Emotionale Gründe entscheiden
Eine Untersuchung der Forum-MarktforscherInnen aus Mainz ergab, dass nicht die Konditionen, sondern kommunikative und emotionale Faktoren die Hauptgründe für niedrige Zufriedenheitswerte bei abgewanderten Bankkunden waren. Übrigens hatten nur 5 Prozent aller bestehenden KundInnen, aber 14 Prozent aller Ex-KundInnen sich bereits beschwert. Die jeweils letzte Beschwerde erfolgte bei den bestehenden KundInnen zu 13 Prozent, bei den Ex-KundInnen zu 29 Prozent per Brief. Eine schriftliche Beschwerde heißt also: 5 vor 12.
Keine Ressourcen für bestehende Kunden
Es ist schon paradox: Unternehmen geben oft so unglaublich viel Geld aus, um neue KundInnen zu gewinnen. Und kaum sind sie endlich eingefangen, wird an allen Ecken und Enden gespart: MitarbeiterInnen werden nicht trainiert, es sind zu wenig da, sie haben keine Lust – oder Frust. Sie werden schlecht geführt, sie haben keine Ressourcen, keinen Spielraum und keine Ideen, um KundInnen zu begeistern und schließlich zu loyalisieren.
Die KundInnen sollen sich einfügen und parieren. Diese allerdings fühlen sich vernachlässigt, gelangweilt, falsch verstanden, von oben herab behandelt, schikaniert – und schließlich vertrieben.
Nur leider: Verlorene Kundschaft bzw. verlorenes Geschäft wird meist nicht analysiert und schon gar nicht bilanziert. Die typische ControllerInnen-Frage: „Wie viel bringt uns das?“muss daher künftig lauten: „Wie viele profitable KundInnen (und damit Euro) verlieren wir, wenn wir …“. Wenn das die ControllerInnen nur endlich verstehen würden.
Segmentierung in rentable und unrentable KundInnen
Nachdem geklärt ist, wer aus welchen Gründen als verloren gilt, geht es darum, die lukrativen unter den abgewanderten KundInnen zu reaktivieren. Dabei interessieren vor allem zwei Aspekte:
- die Attraktivität der KundInnen aus unternehmerischer Sicht, also: Mit wem lohnt sich ein Neuanfang?
- die prognostizierte Wahrscheinlichkeit für die Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung, also: Wer will überhaupt zurück?
Nicht jede Kundin und nicht jeden Kunden willst du zurück. Und nicht jede Kundin oder Kunde will zu dir zurück. Zu den erfolgskritischen Faktoren gehört daher auch die Vorauswahl solcher KundInnen, die rentabel waren bzw. sein werden und zurückholbar sind. Die Abwanderung wertarmer KundInnen ist durchaus erwünscht. Und es gibt KundInnen, die wünschst du der Konkurrenz viel lieber als dir selbst. Das sind vor allem:
- unrentable KundInnen
- KundInnen kurz vor der Insolvenz
- untragbare, hochproblematische, ernsthaft schwierige KundInnen
- SchnäppchenhopperInnen, RosinenpickerInnen und KonditionenhascherInnen, die nur auf verlustträchtige Billigangebote aus sind
KundInnendatenbank – das A und O
Bevor du dich an die Rückgewinnung der Abtrünnigen machen, musst du also die Spreu vom Weizen trennen. Dabei willst du dich nicht von subjektiven Einschätzungen oder persönlichen Vorlieben leiten lassen, sondern du brauchst ein objektivierbares Bewertungssystem. Basis hierfür ist eine funktionsfähige Datenbank mit gut gepflegten KundInnendaten.
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Das KundInnen-Scoring
Die Scoring-Methode dient der Vorselektion der KundInnen, die in die Reaktivierungsaktion einbezogen werden sollen. Hierbei werden zunächst die Kriterien definiert, die KundInnen für dich wertvoll machen. Und das ist bei weitem nicht nur der Ertrag, den du mit einer Kundin oder einem Kunden erzieltst – oder besser gesagt – in der Zukunft erzielen könntest. KundInnen haben ja nicht nur einen monetären, sondern auch einen ideellen Wert. Um all dies zu berücksichtigen, bietet sich Folgendes an:
- Die Kaufhistorie: Wie lange war uns die Kundin oder der Kunde verbunden, wie oft und wie viel hat sie bzw. er zu welchen Zeiten und mit wie viel Ertrag gekauft?
- Der Deckungsbeitrag: Wie profitabel kann die Kundin oder der Kunde zukünftig sein?
- Der Imagefaktor: Können wir uns mit dieser Kundin oder diesem Kunden schmücken?
- Der Empfehlungswert: Ist diese Kundin oder dieser Kunde eine wertvolle Empfehlerin bzw. ein Empfehler?
- Die Zukunftsperspektive: Ist die Kundin oder der Kunde innovativ/gehört sie bzw. er einer Wachstumsbranche an?
- Die Preissensibilität: Verhandelt die Kundin oder der Kunde bis aufs Messer?
- Der Schnäppchenfaktor: Hat die Kundin oder der Kunde kontinuierlich gekauft – oder nur die wenig rentablen Schnäppchen?
- Die Zahlungsmentalität: Bezahlte die Kundin oder der Kunde ihre bzw. seine Rechnungen pünktlich und ohne Beanstandungen?
- Die Bonität: Wie steht es um ihre bzw. seine zukünftige Zahlungsfähigkeit?
- Der Betreuungsaufwand: Wie anspruchsvoll war die Kundin oder der Kunde?
- Der Sympathiefaktor: War die Kundin oder der Kunde angenehm und gern gesehen?
- Die Reklamationsbereitschaft: Reklamierte die Kundin oder der Kunde häufig?
Diese und ähnliche Kriterien, die du individuell bestimmen kannst werden auf einer Skala von eins bis zehn bewertet und optisch sichtbar gemacht. Die Punkte (= Scores) werden schließlich aufaddiert und in eine Rangfolge gebracht. Dieses Vorgehen ermöglicht, sich auf die interessantesten ReaktivierungskandidatInnen zu konzentrieren.
Nach meiner Erfahrung kann es echte Aha-Effekte erzeugen, wenn man sich mal die Mühe macht, Kunden zu segmentieren und die Bedeutung einzelner Segmente auf Umsatz und Ergebnis zu betrachten. Nur bei einer differenzierten Betrachtung werden Chancen/ Risiken wirklich sichtbar und können sinnvolle Handlungen abgeleitet werden.