Vielleicht hat sich der geschätzte Leser gewundert, weshalb im bislang dargestellten Strategiekomplex der klassische „Kompromiss“ fehlt – das wollen wir nun nachholen. Von der Häufigkeit ausgehend, dürften sich ohnehin die meisten Verhandlungen in dieser Form abspielen. Warum das so ist? „Es gibt eine kulturell tief verwurzelte, implizite Annahme, dass es in einer Verhandlung nur darum gehe, einen Kompromiss zwischen gegensätzlichen Positionen zu finden.“ (Thompson/ Hastie 1990 zitiert nach Bühring-Uhle, Eidenmüller Nelle „Verhandlungsmanagement S. 6.)
Der Kompromiss – meist unvermeidlich
Auch wenn es mich etwas schüttelt – ich komme nicht daran vorbei, den „Kompromiss“ als eine eigene Kategorie zu akzeptieren. Sie werden ihm begegnen oder sich selbst aus freien Stücken dafür entscheiden. Dabei haben Sie eine (meist preislich) feste Vorstellung, beginnen möglichst hoch und lassen sich stückweise Scheiben absäbeln in der Hoffnung, zwischenzeitlich beim Gegenüber etwas größere Stücke zu erbeuten – schließlich haben Sie ja die besseren Argumente oder besitzen größere Verhandlungsmacht. Sie versuchen dabei, ihre Begründungen („Das Stück ist ja schon alt, abgenutzt, überall zu haben, usw.“) in Entgegenkommen zu verwandeln. Die zwangsläufige Negativdarstellung mindestens einer Seite (i.d.R. der Käuferseite) kann prinzipiell von der Verkäuferseite kaum durchbrochen werden; am schlimmsten ist es, wenn jede Seite an der Position des Gegenüber kein gutes Haar lässt. Verbale Überrumpelungstricks, irrationale Wertzuweisungen und grandiose Abwertungen können Ihnen in diesem Spielfeld begegnen. Im bekannten Schaubild findet sich der Kompromiss lediglich als Punkt wieder.
Der Kompromiss will ja ein Ergebnis, aber er will sich eigentlich auf nichts richtig einlassen; das Beziehungsniveau ist ihm egal, die Ergebnisqualität soll gesichtswahrend sein und um Himmels Willen kein Engagement in Richtung Kooperation. R. Saner bezeichnet den Kompromiss treffend als „… eine Mischung aus Feigheit und Geiz…. “ (Saner, „Verhandlungstechnik“, S. 115)
Vor- und Nachteile von Kompromissen
Lassen Sie uns das Für und Wider einmal abwägen und mit den Nachteilen beginnen. Wer die Kompromissstrategie wählt:
- hat sich dafür entschieden, auf einer Position zu stehen (…nicht unter 5.000,– Euro) und vernachlässigt die Möglichkeit, das ein kooperativer Vorschlag des Partners seine Interessen sogar weitgehender abdecken könnte.
- riskiert deshalb, dass sein Verhandlungsergebnis weder vom zeitlichen Aufwand noch vom Ergebnis her optimal ist.
- verzichtet auf die Chance, über eine offene und kooperative Handlungsweise seine Beziehung zum Partner zu vertiefen.
- riskiert, über die unnötige aber bewusste Begrenzung des „Verhandlungskuchens“ zu gar keinem Ergebnis zu kommen.
- verzichtet auf eine befriedigende WIN-WIN-Lösung.
- riskiert Opfer von schöngefärbten Behauptungen und schlimmstenfalls manipuliert zu werden.
- ist oft gezwungen, sich zu verstellen und damit jedenfalls nicht glaubwürdiger zu erscheinen. Beispiel Autokauf: Da werden Nichtigkeiten (Die kleine Schramme stört Sie eigentlich gar nicht…) zu Mängeln aufgeblasen und Sie müssen Ihre wahren Motive fast schützen, damit Sie sich nicht versehentlich offenbaren.
Es gibt natürlich auch positive Gesichtspunkte. Aber nicht viele. Kompromissverhandlungen
- können schnell gehen, weil die Methode „Feilschen“ bekannt ist.
- erzielen bei schmal geschnittenen Handlungsbandbreiten (oft im politischen bzw. diplomatischen Kontext) wenigstens ein herzeigbares Ergebnis, wenn es keine Nichteinigungsalternative gibt.
- benötigen wenig Vorbereitung, da es zumeist nur um wertbestimmende oder abwertungsinduzierte Argumente geht.
- erleichtern „schwachen“ Verhandlern die interne Darstellung („Ich hier, aber er hat da und dort Federn gelassen“)
Betrachten wir nun den Fall, bei dem eine klassische Strategie auf einen Kompromisssucher trifft. Im Falle der „Vermeidungsstrategie“ findet der Kompromisssucher ohnehin keinen Partner. Starten Sie im Feld „Anpassen/Nachgeben“ können Sie sich problemlos an der Kompromisssuche beteiligen. Im „Wettbewerbsmodus“ startend, können Sie dem Kompromisskandidat mal zeigen, wo es langgeht und die Sache voll ausreizen. Starten Sie jedoch mit Kooperationsabsichten, wird es Zeit, einen Gang herunter zu schalten oder schlimmstenfalls abzubrechen.
Wenn es schon nicht anders geht oder gehen soll, können Sie den Prozess der Kompromissfindung mit Ihrer Konzessionsmethode zu steuern versuchen. Dabei beschreibt die Konzessionsmethode die Art der Minderung im Zeitverlauf. Ein (übliches) Konzessionsmuster ist es, zunächst größere Nachlässe zu nennen, die zum Ende hin immer kleiner werden und der Gegenseite damit das Ende der Fahnenstange signalisieren. Ökonomisch vorteilhafter könnte es sein, zunächst immer gleiche Anteile zu geben und sich damit den Ausgang in Richtung „Ende der Verhandlung“ offen zu halten, um dann wieder mit kleiner werdenden Teilen das Ende einzuläuten.
Weitere Artikel dieser Serie:
Verhandlungstechnik (Teil I): Ordnen Sie Ihre inneren Stimmen!
Verhandlungstechnik (Teil II): Ihr Selbstbewusstsein als Erfolgsfaktor!
Verhandlungstechnik (Teil III): Stärken Sie Ihre Verhandlungsmacht!
Verhandlungstechnik (Teil IV): Nutzen Sie Ihre Verhaltensautomatismen!
Verhandlungstechnik (Teil V): Innere Barrieren abbauen!
Verhandlungstechnik (Teil VI): Gliedern Sie erfolgsorientiert!
Verhandlungstechnik (Teil VII): Ihre Vorbereitung ist das A und O!
Verhandlungstechnik (Teil VIII): Nutzen Sie die SWOT-Analyse!
Verhandlungstechnik (Teil IX): So sind Sie optimal vorbereitet!
Verhandlungstechnik (Teil X): So treten Sie gewinnend auf!
Verhandlungstechnik (Teil XI): Ihre Agenda ist der Weg!
Verhandlungstechnik (Teil XII): Strategie – aber bitte die richtige!
Verhandlungstechnik (Teil XIII): Welche Strategie ist die richtige für Sie?
Verhandlungstechnik (Teil XV): So gelingt Ihr Verhandlungsstart!
(Bild: © imageteam – Fotolia.de)
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