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Viele Bildungs- und Beratungsanbieter befassen sich mit den Aufgaben Produktentwicklung, Marketing und Vertrieb nur, wenn nichts anderes zu tun ist. Oder, wenn in ihren Auftragsbüchern bereits große Löcher klaffen. Ihr Erfolg hängt deshalb weitgehend vom Zufall ab.

Der Bildungs- und Beratungsmarkt hat sich – wie die meisten Märkte – von einem Verkäufer- in einen Käufermarkt gewandelt. Zudem fragen sich die Unternehmen, bevor sie Bildungs- oder Beratungsaufträge vergeben, immer schärfer: Ist diese Investition wirklich nötig? Wäre es nicht sinnvoller, die knappen Mittel zum Beispiel für den Ausbau unserer IT-Infrastruktur auszugeben oder KI-Systeme, die dafür sorgen, dass unsere Organisation auch künftig wettbewerbsfähig ist? Nicht selten lautet ihre Antwort ja. Also versuchen sie, ihre Aufgaben für Bildungs- und Beratungsleistungen auch mit Hilfe der IT-Technik soweit möglich zu minimieren.

Immaterielle Dienstleister haben bei der Auftragsvergabe oft schlechte Karten

Dass im Wettstreit um die begrenzten Budgets der Unternehmen Bildungs- und Beratungsanbieter* oft das Nachsehen haben, liegt auch am Charakter ihrer Leistungen. Denn angenommen, ein Unternehmen erwägt, eine Maschinen- oder Computeranlage zu kaufen. Dann können deren Anbieter die Vorzüge ihrer „Problemlösung“ meist mit harten Fakten untermauern: „Mit dieser Anlage verringert sich Ihre Durchlaufzeit um 20 Prozent. Sie benötigen also 15 Mitarbeiter weniger. Das senkt Ihre Kosten um etwa Million Euro/Jahr. Das heißt, Ihre Investition amortisiert sich in 18 Monaten.“

Anders ist dies bei Bildungs- und Beratungsleistungen. Diese immateriellen Leistungen kann der Kunde vor dem Kauf weder anfassen, noch anschauen. Ihr Nutzen lässt sich auch nicht mit objektiven Daten wie PS oder Umdrehungen pro Minute beschreiben. Zudem erhalten die Kunden keinerlei (Qualitäts-)Garantien. Selbst ein Umtausch oder eine Rückgabe der Leistungen ist nicht möglich. Wen wundert es da, dass sich viele Firmen leichter für den Kauf einer Maschine entscheiden? Da weiß man wenigstens, was sie für sein Geld bekommt!

Need 1: Das empfundene Kaufrisiko der Zielkunden minimieren.

Dass viele Berater recht hilflos auf diese Ist-Situation reagieren, liegt unter anderem daran, dass sie nie analysiert haben: Welche Merkmale kennzeichnen die Leistungen, die ich meinen Kunden anbiete? Hätten sie dies getan, wäre ihnen zum Beispiel bewusst: Unsere Leistung ist aus Kundensicht meist „teuer“. Für das Tageshonorar eines Beraters könnte sich dessen Kunde locker einen PC nebst Drucker kaufen. Und für das Geld, das der Kunde für den „Support“ bei einem Changeprojekt zahlt, könnte er sich einen Tesla kaufen oder eine neue Lagerhalle bauen.

Deshalb ist es verständlich, dass die Zielkunden der Berater in der Regel mit ihrer Auftragsaufgabe sehr zögerlich sind und sich vorab mehrere Vergleichsangebote einholen. Also sollten Berater darauf hinarbeiten, dass ihre Kunden beim Kauf ihrer Leistungen nicht stets das Gefühl haben, die Katze im Sack zu kaufen, sondern zur Überzeugung gelangen „Der Nutzen dieser Leistung ist größer als die Investition“ und deshalb voller Überzeugung sagen: „Ja, diese Leistung will ich haben.“

Need 2: Eine systematische Produktentwicklung betreiben

Diese Kaufsicherheit bei ihren Kunden zu erzeugen, fällt vielen Beratern auch schwer, weil sie in den zurückliegenden Jahren keine systematische Produktentwicklung betrieben haben. Nicht selten versäumten sie es, mit der fadenscheinigen Begründung, im Markt seien nur noch maßgeschneiderte Problemlösungen gefragt, aus ihren potenziellen immateriellen Leistungen „handfeste Produkte“ zu entwickeln. Bei nicht wenigen Beratungsunternehmen beginnt die Produktentwicklung (und zuweilen auch der Kompetenzaufbau) erst, wenn der Kunde ihnen einen Auftrag erteilt hat. Das heißt, ihre Konzepte sind mit heißer Nadel gestrickt. Entsprechend ist die Qualität.

Erfolgt die Produktentwicklung abhängig davon, welche Aufträge ein Berater gerade hat, dann ist sie weitgehend zufallsabhängig. Das heißt, sie orientiert sich nicht an den Stärken des Anbieters. Folglich erfolgt auch kein gezielter Kompetenzauf- und -ausbau. Entsprechend verwaschen und beliebig ist das Profil vieler Berater.

Hinzu kommt: Betreibt ein Beratungsanbieter keine gezielte Produkt(weiter-)entwicklung, hat er irgendwann nur noch veraltete Ladenhüter im Sortiment. Denn auch die Lebensdauer der im Bildungs- und Beratungsbereich angebotenen Produkte ist begrenzt. Ab und zu müssen sie zumindest ein Facelifting erfahren.

Dieses erfolgt in der Praxis oft nicht. Liest man zum Beispiel die Texte zu solchen Themen wie Change- oder Projektmanagement oder Führung in den Werbeunterlagen der Beratungsanbieter, dann hat man häufig den Eindruck, diese wurden in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts geschrieben als die PCs gerade in den Büros Einzug hielten, denn: Außer einzelnen Vokabeln – wie Leadership statt Führung – hat sich in ihnen inhaltlich kaum etwas verändert. Dass die Unternehmen heute anders strukturiert sind und unter völlig anderen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen als vor 40, 50 Jahren agieren, spiegelt sich in ihnen nicht wider; ebenso, dass die Führungskräfte in den Unternehmen heute bereits weitgehend Digital Natives und keine Digital Immigrants mehr sind. Dass die Entscheider in den Unternehmen sich von solchen zeitlosen Texten nicht angesprochen fühlen, ist verständlich.

Need 3: Die Kernprozesse definieren und operationalisieren

Ein weiterer Schwachpunkt vieler Beratungsunternehmen ist: Sie haben die Kernprozesse in ihrer Organisation nie analysiert, definiert und operationalisiert. Auch Qualitäts- und Verfahrensrichtlinien, aus denen die Mitarbeiter zum Beispiel ableiten können, was sie tun müssen, um sicherzustellen, dass 

  • der Bedarf des Kunden „sauber“ ermittelt wird,
  • die gewonnenen Erkenntnisse in das Beratungskonzept einfließen, 
  • die eingesetzten Berater nicht nur fachlich fit sind, sondern auch die „Sprache“ der Kunden sprechen usw. 

fehlen. 

All dies bleibt nicht selten dem Zufall überlassen, und Pannen werden mit Sprüchen wie „Die Top-Entscheider waren entscheidungsschwach“ oder „Der Berater hatte einen schlechten Tag“ entschuldigt. Die realen Ursachen der Kundenunzufriedenheit werden nicht ermittelt. Folglich finden in der Beraterorganisation auch kein Lernprozess statt; das heißt, sie stagniert (siehe Kasten 2)!

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Need 4: Ein mehrstufigen Marketing- und Vertriebssystem entwickeln

Am folgenschwersten ist jedoch, dass viele Beratungsanbieter ihren Marketing- und Verkaufsprozess nie sauber analysiert und definiert haben. Dies, obwohl es sich beim Verkauf von Bildungs- und Beratungsleitungen in der Regel um einen mehrstufigen Verkaufsprozess handelt, der sich über einen längeren Zeitraum erstreckt – oft Monate, teils sogar Jahre. In diesem Prozess durchlaufen die Zielkunden unterschiedliche Stufen der Kaufentscheidung, auf denen sie auch unterschiedliche Bedürfnisse haben (siehe AIDA-Grafik). Entsprechend professionell muss der Gesamtprozess gemanagt werden, damit er zum gewünschten Ergebnis, nämlich Auftrag führt.

Ein Bild, das Text, Screenshot, Reihe, Diagramm enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

Welchen Reifegrad hat Ihre Organisation?

Die meisten Beratungsunternehmen haben zumindest in einem der vorgenannten Handlungsfelder Defizite. Nur wenige zählen zu den Voll-Profis, die 

  • das (Kauf-)Interesse potenzieller Kunden wecken und dieses (zumeist) in Aufträge umwandeln können und 
  • ihren Kunden eine gute Leistung bieten. 

Solche Anbieter sind rar. Sie zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass in ihnen eher nüchterne Analytiker und systematische Arbeiter als kreative Denker das Sagen haben; außerdem, dass in ihrer Organisation ein weitgehender Konsens bezüglich der Antworten auf folgende Fragen besteht: 

  • Was können wir (und was nicht)?
  • Was wollen wir (und was nicht)?
  • Welche Personen/Organisationen sind unsere potenziellen Kunden (und welche nicht)?

Entsprechend systematisch agieren sie in den Bereichen Produktentwicklung, Marketing und Verkauf. 

Diese Anbieter arbeiten in der Regel sehr profitabel. Sie durchleben zudem nicht die großen „Ups and Downs“, die die Entwicklung vieler, von Projektaufträgen abhängigen Beratungsunternehmen prägen. Stattdessen entwickeln sie sich langsam, aber stetig weiter, denn: Sie betrachten weder die Produktentwicklung noch das Marketing und den Vertrieb als Sonderaufgaben, die nur dann wahrgenommen werden, wenn gerade nichts anderes zu tun ist. Produktentwicklung, Marketing und Vertrieb sind bei ihnen vielmehr in die Alltagsarbeit integriert. Das heißt, die mit ihnen verbundenen Aufgaben sind so weit operationalisiert, dass jeder Mitarbeiter weiß, was er wie und wann zu tun hat, damit das Unternehmen seine Ziele erreicht.

Die Strukturen für eine professionelle Marktbearbeitung schaffen

Diese Voll-Profis sind der Masse ihrer Mitbewerber weit voraus. Sie haben viele (Denk- und Entscheidungs-)Prozesse, die diese noch durchlaufen müssen, bereits durchlaufen. Sie haben in ihrer Organisation schon die Strukturen geschaffen, die ein professionelles Arbeiten, einen systematischen Kompetenzausbau und eine systematische Marktbearbeitung erst ermöglichen. Deshalb werden sie den Strukturwandel, der sich im Beratungsmarkt unter anderem aufgrund des sich verstärkenden KI-Einsatzes der Unternehmen abzeichnet, auch weitgehend unbeschadet überstehen. Anders sieht diese bei vielen ihrer Mitbewerber aus. 

Bernhard Kuntz

Bernhard Kuntz (geb. 1958) ist Inhaber des PR-und Redaktionsbüros Die ProfilBerater. Er ist auf die Themen Marketing und Verkauf sowie Personal- und Unternehmensführung spezialisiert. Er ist Autor der Bildungs- und Beratungsmarketing-Fachbücher „Die Katze im Sack verkaufen“ (2005) und „Fette Beute für Trainer und Berater“ (2006). Außerdem veröffentlichte er die PR-Ratgeber für Dienstleister und Berater „Warum kennt den jeder?" (2008) und "Mit PR auf Kundenfang" (2010).

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