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Traditionell werden in der Investitionsgüterindustrie viele Serviceleistungen von den Herstellern für ihre KundInnen (scheinbar) kostenlos erbracht. Doch zunehmend setzt sich in den Unternehmen die Erkenntnis durch: Jeder Service hat seinen Preis. Und: Mit Serviceleistungen lassen sich attraktive Gewinnmargen erzielen.

Viele Industrieunternehmen erbringen seit Jahrzehnten zahlreiche Serviceleistungen für ihre KundInnen kostenlos – teils um ihrem Vertrieb ein Rabattmittel für die Preisverhandlungen an die Hand zu geben, teils um ihre KundInnen zu binden, teils um sich durch den exzellenten Service vom Wettbewerb zu differenzieren. Häufig ist der kostenlose Service aber auch Tradition. Sowohl das Unternehmen, als auch seine KundInnen sind es schlicht gewohnt, dass die erbrachten Serviceleistungen zumindest als Kostenpunkt in keiner Rechnung auftauchen.

Serviceleistungen: Umdenken findet statt

Doch zunehmend setzt bei den Herstellern von Industriegütern diesbezüglich ein Umdenken ein – nicht nur, weil die Gewinnmargen bei ihren technischen Gütern sinken, sondern auch weil die Serviceerwartungen ihrer KundInnen kontinuierlich steigen und der meist personalintensive Service viele Ressourcen bindet. Deshalb verdichtet sich bei vielen Unternehmensleitungen der Wunsch „Künftig sollen unsere KundInnen für den Extra-Service bezahlen“ – auch weil der Erfolg vieler IndustriedienstleisterInnen beweist: Mit exzellenten Serviceleistungen lassen sich Spitzen-Gewinnmargen erzielen.

Jeder Service verursacht Kosten

Hinzu kommt: Im Zeitalter des umfassenden Controllings wird jede Abteilung regelmäßig daraufhin überprüft, inwieweit sie gewinnbringend (oder zumindest kostendeckend) arbeitet. Das gilt auch für die Servicebereiche der Unternehmen. Und zunehmend wird auch analysiert, welche Deckungsbeiträge die einzelnen „Serviceprodukte“ erwirtschaften und welche Kosten dem gegenüber stehen.

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Servicevertrieb muss geplant sein

Ist erst einmal der Gedanke geboren „Künftig wollen …“ oder „…müssen wir auch mit dem Service Geld verdienen“, dann sind seitens der Unternehmensleitung oft rasch Umsatz- und Ertragsziele definiert – meist noch ohne dass die Fragen geklärt sind:

  • Wie arbeiten der Vertrieb Neuanlagen und der Servicevertrieb künftig zusammen?
  • Welche Servicepakete offerieren wir unseren KundInnen mit welchen Nutzen-Argumenten?
  • Wie werden die (bisher kostenlosen) Service-Leistungen bepreist?
  • Wie werden die (internen und externen) KundInnen hierüber informiert? Und:
  • Welche (zusätzlichen) Ressourcen stehen den Servicebereichen für die Zielerreichung zur Verfügung?

Die Folge: Die Verantwortlichen in den Servicebereichen stehen vor einem Berg von Aufgaben, ohne zu wissen:

  • Wann sollen wir all diese Punkte abarbeiten?
  • Womit fangen wir am besten an?
  • Wie hängen diese Themen zusammen?

Welchen Service bieten wir wem an?

Die zentrale Grundüberlegung zum Bewältigen des genannten Aufgabenpakets ist die Frage: Was sind die richtigen Serviceprodukte in richtiger Kombination für die richtigen KundInnen? Um die richtigen Serviceprodukte zu definieren, ist es wichtig, die Kundenanforderungen und -erwartungen zu kennen. Das setzt eine breite und tiefe Kundenkenntnis voraus, die ein exaktes Bewerten der Servicefaktoren ermöglicht. Die Grundregel lautet dabei: Genauigkeit geht vor Masse. Serviceleistungen, für die KundInnen bereit sind zu bezahlen, berücksichtigen mindestens die folgenden vier Faktoren:

1. Nutzen im Servicevertrieb:

Nur wenn KundInnen einen Service wirklich brauchen und dieser ihnen Mehrwerte verspricht, werden sie ihn kaufen. Um den Nutzen der Services detailliert zu betrachten, muss der Wertschöpfungsprozess der Zielgruppe genau durchleuchtet werden. Denn nur so lässt sich später eine quantitative Bewertung durchführen. Hierbei ist auch das Zusammenspiel von Neuanlagen-Vertrieb und Service-Bereich zu beachten, damit KundInnen als Ganzes betrachtet werden.

2. Innovation im Servicevertrieb:

Es muss nicht immer die technische „high end-Lösung“ sein, die den Titel Service-Innovation verdient. Je nach Branche kann es auch eine Prozessinnnovation (also zum Beispiel wie der Servicebereich mit KundInnen zusammenarbeitet), oder ein innovatives Leistungspaket sein. Gerade über Leistungspakete – beispielsweise bestehend aus Finanzierung, Beratungsleistungen, einem überragenden Service und Entwicklungszusammenarbeit – können sich Unternehmen gegenüber ihrem Wettbewerb profilieren.

3. Emotion im Servicevertrieb:

Alle erfahrenen (technischen) VerkäuferInnen wissen, dass häufig nicht rationale, also zum Beispiel technische oder betriebswirtschaftliche Erwägungen, sondern emotionale Motive den positiven Ausschlag für eine Kaufentscheidung geben. Service wird von Menschen für Menschen gemacht, und er wird von diesen auch gerne in Anspruch genommen, wenn er positive Gefühle weckt – zum Beispiel, weil er ihnen die Arbeit erleichtert. Oder weil er ihr Sicherheitsgefühl erhöht.

4. Kontinuität und Qualität im Servicevertrieb:

Einen Reparaturauftrag innerhalb von 24 Stunden anzunehmen und zu erledigen, weil man zufällig gerade in der Gegend ist, macht noch keinen exzellenten Service aus – insbesondere dann nicht, wenn es beim nächsten Mal wieder vier Tage dauert. Nur wenn eine Serviceleitung mit hoher Qualität zuverlässig und zwar kontinuierlich erbracht wird, löst sie bei KundInnen Begeisterung aus. Eine so strukturierte Untersuchung, um „die richtigen Serviceprodukte in richtiger Kombination“ zu finden, hat mehrere positive Effekte: Sie zeigt,

  • was KundInnen wichtig oder unwichtig ist,
  • welches „Serviceprodukt“ eine hohe oder niedrige Zahlungsbereitschaft erzeugt und
  • welche Produkte das Unternehmen vom Wettbewerb differenzieren und welche Leistungen noch besser werden müssen.

Der Untersuchungsprozess startet üblicher Weise mit der internen Betrachtung und der Konzeption – unter Beteiligung aller Fachabteilungen. Liegt ein entscheidungsfähiges Konzept vor, werden ausgewählte Kunden hinsichtlich der wichtigen Details befragt, und es folgt ein iterativer Prozess zur Verfeinerung.

Was ist den Kunden der Service wert?

Zu diesem Prozess gehört auch, mit den KundInnen über ihre Zahlungsbereitschaft zu sprechen. Denn was nützt das beste Angebot, das KundInnen nicht bezahlen wollen? Auch hierbei ist die interne Kalkulation der Kundenbefragung vorgeschaltet. Verschiedene Ansätze und Mischkalkulationen führen zu einem marktfähigen Preis.

3 Schritte zur Preisfindung von Serviceleistungen

Die reine Kostenkalkulation ist die Basis für weitere Zuschläge – zum Beispiel aufgrund des Innovationgrads oder der garantierten Kontinuität und Qualität. Ein Betrachten der Wettbewerber-Preise gehört ebenfalls dazu, wobei aufgrund der unterschiedlichen Kombination von Serviceleistungen, Vertragssituationen, Verfügbarkeit oder ähnlichem, eine Vergleichbarkeit meist nur eingeschränkt gegeben ist. Das dritte Kalkulationselement ist der Kundennutzen – meist der wichtigste Faktor. Denn der Nutzengrad für KundInnen – als der „Profit“, den er aus der Leistung zieht – entscheidet letztlich meist darüber, welchen Preis er bereit ist, für den Service zu zahlen.

Diese Grundregel sollte die Verantwortlichen mental begleiten: „think big – start small – do it fast“.

Servicevertrieb: Drei Empfehlungen aus der Praxis

Die Praxis zeigt, wenn Unternehmen künftig mit ihrem Service (mehr) Geld verdienen möchten, sollten sie beim Umsetzen ihres Vorhabens folgende drei Faktoren beachten:

  1. Um die notwendige interne Akzeptanz für den künftig bepreisten Service zu schaffen, ist Rückendeckung seitens der Unternehmensführung nötig. Das heißt, manchmal muss ein Pflock eingeschlagen werden, der die Notwendigkeit der Veränderung dokumentiert.
  2. Die Kooperation zwischen Vertrieb Neuanlagen und Servicebereich wird deutlich verbessert, wenn beide Seiten zum Beispiel aufgrund gemeinsamer Qualifizierungsmaßnahmen verinnerlicht haben: KundInnen mit all seinen Wünschen und Bedürfnissen müssen im Zentrum unserer gemeinsamen Erwägungen und unseres Handels stehen. Denn nur dann können wir mit ihnen profitable Geschäfte machen.
  3. Das Unternehmen sollte seinen KundInnen frühzeitig und immer wieder in den Prozess zur Findung von „Die richtigen Serviceprodukte in richtiger Kombination für die richtigen KundInnen“ einbinden. Denn nur sie wissen, wofür sie bereit sind, Geld zu bezahlen, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind. Durch das Einbinden der KundInnen über die verschiedenen Vertriebskanäle, erzeugen Unternehmen zudem bei ihnen das notwendige Interesse und Vertrauen, für den anschließenden Verkauf der Serviceleistungen.

Klaus Weber

Klaus Weber arbeitet als Vertriebstrainer und -berater für die Vertriebsberatung PETER SCHREIBER & PARTNER, Ilsfeld, (Tel.: 07062/96 96 8; E-Mail: zentrale@schreiber-training.de; Internet: www.schreiber-training.de). Der Diplom-Maschinenbau-Ingenieur (FH) arbeitete elf Jahre als Führungskraft im internationalen Vertrieb. Er war vier Jahre Niederlassungsleiter, Projektleiter und Key Account Manager im Vertrieb von erklärungsbedürftigen Industrieprodukten und -dienstleistungen.

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One Comment

  • Doris Kettenhofen sagt:

    Hallo Herr Weber,
    verehrte LeserInnen
    im Zuge der ökologischen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft wird es keinen anderen Weg geben,
    als die Reparaturfreudigkeit von Produkten schon bei der Konstruktion zu stärken.
    Nicht nur mit Neuprodukten lässt sich Geld verdienen.
    Reparatur und Ersatzteile – wie es früher einmal war, bevor die Wegwerfgesellschaft kam – wird meiner Einschätzung nach an Bedeutsamkeit gewinnen.

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