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Nach einer Analyse der Unternehmensberatung EY ist es deutschen Startups im ersten Halbjahr 2023 gelungen, 3,1 Milliarden Euro an Investitionskapital zu akquirieren. Das mag erstmal nach viel klingen, bedeutet allerdings einen Rückgang von 49 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dieser signifikante Rückgang hat Auswirkungen auf verschiedene Branchen, darunter auch den Bereich „Software & Analytics“. Hier beträgt die Gesamtinvestition aktuell nur 769 Millionen Euro, was im internationalen Vergleich – besonders aber im Hinblick auf die USA – als äußerst bescheiden angesehen werden muss. Im Vergleich akquirierten VC-finanzierte Unternehmen in den USA im gleichen Zeitraum 73,8 Milliarden Dollar (68,3 Mrd. Euro).

Diese Zahlen verdeutlichen die absolut dringende Notwendigkeit, das ökonomische Umfeld und die regulatorischen Rahmenbedingungen in Deutschland zu überdenken, um die Attraktivität für Investoren und Startups zu steigern und die Innovationskraft unseres Landes zu erhalten.

Die Frühphasenkrise: Wie Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit verliert

Der Einbruch bei der Wagnisfinanzierung ist somit ein Alarmsignal für die Gesamtwirtschaft. Umso mehr angesichts der Wirtschaftskrise und des Umbruchs, den Deutschland durchläuft: Eine wenig durchdachte Energiepolitik hat uns die höchsten Energiepreise der Welt beschert – mit der Folge, dass vor allem Industrieunternehmen Deutschland verlassen. Der Verbrennermotor steht vor dem Aus – deutsche Ingenieurskunst von Gottlieb Daimler bis Rudolf Diesel –, was zusätzlich Hunderttausende Arbeitsplätze vernichten wird. Anderen Branchen, wie etwa dem Bau, geht es ebenfalls schlecht. Um diesen Aderlass auszugleichen, muss also anderswo etwas nachwachsen – und dafür muss man beizeiten säen und das Feld bestellen.

Ein Rückgang der Investitionen in Frühphasentechnologien verlangsamt den Innovationsprozess zwangsläufig. So würde Deutschland seine internationale Wettbewerbsfähigkeit noch weiter verlieren. Hinzu kommt, dass Startups attraktive Arbeitgeber für hochqualifizierte Fachkräfte sind. Fallen nun Finanzierungsrunden aus, wandern talentierte Arbeitskräfte ab oder entscheiden sich für etablierte Unternehmen – die zwar wichtig, aber nicht so wachstumsstark sind. Dies führt wiederum langfristig zu einem Fachkräftemangel in den innovativen Branchen. Ein Teufelskreis.

Wie können wir das Problem bewältigen?

Was aber sind die Gründe dafür, warum das Finanzierungsumfeld für Startups derzeit schwieriger geworden ist: eine unsichere wirtschaftliche Lage, verursacht durch internationale Krisen, hohe Inflation und Zinsen und eine schwache Konjunktur. Zudem: ein Mangel an Risikobereitschaft seitens der Investoren und eine Verschiebung des Kapitals hin zu traditionellen Branchen und ins Ausland.

Die Minimierung der geopolitischen Risiken hat die Bundesregierung nicht in der Hand. Wohl aber die allgemeinen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft – und die Signale, die sie aussendet. Investoren müssen wieder Vertrauen in den Wirtschaftsstandort fassen und hierbei gibt die zerstrittene Ampelkoalition kein gutes Bild ab. Außerdem müssen die Kosten sinken: bei den direkten und indirekten Steuern, bei den Energiekosten – und Bürokratie- und Verwaltungskosten. All dies wurde zwar schon tausend Mal geschrieben – es bleibt jedoch nach wie vor richtig; erst recht, wenn auf diesen Gebieten so wenig passiert ist. Nur so werden Investoren wieder ermuntert, in Technologien zu investieren – ein Prozess, der schließlich Jahre braucht.

Die Investitionsbereitschaft insgesamt muss gefördert werden. Die Bundesregierung muss mehr Anreize für Investitionen in technologieorientierte Startups schaffen. Dazu gehören steuerliche Stimulierungen, Förderprogramme und neue Innovationshubs. Ein weiterer Dauerbrenner ist der Fachkräftemangel. Wenn GeldgeberInnen keine Leute finden, die Technologien entwickeln – dann finanzieren sie schlichtweg nicht. Schließlich investiert man im Wesentlichen in Talente und ihre Ideen. Deutschland muss also attraktiver für Fachkräfte werden und auch die Ausbildung im Bereich Technologie verstärken, damit Startups überhaupt hochqualifizierte Arbeitskräfte bekommen.

Fazit

Der Rückgang von Investitionskapital bei Frühphasentechnologien kommt uns mittel- und langfristig teuer zu stehen. So darf es nicht weitergehen. Die Bedeutung von Startups und deren Technologien für die Zukunftsfähigkeit des Landes ist extrem – erst recht, wenn andere Säulen wegbrechen, wie wir es gerade erleben. Risikoinvestitionen sind immer ein Wagnis. Aber die Belohnungen im Falle eines Erfolgs sind nicht nur üppige Rückflüsse an InvestorInnen, sondern auch für unser Land von unschätzbarem Wert.

Deutschland sollte sich darauf konzentrieren, die Innovation und Unterstützung für Startups zu stärken, um die Arbeitsplätze von morgen zu sichern und seine Position als ein weltweiter Technologiepionier zu festigen. Meiner Meinung nach brauchen wir nicht mehr Gesetze für Chancengleichheit, Umverteilung und Integration – Wir brauchen gesetzliche Rahmenbedigungen, die es Unternehmern und Innovatoren ermöglichen, freier zu agieren und leichter Kapital zu akquirieren. Wir brauchen einen Nährboden, der den Machern dieses Landes wieder Wind in die Segel bläst, damit sich mal wieder jemand etwas traut. 

Dr. Heiner Pollert

Dr. Heiner Pollert ist CEO und Geschäftsführer der Patentpool Gruppe. Dr. Pollert ist Experte in den Bereichen Intellectual Property und Innovationsmanagement. Im Jahr 1998 gründete er die Patentpool Group in München, mit Fokus auf Innovationsförderung und -management von patentrechtlich schutzfähigen Technologien. Pollert ist außerdem erster Vorsitzender des Deutschen Instituts für Erfindungswesen e.V. und Wirtschaftssenator im BVMW.

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