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Kann man überhaupt ohne Stress verkaufen? Wie kann ich Stress rechtzeitig erkennen? Von VerkäuferInnen wird heutzutage sehr viel abverlangt, deshalb ist es praktisch unmöglich, Stress für immer zu vermeiden. Allerdings kann man lernen, mit dem Druck umzugehen und sich auf Stresssituationen richtig einzustellen. Viele Situationen sind nämlich durchaus vorhersehbar.

Betrachten wir dazu das Beispiel von Anette, die als 450-Euro-Kraft in einem Brillendiscounter arbeitet. Eine Vollzeitstelle hat sie nicht bekommen. Zwar hat sie nicht viel Ahnung von Brillen, konnte sich aber dank eines halbtägigen Seminars ihres Arbeitgebers in der Zentrale über die Grundlagen informieren. Denn ihr Ziel kennt sie: Verkaufen. In den Augen ihres Arbeitgebers kein Problem, sie müsse ja den KundInnen einfach nur das Angebot schmackhaft machen, dann nehme der gleich zwei Stück.

Wenn Stress zum Arbeitsalltag wird

Zwar werden jede Woche Toplisten mit den erfolgreichsten Filialen veröffentlicht, Anette bekommt aber keine Tipps, wie sie sich verbessern kann und mehr verkauft. Dazu kommt einmal im Monat der Testkäufer, jedes mal ein anderer. Und doch erkennen ihn die MitarbeiterInnen gleich an seinen Fragen. Er kontrolliert, ob alles sauber ist, die KundInnen freundlich begrüßt werden und man ihm das Angebot des Monats präsentiert. Dann bloß nicht vergessen, ihm das Brillenetui für 20 Euro anzubieten. Denn sonst gibt es Minuspunkte.

Eigentlich läuft alles ganz gut. Aber irgendetwas verursacht bei Anette trotzdem Stress. Zum einen befürchtet sie, ihre Verkaufsziele nicht zu erreichen, zum anderen hat sie Angst, beim Testkäufer zu versagen. Denn dieser bewertet schwarz-weiß: Bei sechs Punkten haben die VerkäuferInnen entweder bestanden oder nicht, je nachdem wie er antwortet oder sich verhält. Dazwischen gibt es keine Wertung, entweder 100 Prozent oder gar nichts.

Bei zwölf Testkäufen im Jahr bekommt die Chefin schon Probleme, wenn nur bei einem Punkt nicht vorgabengemäß gearbeitet wird. Denn diese bekommt dann zu hören, warum sie ihre MitarbeiterInnen nicht im Griff hat.

Auch arbeitet Anette mehr als vereinbart. Denn in den mit 8,84 Euro pro Stunde bezahlten 30 Stunden im Monat, sind Aufgaben wie nach Ladenschluss die Kasse machen, durchfegen und Statistiken mailen nicht inbegriffen. Wenn sie Frühschicht hat, muss Anette mindestens eine halbe Stunde vor Ladenöffnung da sein, um die Kasse zu starten – unbezahlt, versteht sich. Tatsächlich kommt Anette so auf gut 40 Arbeitsstunden. Häufig freut sie sich, wenn sie mal fünf Stunden am Stück arbeiten darf, denn so rentiert sich wenigstens das Busticket, für das Anette 4,80 Euro bezahlt.

Kündigen ist keine Option, denn wahrscheinlich ist es woanders im Einzelhandel auch nicht wirklich besser.

Stressfalle „Keine Ausdauer“

Kennen VerkäuferInnen die typischen Stressfallen im Verkauf, können sie angemessen darauf reagieren. Im Fall von Anette liegt die Stressfalle darin, dass sie unter ständigem Leistungsdruck steht, sich selbst aber unsicher fühlt und befürchtet, zu wenig zu verkaufen. Dabei entsteht Stress durch falsche Erwartungen. So schnell wie möglich, so viele KundInnen wie möglich gewinnen und dabei so viele Produkte wie möglich verkaufen. Kein Wunder, wenn da schnell die Luft raus ist.

In der Regel geben VerkäuferInnen viel zu schnell auf. Doch KundInnen lassen VerkäuferInnen gerne mal etwas zappeln, um beispielsweise Rabatte oder eine bessere Leistung herauszuschlagen. Lernt der Verkäufer oder die Verkäuferin in Schulungen neue Methoden und wendet diese gleich am nächsten Tag an, erwartet er oder sie großen Erfolg. Nicht immer springt jeder Kunde oder Kundin aber sofort darauf an, ein Rückschlag ist vorprogrammiert. Und die VerkäuferInnen fällt zurück in alte Verkaufsmuster. Aber nicht alles, was man zum ersten Mal macht, muss auch gleich gelingen. VerkäuferInnen müssen Ausdauer zeigen und auch den Faktor Zeit einplanen.

EXTRA: Stress am Arbeitsplatz: Welche Auslöser gibt es? [Teil I]

Mit den richtigen Methoden zum Erfolg

Selbstverständlich gibt es einige Tipps, die VerkäuferInnen dabei helfen, ihre Ausdauer zu verbessern und ihren Stress dadurch zu reduzieren:

1. Ziele sollen fordern, aber nicht überfordern

Es ist wichtig, dass die Ziele realistisch sind und der Verkäufer oder die Verkäuferin sich selbst und seine/ihre Leistungen nicht überschätzt.

2. Jeden Tag ein bisschen

„Man kann auch einen Elefanten essen, wenn man die Stücke nur klein genug schneidet.“ Schritt für Schritt kommt man so ans Ziel.

3. Gute Vorbereitung schafft schnellere Erfolge

Stelle dir hierzu folgende Fragen, die du im Vorfeld vorbereiten kannst, um souverän und mit guten Argumenten ins Verkaufsgespräch zu starten:

  • Was hat der Kunde oder die Kundin von dem Angebot?
  • Welche Einwände könnten kommen?
  • Wie können diese entkräftet werden?

4. Zeit zum Denken nehmen

Nach dem Verkaufsgespräch ruhig reflektieren und sich der eigenen Stärken und Schwächen bewusst werden.

5. Überlastung frühzeitig erkennen

Zwischendurch auch mal zurücklehnen und überlegen, was wirklich wichtig ist und gemacht werden muss und was die KollegInnen erledigen können.

6. Positives bewusst machen

Es ist hilfreich, sich Erfolge und schöne Momente bewusst zu machen. Diese auch schriftlich festhalten.

7. Ist Scheitern wirklich so schlimm?

Oft wird aus einer Mücke ein Elefant gemacht. Und wenn jemand niemals scheitert, hat dieser vielleicht einfach nur zu geringe Ansprüche an sich selbst.

Dass VerkäuferInnen stressigen Situationen ausgesetzt sind, ist völlig normal und gehört zum Berufsalltag. Wichtig ist jedoch, wie jeder einzelne mit dem Druck umgeht. Wird die richtige Balance gefunden, kann sich Stress durchaus positiv auf den Verkaufserfolg auswirken.

Oliver Schumacher

Der Verkaufstrainer Oliver Schumacher ist Sprechwissenschaftler (M.A.) und Diplom-Betriebswirt (FH). Er zeigt Verkäufern unter dem Motto „Ehrlichkeit verkauft“, wie diese souverän neue Kunden durch Kaltakquise gewinnen und sich selbst bei schwierigen Preisverhandlungen behaupten. Vielen ist der mehrfache Buchautor durch seine zahlreichen Videos auf YouTube bekannt. Vor dem Start seiner Selbstständigkeit 2009 arbeitete über 10 Jahre sehr erfolgreich im Verkaufsaußendienst für einen börsennotierten Hersteller von Markenartikeln.

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