollten Unternehmen jetzt nutzen. Denn die Chancen für Hidden Champions, Top-KandidatInnen als für sich zu überzeugen und sich gegen Konzerne durchzusetzen, waren selten so gut wie heute.

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