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Während die Corona-Pandemie die Bedeutung der breitflächigen Digitalisierung einmal mehr unterstrichen hat, sind viele deutsche Unternehmen und auch die öffentliche Verwaltung noch immer nicht ausreichend auf die Herausforderungen der digitalen Welt vorbereitet; dies geht beispielsweise aus den Berichten der Bundeszentrale für politische Bildung hervor. Die deutsche Regierung hat sich zwar das ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2025 flächendeckend schnelles Internet zu schaffen und investiert auch verstärkt in die digitale Startup-Branche, aber reichen diese Maßnahmen aus, um die Digitalisierungslücke schnell zu schließen? Insbesondere im Verwaltungssystem sowie bei vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen dominiert nach wie vor eine Zettelwirtschaft, die Cloud ist vielerorts noch ein Fremdwort.

In diesem Kontext stellt sich die Frage, wie Deutschland in Zukunft seine Digitalisierungsbemühungen intensivieren kann. Und es gibt Beispiele, die Hoffnung machen, denn der Blick nach Skandinavien zeigt:

Erfolgreiche Digitalisierung ist möglich! 

Wenn das Problem systemisch ist

Die Herausforderungen reichen weiterhin von der Ebene gesamtstruktureller Defizite bis hinunter zum Level individueller Unternehmen. So geht zum Beispiel aus den Daten der Förderbank KfW hervor, dass ein beträchtlicher Anteil deutscher Unternehmen mangelnde Kompetenzen bei den eigenen Mitarbeitenden als größte Hürde für eine erfolgreiche Digitalisierung sieht und deshalb damit hadert, notwendige Modernisierungsmaßnahmen umzusetzen. Natürlich gibt es auch hierzulande Paradebeispiele für Unternehmen, die bereits erfolgreich einen umfassenden Transformationsprozess durchgeführt haben. Jedoch handelt es sich dabei eher um punktuelle Leuchtturmprojekte

Eins ist klar: Um im internationalen Wettbewerb vorne dabei zu sein, darf Deutschland nicht zur Digitalisierungswüste werden. Doch um das zu verhindern, muss die Wurzel des Problems angegangen werden, anstatt nur an den Symptomen herumzudoktern. Es reicht nicht, hier und da ein digitales Tool wie Streusel auf einem Kuchen zu verteilen.

Um mit der digitalen Entwicklung Schritt halten oder zunächst einmal den Rückstand aufholen zu können, benötigen Unternehmen nicht nur eine ausgereifte und praktisch verfügbare digitale Infrastruktur, sondern auch ausgebildete Mitarbeitende. 

Skandinavien als Vorbild 

Während Deutschland in Sachen digitaler Transformation noch deutlichen Nachholbedarf hat, haben nordische Länder, wie Finnland, Schweden, Dänemark oder Norwegen, längst eine Vorreiterrolle eingenommen. Ein konkretes Beispiel: Finnland und Schweden sind auf dem Weg zu einer (fast) bargeldlosen Gesellschaft, wohingegen Deutschland weiterhin am Bargeld festhält und sich zu sehr auf Argumente versteift, weshalb dieser Wandel kontraproduktiv sei.

Die folgenden drei skandinavischen Erfolgsfaktoren können der Schlüssel zu einer erfolgreichen Transformation sein und sollten auch hierzulande besonders gefördert werden:

1. Digitale Bildung als zentrale Säule im modernen Schulsystem etablieren

In Deutschland stellt die unzureichende digitale Bildung nach wie vor ein großes Problem dar. Häufig fehlt es SchülerInnen bereits an notwendigen technischen Geräten und Hilfsmitteln. Auch wenn der Lehrplan vermehrt digitale Kompetenzen vorsieht, sind viele Lehrkräfte nicht ausreichend qualifiziert, um diese zu vermitteln. Diese Umstände führen zu einem hohen Anteil an zukünftigen ArbeitnehmerInnen mit unzureichenden digitalen Fähigkeiten – gerade mit Blick auf den sich weiter verschärfenden Fachkräftemangel ein nicht zu unterschätzendes Alarmsignal. Es wird deutlich, dass die Problematik der digitalen Bildung ein sich selbst verstärkender Teufelskreis ist. Beim Thema digitaler Bildung kann sich Deutschland folgendes vom PISA-Star Finnland abschauen:

  • Kinder sollten frühzeitig an Tech-Inhalte und -Tools in der Schule herangeführt werden. 
  • Schulen sollten zudem mit moderner Hardware ausgestattet sein. 
  • Lehrpläne müssen die Vermittlung digitaler Kompetenzen (wie z.B. Programmieren) als festen Bestandteil berücksichtigen, um den steigenden Bedarf an Fachkräften im Tech-Segment zu decken.

Und was machen Schweden und Norwegen? In diesen Ländern wird die digitale Ausbildung nicht auf das Bildungssystem abgewälzt. Dort gehen Privatwirtschaft und Staat bei Bildungsthemen Hand in Hand. Es gibt zahlreiche erfolgreiche privatwirtschaftliche Initiativen, die Kindern Lust auf Themen wie Informatik machen. Skandinavische Unternehmen investieren somit von Sekunde eins in qualifizierte ArbeitnehmerInnen der Zukunft.

2. Keine Transformation ohne Zusammenarbeit von Staat und Privatwirtschaft 

1998 führte Schweden eine große „Heimcomputer-Reform“ ein, die es ArbeitnehmerInnen ermöglichte, Computer für zu Hause zu leihen und dafür Steuerzuschüsse zu erhalten. Mehr als eine Million SchwedInnen nahmen dieses Angebot in Anspruch und beschleunigten die Digitalisierung Schwedens so erheblich. Zudem investiert der schwedische Staat erhebliche Summen in Forschung und Entwicklung: Allein 2019 waren es 3,3 % des BIP. Diese massiven Investitionen zahlten sich langfristig aus und nicht nur die Innovationskraft des Landes profitiert davon. Auch das Vertrauen der schwedischen Bevölkerung in Technologie ist im Vergleich zu vielen anderen Ländern sehr hoch. Was sind die Learnings für Deutschland?

  • Staat und Privatwirtschaft müssen Hand in Hand agieren und Anreizsysteme für digitale Investitionen und private digitale Bildung schaffen
  • Statt digitaler Flickschusterei: Unternehmensprozesse müssen von Anfang an ganzheitlich digitalisiert und Mitarbeitende geschult werden um so dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und langfristig international wettbewerbsfähig zu bleiben

3. Weg von den Wissensinseln, hin zu mehr Kooperationen

Der schwedische Leitslogan „Gemeinsam sind wir innovativ“ betont die Wichtigkeit von Zusammenarbeit und Austausch für Innovationen. Statt im zermürbenden Konkurrenzkampf zu verharren, haben Unternehmen in Schweden eine konstruktive Kultur der Zusammenarbeit entwickelt. In Inkubatoren und Science Parks arbeiten große Konzerne wie Ericsson und Volvo gemeinsam mit Startups und Kleinunternehmen an Themen wie Künstliche Intelligenz (KI). Dabei werden Erfahrungen ausgetauscht und gemeinsam experimentiert, um innovative Lösungen zu finden. Ein Beispiel für die Offenheit Schwedens gegenüber Kooperationen und Wissensaustausch ist der Autohersteller Volvo, der die Patente für die Drei- und Fünfpunktgurts freigegeben hat, damit andere Hersteller – aber vorrangig die allgemeine Sicherheit einer Vielzahl von Menschen – davon profitieren können.

EXTRA: Warum im Mittelstand Digitalisierungsprojekte immer wieder scheitern

Fazit

Deutschland kann viel vom skandinavischen Erfolgsmodell lernen, aber um erfolgreich zu sein, muss eine grundlegende systemische Reform stattfinden. Hierbei müssen Staat und Privatwirtschaft zusammenarbeiten, um das Problem an der Wurzel zu packen. Eine zentrale Komponente dabei ist die Digitalisierung im Bildungsbereich, um Bildungslücken zu schließen und zukünftige ArbeitnehmerInnen auf das digitale Zeitalter vorzubereiten.

Helene Podsadni Nilsson

Hélène Podsadni Nilsson ist Head of Northern Europe bei Pleo. Mit mehr als 15 Jahren Erfahrung in der Payment- und SaaS-Branche verfügt Hélène über umfassende Erfahrungen in den Bereichen internationale Geschäftsexpansion, digitale Transformation und regionales Management – insbesondere in den skandinavischen Ländern. Jens Leucke ist Head of DACH bei Pleo. Der studierte IT-Ingenieur verfügt über mehr als ein Jahrzehnt an Führungserfahrung in der Tech-Branche; so war er unter anderem als Director Sales Midmarket bei Dell und als General Manager & Head of Sales DACH bei Freshworks aktiv.

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