„Worte waren ursprünglich Zauber.“ Das wusste bereits Sigmund Freud und zeigte damit deutlich, wie mächtig Sprache ist. Für jeden guten Sprecher sind Geschichten das wichtigste Mittel, das er in seinem Repertoire hält. Mit Geschichten können wir begeistern, inspirieren und verändern, aber auch Traurigkeit, Angst oder Wut auslösen. Doch wozu in aller Welt sollten wir bei unseren Zuhörern Wut auslösen?
Das soll an folgender Geschichte deutlich werden: Unter den Top 10 der Todesursachen befindet sich unter anderem das, was als „Medizinischer Irrtum“ bezeichnet wird. Darunter versteht man einen Fehler, der im Krankenhaus vom Arzt, der Krankenschwester oder dem Pflegepersonal begangen wurde und dann zum Tod des Patienten geführt hat. Diesen hohen Prozentsatz wollte auch Don Berwick, Leiter des Institute for Healthcare Improvement in Amerika, mit allen Mitteln senken. Doch es schien nichts zu helfen.
Man stelle sich ein Change-Training in einem Krankenhaus vor, dessen Publikum voller Ärzte ist. Das Thema des Tages: „Sind auch Sie für den Tod von Patienten (mit)verantwortlich?“ Das trägt nicht unbedingt zur Veränderungsmotivation der Belegschaft bei.
Das wusste auch Don Berwick. Deshalb erzählte er den Ärzten die Geschichte von Josie King. Josie war 18 Monate jung, hatte braune Augen und konnte bereits „Ich liebe dich“ sagen. Der Anblick der Kleinen war bildhübsch. 2001 verbrannte sich Josie mit einem Topf voll heißem Wasser. Die Eltern brachten sie schnell ins Krankenhaus, in dem für sie gesorgt wurde. Die Mutter meinte, dass sie dabei nur eines seltsam fand: „Immer, wenn die kleine Josie etwas zu trinken sah, schrie sie und wollte es haben. Die Ärzte aber haben mir gesagt, ich dürfe ihr nichts geben.“
In der darauffolgenden Nacht blieb Josies Herz stehen – wegen falsch eingesetzter Medikamente verstarb sie an Dehydrierung. Nachdem Don diese Geschichte in aller epischen Breite erzählt hatte, war sichtlich Trauer und Wut im Auditorium zu sehen. Nun fragte er: „Wie konnte das passieren?“ Und ohne Schuldzuweisungen zu geben, lud er das Krankenhauspersonal dazu ein, von den jüngsten Todesfällen zu berichten und wie die Patienten verstorben seien – was zuvor, ohne die Geschichte von Josie, nie richtig gelungen war.
5 Tipps für die perfekte Rede
Geschichten öffnen den Geist und das Herz.
Mit ihrer Hilfe kann Kritik besser verstanden und Wunden können schneller geheilt werden. Wie aber können wir jetzt konkret mit Hilfe von Stories unsere Rede wirksamer gestalten?
1. Bringe Beispiele anstatt Fakten
Von dem gesamten Schulstoff, den du gelernt hast, hast du vielleicht noch ein paar Prozent wirklich präsent. Fakten scheinen sich also nicht besonders gut ins Gehirn einzubrennen. Die Geschichten, die wie ein Lauffeuer durch die Schule gingen, z. B. dass der Direktor heimlich eine Affäre mit der neuen Lehrerin hat, halten sich allerdings bis heute.
2. Erzähle eine Geschichte aus deinem Leben
Es muss nicht die bekannte Geschichte von dem Narren Mulla Nasrudin sein, mit der du deine Zuhörer begeisterst. Das Publikum will Authentizität. Und die hast du, wenn du aus deinem Leben erzählst. Vorausgesetzt, die Kernbotschaft deiner Geschichte hat etwas mit deinem Vortrag zu tun.
3. Mach Pausen
Spätestens am Ende einer Geschichte musst du eine Pause machen. Setze aber auch während deiner Erzählung bewusste Pausen ein. Denn:
Geschichten sind wie ein Feuerwerk, sie wollen genossen werden.
4. Üben, üben, üben
Geschichten erzählen ist wie Schach spielen. Die Regeln sind schnell gelernt, aber ein wahrer Meister wird man nur durch jahrelanges Üben. Wenn du eine Geschichte vorbereitest, nimm dich auf Tonbandgerät oder Kamera auf und frage dich:
- Was kann ich alles weglassen?
- Was ist für mein Publikum in dem Moment relevant/irrelevant?
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5. Passe die Geschichte an deine Zielgruppe an
Dieser Tipp ist für fortgeschrittene Redner. Wenn du einen Vortrag vor Unternehmern hältst, erzählst du die Geschichte von Steve Jobs, vor Investoren natürlich die von Warren Buffet, vor Frauen die von Oprah Winfrey und vor Coaches und Trainern die von Tony Robbins. Inhaltlich sagen die Geschichten vielleicht etwas sehr Ähnliches aus, aber der an deine Zielgruppe angepasste Protagonist bietet ein höheres Identifikationspotenzial für dein Publikum. Als Faustregel gilt:
Je höher die Identifizierung deiner Zuhörer mit der Geschichte, desto wirksamer ist sie.
Zum Abschluss ein letzter Tipp: Beginne Deinen Vortrag gleich mit einer Geschichte, das bindet die Aufmerksamkeit Deiner Zuhörer.
Ansonsten passiert dir vielleicht das, was dem Protagonisten in der folgenden Geschichte passiert: Im Hörsaal der Universität hatte man eine neue Lautsprecheranlage installiert. Der Professor sprach zur Probe ins Mikrofon: „Können Sie mich auch auf den hinteren Sitzreihen hören?“ Ein Student aus der vorletzten Reihe blickte kurz aus einer lebhaften Unterhaltung auf und rief: „Jawohl, Herr Professor, aber es stört uns nicht im geringsten!“
EXTRA: Rhetorik: Michael Ehlers im Experten-Interview
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