Oft entwerfen Unternehmen am grünen Tisch die Geschäftsprozesse in ihrer Organisation neu. Dann ergeben bei deren Einführung meist Probleme – unter anderem, weil die Mitarbeiter den Change nicht mittragen.
„Wir müssen unsere Geschäftsprozesse auf den Prüfstand stellen und ein gezieltes Geschäftsprozessmanagement betreiben.“
Diese Aussage hört man seit einigen Jahren gehäuft von Top-Managern, da sich die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns ihrer Unternehmen immer schneller und fundamentaler wandeln. Als Beleg hierfür seien hier nur die Stichworte Corona, Ukraine-Krieg, Klimawandel, Energiekrise, Fachkräftemangel, Inflation, Gaza-Konflikt, multipolare Weltordnung und Künstliche Intelligenz genannt.
Ziel: Das Unternehmen zukunftsfit machen
Von einem Neugestalten der Geschäftsprozesse – meist auch mit Hilfe der Digitaltechnik – versprechen sich die Unternehmensführer in der Regel
- niedrigere Kosten auf allen Ebenen und mehr Gewinn sowie
- eine höhere Qualität und Kundenzufriedenheit.
Das Unternehmen soll hierdurch also „zukunftsfit“ gemacht werden.
Im Unternehmensalltag erweist sich das Geschäftsprozessmanagement jedoch als sensibles Thema – auch weil die Mitarbeiter mit dem Neugestalten der Geschäftsprozesse meist Vokabeln wie „Kostensenkung“, „Personalabbau“, „Automatisierung“, und „Outsourcing“ sowie einen höheren Veränderungsdruck assoziieren. Entsprechend reserviert reagieren sie auf entsprechende Initiativen der Unternehmensleitung.
Das gilt auch für die Führungskräfte. Denn auch sie befürchten: Wenn die Prozesse bereichsübergreifend optimiert werden, wird auch so manche Führungsposition obsolet. Zudem wird das Alltagshandeln der verbliebenen Führungskräfte einer stärkeren Kontrolle unterworfen. Also sperren auch sie sich nicht selten mental gegen ein modernes, professionelles Geschäftsprozessmanagement, selbst wenn sie dessen strategische Notwendigkeit und betriebswirtschlichen Nutzen durchaus sehen.
Ein zentraler Erfolgsfaktor: die Mitarbeiter
Entsprechend wichtig ist es, die Mitarbeiter top-down – soweit möglich – schon in die Planung entsprechender Projekte zu involvieren, denn von ihrer Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft hängt weitgehend der Erfolg der Initiativen zur Neugestaltung und Weiterentwicklung der Geschäftsprozesse ab.
An diesem Punkt zeigen viele Unternehmen Entwicklungsdefizite. Oft erfolgt das Re-Design der Prozesse und das Planen des künftigen Projektverlaufs am „grünen Tisch“. Nicht ausreichend berücksichtigt wird, dass das Unternehmen beim Umsetzen auf die Mitarbeit der Betroffenen angewiesen ist.
Folglich werden auch die Grundprinzipien für das Gestalten jedes Change-Prozesses nicht ausreichend beachtet und fließen in das Projektdesign ein. Deshalb werden im Folgenden die wichtigsten Change-Management-Prinzipien, die es beim Geschäftsprozessmanagement zu beachten gilt, kurz vorgestellt.
Wichtige Geschäftsprozessmanagement-Prinzipien
1. Die betroffenen Mitarbeiter/Führungskräfte beteiligen
Abläufe in Unternehmen funktionieren dann sicher, wenn die beteiligten Menschen diese verinnerlicht und Routine im Umgang mit ihnen entwickelt haben. Dann destabilisieren auch kleinere Störungen das System nicht, was die Qualität sichert. Sollen jedoch Prozesse neugestaltet werden, dann ist dieses Beharrungsvermögen eher hinderlich.
Deshalb sollten die verantwortlichen Führungskräfte und die wichtigen Schlüsselpersonen in die Analyse der aktuellen Situation und in das Neugestalten der Prozesse einbezogen werden. Das stellt sicher, dass ihr Erfahrungs- und Expertenwissen ausreichend berücksichtigt wird. Außerdem haben die Beteiligten weniger das Gefühl, dass ihnen etwas übergestülpt wird. Deshalb identifizieren sie sich stärker mit dem Neuen.
2. Freiräume für Reflexion und Dialog schaffen
Bei jedem Geschäftsprozessmanagement-Projekt stehen die Beteiligten unter einem hohen Zeit- und Arbeitsdruck. Zu kurz kommt deshalb oft die gemeinsame Reflexion über
- das bereits Erreichte,
- die noch offenen Aufgaben und
- die bestehenden Blockaden/Schwierigkeiten.
Solche Reflexionsrunden sollten fest institutionalisiert werden, denn sie stärken den Zusammenhalt des „Kernteams“ und sorgen dafür, dass seine Mitglieder dieselbe „Sprache“ sprechen und am selben Strang ziehen – unter anderem, weil der Gedanken- und Erfahrungsaustausch zu einer Sensibilisierung für die Sichtweisen der Kollegen führt und einen Abgleich mit der eigenen Sicht ermöglicht. Dieser Austausch sollte abseits des operativen (Alltags-)Geschäfts erfolgen.
3. Die Kommunikation über die Veränderungen planen
Bevorstehende Veränderungen bewirken Unsicherheiten bei den Mitarbeitern und diese führen zur bekannten Gerüchteküche, wenn ein Informationsvakuum besteht. Und hieraus resultieren Reibungsverluste und Produktivitätseinbußen. Um diese zu vermeiden, sollte in einem Kommunikationskonzept geplant werden, „wer was wann und auf welche Weise an wen kommuniziert“. Und werden Informationen aus guten Gründen zurückgehalten? Dann sollte dies auf Basis einer expliziten Entscheidung und im Bewusstsein der möglichen Folgen geschehen.
4. Widerstände und Konflikte berücksichtigen und nutzen
Ein Neugestalten (und Automatisieren) von Geschäftsprozessen verursacht Widerstände. Diese Widerstände sind fast immer emotional bedingt und werden meist verschlüsselt artikuliert. Deshalb sollten die Verantwortlichen mit den „Widerständlern“ den persönlichen Dialog suchen, um herauszufinden, was die realen Ursachen sind. Diese sollten dann in einer sachlichen Atmosphäre bearbeitet werden, so dass Vereinbarungen über das weitere Vorgehen möglich sind. Das entschärft die Situation.
5. In Systemen denken
Komplexe Veränderungsprozesse, die sich in zahlreiche (Teil-)Projekte, die sich wechselseitig beeinflussen, untergliedern, können nicht mit linearen Denkansätzen umgesetzt werden. Hierfür ist ein Denken in Systemen, also vernetzten Strukturen, nötig. Dieses Denken geht davon aus, dass das Verhalten des Einzelnen von seinem sozialen System beeinflusst wird und er dessen Entwicklung wiederum beeinflussen kann. Dies berücksichtigt ein systemischer Beratungsansatz, weshalb er keine isolierten Problemlösungen entwirft.
6. Den Schlüsselpersonen die nötigen Kompetenzen vermitteln
Bei jedem Veränderungsprozess gibt es Phasen der Unsicherheit. In ihnen müssen die Führungskräfte ihren Mitarbeitern Orientierung und Halt bieten, auch wenn sie selbst Unsicherheiten plagen; entsprechendes gilt für die Prozessmanager/-berater. Deshalb sollten sie mit den Besonderheiten von Veränderungsprozessen vertraut sein und wissen, dass in ihnen an sie teils andere Anforderungen als in „stabilen Zeiten“ gestellt werden.
Außerdem sollten sie die Methoden und Instrumente des Change-Managements beherrschen, damit sie die Veränderungen gestalten können. Diese Fähigkeiten müssen die Unternehmen den Schlüsselpersonen in ihrer Organisation vermitteln – auch weil „stabile Zeiten“ heute eher die Ausnahme sind. Deshalb hat sich das Change-Management zu einer Kernkompetenz von Führungskräften entwickelt.
7. Das Prozessdenken in der Unternehmenskultur verankern
Der Einstieg in ein prozessorientiertes Denken und Handeln erfordert in vielen Unternehmen einen Wandel der Unternehmenskultur. Diese Kultur definiert sich aus bewussten und unbewussten Haltungen und Werten, die für die Mitarbeiter wichtig sind, und deren Missachtung für sie oft ein Tabubruch ist. Beim Verändern der Unternehmenskultur spielen die Führungskräfte die zentrale Rolle, weil sie für ihre Mitarbeiter Vor- und Leitbilder sind. Folglich muss mit entsprechenden Maßnahmen des Change-Managements daraufhin gearbeitet werden, dass sich im Handeln der Führungskräfte die veränderte Unternehmenskultur zeigt und sich in der Organisation etabliert.
Multiplikatoren einsetzen; mit Coaching die Nachhaltigkeit sichern
Die Rolle des Prozessmanagers/-beraters in Unternehmen ist nicht fest definiert. Auf alle Fälle sollte es in der Organisation jedoch eine Person oder Institution geben, die für das Geschäftsprozessmanagement verantwortlich ist. Weitere wichtige Aufgaben sind
- das Coachen der Prozesseigner/ -verantwortlichen,
- das Organisieren der Weiterbildung zum Thema Prozess und
- das Etablieren eines Wissensmanagements, um aus Erfahrungen zu lernen.
Um diese Aufgaben professionell wahrzunehmen, benötigen die Verantwortlichen eine hohe Kompetenz in Sachen Change-Management.
Die nötige Change-Management-Kompetenz vermitteln
Eine stärkere Verzahnung von Geschäftsprozess-Management und Change-Management lässt sich auf verschiedene Art und Weise erreichen. Dabei ist jedoch eine Change-Management-Qualifizierung der Prozessmanager/-berater, der Führungskräfte und der sonstigen Mitarbeiter, die in den betroffenen Bereichen eine Schlüsselfunktion haben, unverzichtbar.
Entsprechende Aus- und Weiterbildungen werden in verschiedenen Umfängen angeboten – vom dreitägigen Einstiegsseminar bis zur einjährigen berufsbegleitenden Fortbildung. Für die Prozessmanager/-berater empfiehlt sich Letzteres, weil der Erwerb der nötigen Kompetenz auch mit einem Sammeln von Erfahrung und einer persönlichen Entwicklung verbunden sein sollte. Deshalb sollte bei der Wahl der Ausbildung auf einen hohen Praxisbezug und eine ausreichende Transfermöglichkeit im Aufgabenfeld der Teilnehmer geachtet werden.
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