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Die Digitalisierung hat uns viel Segensreiches gebracht. Gerade jetzt erleben wir in vielen Bereichen die Vorteile: Virtuelles Teamwork oder digital classrooms – ohne die technischen Möglichkeiten wären wir in den letzten Wochen verloren gewesen. Die entscheidende Frage ist nur: Was macht das mit unserem Gehirn?

Droht uns allen die „digitale Demenz“? Werden wir zur Generation Goldfisch? Weil unsere Konzentrationsspanne scheinbar geringer ist als die des lustigen Wasserbewohners.

Vorneweg: Die faszinierende digitale Welt und die Freude des analogen, innovativen und kreativen Denkens lassen sich verbinden. Vorausgesetzt, wir lassen unser Gehirn 4.0 das tun, was es am liebsten tut: arbeiten. Mit fünf Sinnen, die unser Gehirn zu einem Gesamtbild verarbeitet. Zugegeben, das Rad zurückdrehen möchte niemand. Was bleibt, sind deshalb wichtige Fragen:

  • „Wie gehen wir am besten mit der Digitalisierung um, damit wir davon profitieren können?“
  • „Gibt es die Möglichkeit, nicht trotz, sondern durch digitale Tools schneller, konzentrierter – und ausgeglichener im Sinne der Work-Life-Balance – zu sein?“

Digitalisierung bedeutet nichts anderes als die Umwandlung von analogen Werten in digitale Formate.

Deren Vorzüge haben die meisten von uns längst in ihr Leben integriert: Google, der Touchscreen am Smartphone, Messenger-Dienste wie WhatsApp, 3D-Druck, Alexa und bald autonom fahrende Autos. Das Leben ist bequemer geworden. Wir müssen uns nichts mehr merken, weil wir alles ständig dabei und griffbereit haben. Aber: Kann unser Gehirn als circa zwei Millionen Jahre altes, analoges Steinzeitgebilde mit der Digitalisierung zurechtkommen?

Dazu ist es wichtig, einige Basics über das Gehirn zu kennen:

  • Prinzipiell ist unser Gehirn extrem wandelbar und anpassungsfähig. Es ist zu grandiosen Leistungen fähig, wenn es richtig benutzt wird. Wichtig dafür ist die Grundversorgung: Die richtigen Nährstoffe durch eine ausgewogene Ernährung und genügend Flüssigkeit über den Tag verteilt stellen die wichtige Basis für einen konzentrierten und fokussierten digitalen Alltag dar.
  • Wenn unser Gehirn gut funktioniert, schüttet es Botenstoffe und Hormone aus. Serotonin sorgt dafür, dass wir uns wohl fühlen und guter Stimmung sind. Wenn wir ins Tun kommen wollen, brauchen wir Dopamin. Förderlich dafür ist Bewegung. Glückshormone, sogenannte Opioide, folgen, wenn wir ein Ziel erreicht haben. Deren Wirkung verpufft allerdings rasch. Dann brauchen wir wieder Dopamin, um ein neues Vorhaben anzugehen.
  • Ein wichtiger Faktor für die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns ist der Stresslevel. Mäßiger Stress macht uns konzentriert und aufmerksam. Wird er hingegen zu viel, sind wir vergesslich und unkonzentriert. Sehr starker Stress über lange Zeit schädigt gar das Gehirn. Wer auf sich selbst und die Signale hört, die ihm sein Körper und damit sein Gehirn sendet, kann meist ganz gut einschätzen, was noch o. k. oder schon zu viel ist.
  • Unser Gedächtnis arbeitet umso besser, je mehr wir es nutzen. Es ist allerdings schnell überlastet. Die meisten Eindrücke des Tages nehmen wir gar nicht wahr, nur ein Bruchteil schafft es in unser Bewusstsein. Dann müssen noch viele Faktoren stimmen, damit wir Fakten langfristig abspeichern. Das sind neben dem schon genannten richtigen Hormoncocktail und mäßigem Stresslevel auch Interesse, vorhandenes Wissen und die richtige Dosis an Informationen.

Wie bekommen wir jetzt die Digitalisierung und unser Steinzeithirn zusammen? Die Antwort lautet: Ja, es kann funktionieren. Wenn wir erst unser Gehirn einschalten und dann die digitale Welt betreten.

Video: Generation digital – verlernen wir das Denken?

Das Wissen der Welt auf einen Klick

Ein Vorteil der Digitalisierung ist, dass das Wissen der Welt ständig und in nie vorstellbarem Ausmaß zur Verfügung steht.

Während wir früher auf der Suche nach einer Antwort nachgeschlagen haben, schauen wir jetzt ins Internet. Weil dieser ausgelagerte Teil unseres Gedächtnisses immer verfügbar ist, machen wir uns nicht mehr die Mühe, uns etwas zu merken. Das ist fatal. Denn wer selbst nichts weiß, der muss sich auf sein Umfeld verlassen, das es ihm die „richtige“ Entscheidung vorgibt. Hier hilft dem Gehirn: Denken wir lieber einmal bewusst nach, bevor wir gleich googeln. Geben wir unserem Gedächtnis die Chance dazu, werden wir uns an das eine oder andere erinnern. Vielleicht sprechen wir einfach öfter wieder miteinander und finden so gemeinsam eine Antwort.

Warum Zoom uns müde macht

In den letzten Monaten fand eine digitale Disruption ohnegleichen statt. Was nie für möglich gehalten wurde, war plötzlich Wirklichkeit: Fast alles wurde digital. Meetings remote erledigt. Das Homeoffice zum virtuellen Arbeitsplatz. Die Grenzen finden ihren Ausdruck im Begriff „Zoom-Fatigue“, also „Zoom-Müdigkeit“.

Das Problem liegt darin, dass unser Gehirn in normaler, analoger Kommunikation aus der Körpersprache des Gegenübers Informationen sammelt und wir darauf reagieren. Online sehen wir oft nur den Kopf unseres Gesprächspartners. Hände sind ebenso wenig zu sehen wie die Mikromimik. Unser Gehirn versucht trotzdem während eines Online-Meetings die ganze Zeit, nonverbale Signale zu erkennen – ohne Erfolg. Dafür verbraucht es ziemlich viel Energie. Und das macht müde.

EXTRA: Zoom: Alles über die neue Erfolgsplattform [Infografik]

Unser Gehirn im Alarmmodus

Weil wir im Homeoffice oft nicht allein sind, können wir unsere Konzentration nie voll und ganz fokussieren.

Unbewusst ist ein Teil unseres Gehirns immer im Alarm-Modus, um sofort umzuschalten, sollten beispielsweise Geräusche aus dem Kinderzimmer kommen. All das bedeutet für unser Gehirn Stress. Statt Kuschelhormone wie Oxytocin auszuschütten, wenn wir uns beim analogen Meeting die Hand geben, sind die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin angesagt. Statt im kurzen Smalltalk vor dem Meeting die Atmosphäre und Stimmung der Kolleginnen und Kollegen auszuloten, versucht unser Gehirn, neben der Konzentration auf das Inhaltliche, alle Teilnehmer im Blick zu haben. Und so wissen wir auch nach einem langen virtuellen Meeting immer noch nicht, wie es ihnen geht.

Unser geliebtes Smartphone…

… ist ein Quell der Ablenkung. Viele Handys liegen auf dem Schreibtisch. Stumm geschaltet, aber sichtbar. Problematisch, weil unser Unterbewusstsein einen Teil seiner Aufmerksamkeit auf das Smartphone lenkt. Es könnte ja sein, dass eine Nachricht reinkommt. Für unser Gehirn heißt das: Multitasking. Und das funktioniert nicht.

Wenn wir konzentriert und effizient arbeiten wollen, dann geht das nur an einer einzigen Aufgabe. Sobald eine andere dazukommt, sind wir nicht mehr aufmerksam bei der Sache. Das merken wir spätestens, wenn wir die E-Mail, die wir während eines Telefongesprächs geschrieben haben, noch einmal senden müssen, weil wir den Anhang vergessen haben. Gehirngerecht arbeiten bedeutet: Eine Aufgabe nach der anderen erledigen, nicht gleichzeitig.

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Julia Kunz

Personal Brain Coach Julia Kunz ist Master of cognitive neuroscience (aon) und Diplom-Kulturwirtin (Univ.). Sie weiß, wie das Gehirn funktioniert, warum es manchmal nicht so tickt, wie wir uns das wünschen und welche zielführenden Maßnahmen funktionieren, damit wir auch in Stresszeiten fokussiert und konzentriert bleiben. Ihre Expertise in den Neurowissenschaften fließt in ihre Trainings und Vorträge rund ums Gehirn ein.

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