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Wie geht’s weiter? Das fragen sich viele Softwareunternehmen – unter anderem, weil die Wachstumsraten und Gewinnmargen im Softwaremarkt sinken. Vielfach hilft hier ein Blick auf Unternehmen in anderen Branchen, deren Märkte schon lange „gesättigt“ sind.

Die Softwareindustrie ist eine sehr junge Industrie – kaum mehr als 30 Jahre sind vergangen, seit die ersten Softwareunternehmen entstanden. Das sollte man sich immer wieder vor Augen führen, wenn man über ihre künftige Entwicklung spricht. Das heißt: Die Softwareindustrie kommt erst allmählich in die „reife“ Entwicklungsphase, in der die klassischen Industriezweige – wie zum Beispiel die Elektro- und Automobil-Industrie – sich schon lange befinden.

Dasselbe gilt für ihre Märkte. Sie weisen nicht mehr die hohen Wachstumsraten der „Gründerjahre“ auf. Zwar wächst die Nachfrage nach Software weiterhin, doch zugleich etablieren sich neue Mitbewerber im Markt, die ihre Heimat nicht in den traditionellen Softwareentwicklerregionen USA, Europäische Union und Japan haben. Das heißt: Die Zahl der Anbieter wächst, während zugleich das prozentuale Wachstum des Marktes sinkt. Und das bedeutet wiederum: Der Softwaremarkt weist allmählich Kennzeichen gesättigter Märkte auf.

Für die etablierten Softwareunternehmen in den westlichen Industrienationen bedeutet dies:

  • Es wird für sie schwieriger zu wachsen – außer durch Unternehmenszukäufe.
  • Ihre Gewinnmargen sinken – auch weil aus Kundensicht, anders als in der Pionierphase, zunehmend echte Innovationen fehlen.

Und: Der Markt wird zu einem Käufermarkt. Den Verkäufern stehen also zunehmend selbstbewusste Kunden gegenüber, die sich ihrer Wahlmöglichkeiten bewusst sind und den Verkäufern klipp und klar sagen: Ich will den Nutzen x zum Preis y haben. Und die Verkäufer beziehungsweise ihre Unternehmen? Sie müssen auf die Kundenwünsche beziehungsweise -forderungen eingehen. Denn sie können anders als in der Vergangenheit nicht mehr die Haltung einnehmen „Was interessiert mich dieser Kunde? Es gibt genügend andere“. Denn die Märkte sind zumindest im B-to-B-Bereich weitgehend verteilt. Und echte Neukunden? Die gibt es nicht! Nur Wettbewerberkunden!

Die Softwareindustrie ist eine sehr junge Branche, die erst allmählich in die „reife“ Entwicklungsphase kommt

Das Management muss professioneller werden

Diese veränderte Marktsituation hat Konsequenzen:

  • Die Softwareunternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle überdenken – in stets kürzeren Zeitabständen.
  • Sie müssen regelmäßig ihre Geschäftsprozesse auf den Prüfstand stellen und sich überlegen: „Wie können wir kostengünstiger arbeiten?“.
  • Sie müssen sich immer wieder neu fragen „Was ist unsere Kernkompetenz?“, „Wie groß soll unsere Fertigungstiefe sein?“ und „Welche Tätigkeiten können wir ‚auslagern’?“.

Oder anders formuliert: Die Softwareunternehmen müssen ihr Management professionalisieren.

Doch sind diese Anforderungen neu? Für die Softwareindustrie zum Teil ja; für die meisten anderen Industriezweige nein. Angenommen Sie würden einen Autoindustrie-Manager auf das Thema „Standardisierung in der Produktion“ ansprechen. Dann würde er vermutlich erwidern: „Haben Sie schon mal den Namen Henry Ford gehört? Das ist bei uns doch Tradition.“ Oder angenommen Sie sprächen ihn oder einen Pharmamanager auf das Thema „Cluster-Bildung“ beziehungsweise Kooperation mit Mitbewerbern in Sachen Entwicklung und Marktbearbeitung an. Dann würde er erwidern: „Das ist bei uns gang und gäbe.“ Oder nehmen Sie einen Manager in der Elektro- oder Textilbranche. Wenn Sie den auf das Thema „Auslagern der Produktion und Teilen der Entwicklung in Billiglohnländer“ ansprechen würden, dann würde er Sie vermutlich verdutzt anschauen und erwidern: „Ohne die würde unser Unternehmen nicht mehr existieren.“

Von anderen Branchen lernen

Das heißt: Die meisten Management- und Unternehmensführungsthemen, die zur Zeit in der Softwarebranche heiß diskutiert werden, sind in den Unternehmen, deren Märkte schon lange gesättigt sind, bereits abgehakt. Und die Lösungsansätze sind ein integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie. Deshalb bedeuten die Marktveränderungen auch nicht das Ende der europäischen Softwareindustrie. Sie muss sich nur den „neuen“ Herausforderungen stellen – und eventuell von anderen Branchen lernen.

Vor diesem Hintergrund sind auch die folgenden Thesen zu sehen, was – aus meiner Warte als Strategie- und Changeberater – künftig Erfolgsfaktoren der Softwareunternehmen in den westlichen Industrienationen sind.

These 1: Business-Modell schlägt Software-Produkt.

Früher ließ sich mit guter Software gutes Geld verdienen. Große komplexe Anwendungen entstanden. Wenn man mal heute schaut, wer die „Player“ im Geschäft sind, steckt in der Regel keine wirklich komplexe Software dahinter, sondern vielmehr eine Geschäftsidee, die den Markt verändert hat (Beispiel Apps-Plattform und Facebook).

Empfehlung: Entwerfen Sie für Ihre „Produkte“ attraktive Anwendungsfelder und intelligente Preis- und Vertriebsmodelle.

These 2: „Sustainability“ schlägt Preis

Früher nutzten die Unternehmen die IT, um einzelne Aufgaben effizienter zu erledigen, heute laufen ihre zentralen Geschäftsprozesse über sie ab. Das heißt: Die Unternehmen sind existenziell von der IT abhängig . Deshalb gewinnen bei ihren Kaufentscheidungen solche Faktoren wie „Zuverlässigkeit“, Sicherheit sowie Support über die Nutzungsdauer des Systems an Bedeutung. Der Preis der Anwendung spielt nicht die zentrale Rolle.

Empfehlung: Heben Sie stärker auf das Thema „Total costs of ownership“ für Ihre Kunden ab. Nicht „Made in Germany“ zählt; „Served out of Germany“ ist wichtiger.

Weitere Artikel dieser Serie:

Softwareindustrie am Wendepunkt? (Teil II)

(Bild: © Phoenixpix – Fotolia.com)

Dr. Georg Kraus

Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, für die fast 50 Trainer, Berater und Coachs arbeiten. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur promovierte an der TH Karlsruhe zum Thema Projektmanagement. Er ist Autor des Change Management Handbuch sowie zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Seit 1994 ist er zudem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence und der technischen Universität Clausthal.

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