Ein Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem September 2022 verändert die Arbeitszeiterfassung in Deutschland grundlegend. Bis dahin mussten vom Unternehmer nur Überstunden und die geleisteten Stunden an Sonn- und Feiertagen dokumentiert werden. Nun aber besteht die Pflicht zur systematischen Erfassung der gesamten Arbeitszeit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Vorgaben vom EuGH
Überraschend kam das Urteil aus Erfurt nicht. Denn mit dem sogenannten „Stechuhr-Urteil“ gab der Europäische Gerichtshof (EuGH) schon im Mai 2019 die Richtung vor. Alle EU-Mitgliedsstaaten sollten demnach Regelungen zur Dokumentation der Arbeitszeit schaffen und so die täglich geleistete Arbeitszeit besser überprüfbar machen. Mit seinem Urteil verpflichtete der EuGH die europäischen Arbeitgeber gleichzeitig, ein objektives und verlässliches und außerdem zugängliches System einzurichten. Mit seinem Grundsatzurteil bestätigte das BAG diese Forderung nun noch einmal ausdrücklich (Az.: 1 ARB 22/21) und setzte sie damit in deutsches Recht um.
Für die Arbeitszeiterfassung in Deutschland heißt das nun:
Sie hat objektiv, das bedeutet, deutlich und klar zu erfolgen und muss später abrufbar sein. Klar zu trennen sind Überstunden von der regulären Arbeitszeit. Das System muss jederzeit zur Verfügung stehen, als verlässlich sein. Erfassungslücken durch Fehler im System darf es also nicht geben. Nicht zuletzt muss die Zeiterfassung für alle Arbeitnehmer zugänglich sein. Auch eine spätere Nachverfolgbarkeit von Arbeitsstunden gilt es also zu gewährleisten.
Das Urteil des BAG soll beide Seiten absichern. Arbeitnehmer sollen die Gewissheit erhalten, dass ihre geleisteten Stunden und die Pausenzeiten anständig dokumentiert werden und dementsprechend Lohn ausgezahlt wird. Arbeitgebern gibt das Urteil die Möglichkeit, bei den Arbeitszeit-Salden ihrer Mitarbeiter immer auf dem aktuellen Stand zu sein.
Arbeitgeber haben beim System die Wahl
Ob sie das System zur Arbeitszeiterfassung manuell oder doch lieber digital einrichten, bleibt zunächst den Unternehmen überlassen. Das neue Gesetz zur Arbeitszeiterfassung erlaubt neben der analogen Dokumentation der Arbeitszeiten auch, die Zeiterfassung online zu gestalten. Die An- und Abwesenheit darf digital von überall her erfasst werden. Die Zeiterfassung online hat dabei einen großen Vorteil: Sie spart Zeit und Kosten und senkt die Fehlerquote in einem hohen Maß.
Erlaubt sind bei der Zeiterfassung online übrigens unterschiedliche Endgeräte. Die Bandbreite reicht von der App auf dem Smartphone und dem Tablet über den Desktop oder ein Terminal. Grundlegend wichtig ist in jedem Fall, dass alle Zeiten lückenlos und sauber im entsprechenden System dokumentiert werden und zu jeder Zeit nachweisbar sind. Darüber hinaus muss das vom Unternehmen ausgewählte System absolut manipulationssicher sein.
Die Zeiterfassung online hat noch einen anderen entscheidenden Vorteil. Sie ermöglicht auch weiterhin, dass Arbeitnehmer im Homeoffice arbeiten. Bequem können sich Mitarbeiter, die von zuhause aus arbeiten, digital an- und wieder abmelden. Auch das Erfassen von Pausen im heimischen Büro ist über die App des Arbeitgebers oder über eine andere digitale Varianten gar kein Problem.
Gute Systeme erlauben unbegrenzt und beliebig viele Meldevorgänge pro Tag und natürlich von verschiedenen Standorten aus. Viele der Systeme zur Zeiterfassung online bieten außerdem noch weitere interessante Möglichkeiten, wie etwa ein Abwesenheitsmanagement, die Buchung von Mitarbeitern und ihren Arbeitszeiten auf einzelne Projekte oder Schnittstellen für DATEV.
Regeln für Überstunden bleiben erhalten
Möglich ist nach dem Urteil des BAG auch weiterhin eine flexible Gestaltung der Pausen. Auch das lässt sich durch eine Zeiterfassung online ohne Probleme realisieren. Und auch wenn Überstunden im System der Arbeitszeiterfassung nun lückenloser erfasst werden können: Das bedeutet übrigens nicht, dass sie der Arbeitgeber verpflichtend zu bezahlen hat. Hier ändert sich die Gesetzeslage nämlich nicht. Überstunden können weiterhin zu einem späteren Zeitpunkt als Gleitzeit abgebaut werden.
Interessante Sichtweise
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