Im März 2020 wurden wir alle unsanft aus unserer Komfortzone hinausbefördert – und das völlig unvorbereitet. Der Rausschmeißer: Corona. Durch die Pandemie-Maßnahmen sind besonders Selbständige und Kleinunternehmer in ihrer finanziellen Existenz bedroht. Neben der Angst, krank zu werden oder ungewollt ein Familienmitglied anzustecken, steht eine noch viel größere: die Angst vor dem wirtschaftlichen Ruin.
Wir leben in einer Kultur, die uns zu Komfortzonen-Bewohnern erzieht.
Wir werden früh auf Sicherheit konditioniert – eine sichere Ausbildung, ein sicherer Arbeitsplatz, ein fester Wohnsitz und am besten alles noch gut versichert. Angst gilt in unserer Kultur als negativ und schwach. Nur Feiglinge haben Angst! Wir wollen keine Angst fühlen – Angst ist uns zuwider. Statt zu lernen, bewusst und verantwortlich mit Angst umzugehen, verbannen wir sie ins Unbewusste. Und dort haben wir keinen Zugriff mehr auf die Angst. Stattdessen hat die Angst uns im Griff. Jede plötzliche Veränderung – insbesondere, wenn sie von außen kommt – wird so zum unüberwindbaren Problem.
Reale und fiktive Ängste unterscheiden
Durch die Unbewusstheit können wir nicht mehr unterscheiden, ob die Ursache der Angst real ist oder imaginär. Angst ist unser natürlicher Begleiter, wenn wir etwas Neues ausprobieren oder Gefahr droht. Aber nicht immer ist die Gefahr, die diese Angst auslöst, akut oder real. Ein mächtiger Erzeuger von imaginärer Angst ist unser eigener Verstand. Wir können mit ihm in die Zukunft reisen und dabei Probleme erdenken, die noch überhaupt nicht in Sicht sind. An sich eine nützliche Fähigkeit – aber nur dann, wenn wir bewusst mit der Angst umgehen können, die wir dadurch selbst erzeugen.
Jedes Mal, wenn mein Ex-Mann seine vierteljährliche Finanz-Planung machte, kam er völlig panisch aus seinem Büro und meinte: „Schatz, wir müssen das Haus verkaufen!“ Mittlerweile sind wir geschieden und ich wohne immer noch in dem Haus. Seine Angst war selbst gemacht und konnte sich unkontrolliert bis zur Panik steigern.
Warum blinder Aktionismus genauso wenig hilft wie positives Denken
Egal ob real oder fiktiv, solange wir nicht bewusst mit der Angst umgehen können, übernimmt in solchen Fällen unser automatisches Überlebens-Programm.
Dieser von der Evolution eigentlich für Extremsituationen gedachte Mechanismus, um uns in akuter Lebensgefahr zu beschützen, bietet leider nur 3 Handlungsoptionen:
- Kämpfen
- Flüchten
- Sich totstellen
Sehr nützlich, wenn ein wütender Bär auf uns zukommt, aber nicht, wenn es lediglich um die Erweiterung der eigenen Komfortzone geht. Auch sehr beliebt, aber ebenfalls nicht zielführend sind die typischen Angstvermeidungs-Strategien:
- Blinder Aktionismus: Hauptsache irgendetwas tun, das gibt mir das Gefühl, es im Griff zu haben
- Übermäßige Kontrolle und Vorsicht: Wenn ich mich mit niemandem mehr treffe, dann werde ich auch nicht krank.
- Augen zu und durch und hoffen, dass irgendwann alles wieder beim Alten ist: wenn die Impfung kommt, wird alles wieder gut. So lange muss ich einfach durchhalten.
- Sich als Opfer der Umstände sehen und die eigene Kraft mit Groll oder Jammern vergeuden: Schuld an allem ist die Regierung! Die treiben uns in den Ruin! Ich kann nichts dagegen tun.
Reale Angst lässt sich als Ressource nutzen
Was also tun, um aus der unbewussten Angstspirale und Angstvermeidung auszusteigen? Zunächst ist eines wichtig:
Nicht die Angst ist das Problem, sondern der hartnäckige Versuch, Angst um jeden Preis zu vermeiden.
Angst ist neben Wut, Traurigkeit und Freude eines unserer vier Grundgefühle. Und diese haben die Aufgabe, uns als Ressource zu dienen. Der Nutzen von echter Angst ist, dass sie uns in ungewohnten Situationen (wie in Zeiten von Corona), in denen wir auf wenig Wissen und Erfahrung zurückgreifen können, wach, aufmerksam und präsent sein lässt. Sie setzt Kreativität und Innovation frei und lässt uns ganz neue Möglichkeiten erfinden. Angst lässt uns mutig sein, wenn wir uns ihr stellen und sie bewusst nutzen.
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Selbständige und Unternehmer sind eigentlich gewohnt, mit finanzieller Existenzangst umzugehen – zumindest nach ein paar Jahren erfolgreicher Tätigkeit. Denn sobald wir die Erfahrung machen, dass wir jedes Jahr genügend Aufträge an Land ziehen konnten, schrumpft die anfängliche Angst – unsere Komfortzone hat sich erweitert. Normalität kehrt ein – wir haben herausgefunden, wie es funktioniert. Und die Angst, die wir gefühlt und überwunden haben, ist schnell wieder vergessen.
Trotz Corona: Den Kopf frei bekommen, mutig voranschreiten
Im Umgang mit der Corona Angst liegt ein erster Schritt darin, fiktive Angst von echter Angst zu unterscheiden. Statt in blinden Aktionismus zu verfallen, halte inne, zentriere dich und hinterfrage die Angst:
- „Ich fühle Angst, weil …?“
- „Was befürchte ich wirklich?“
- „Bin ich hier und jetzt tatsächlich in Gefahr oder bezieht sich die Angst auf etwas, was in der Zukunft eventuell passieren könnte?“
So lässt sich imaginäre Angst, ausgelöst durch Medienberichte oder das eigene Kopfkino, von authentischer Angst trennen. Im Falle einer imaginären Angst mach dir bewusst, dass es in diesem Moment keinen Grund zur Panik gibt. Atme tief und regle die Angst damit herunter, bis sie auf einem der Situation angemessenem Niveau ist. Rufe dir in Erinnerung, dass du eine ähnliche Herausforderung bereits erfolgreich gemeistert hast – nämlich als du dich selbständig gemacht hast. Auch da musstest du Neuland betreten und hattest Angst, ob es funktionieren wird.
Die Portion Angst, die jetzt noch übrig ist, kannst du nutzen, um Ideen zu entwickeln, wie du anders als gewohnt mit der aktuellen Situation umgehen könntest.
- Welche alternativen Produkte oder Dienstleistungen könntest du anbieten?
- Mit wem könntest du dich zusammenschließen?
- Wen könntest du um Unterstützung bitten?
- Welche langjährigen Ideen lassen sich jetzt vielleicht sogar leichter umsetzen, als in den Zeiten, in denen du ausgebucht warst?
Beispiele, wie Selbständige und Unternehmen die Angst in Kreativität umwandeln, können wir täglich in den Medien beobachten: egal ob Homeoffice, Balkonkonzerte, Food-Trucks, Online-Unterricht, Online-Weinverkostung, Hotelzimmer für Quarantäne oder als Büro-Ersatz – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Bist du bereit, deine Angst bewusst zu nutzen, um mutig Neuland zu betreten? Auch in Zeiten von Corona?
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