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„Ich stelle mir Menschen wie einen Motor vor“, sagte ein von mir gecoachter COO in der Automobilindustrie, als ich ihn nach seinem Führungsansatz fragte. Seine Überlegung – wenn man die richtigen Teile hat und weiß, wie man sie zusammenbauen muss, dann wird dieser Motor gut funktionieren. Wieso Erfolgszahlen nicht immer das ganze Bild des Führungsstils präsentieren, entschlüsseln wir im Folgenden.

Warum scheitern Führungskräfte?

Wenn wir bei der Motor-Analogie bleiben, dann lässt sich sagen, dass dieser dem COO in der Frühphase des Unternehmens zum Erfolg verhalf. Seine Organisation, sein Ehrgeiz, das Einstellen von sachkundigem Personal und der Zugang zu Startkapital hatten geholfen, die Produktion zum Laufen zu bringen. Bald galt er sogar als potenzieller Nachfolger des CEO.

Doch dann traten Qualitätsprobleme, Fluktuation, MitarbeiterInnenunzufriedenheit und Lustlosigkeit auf. Seine Erklärung: Die MitarbeiterInnen seien faul und engagieren sich nicht für das Unternehmen. Je mehr man allerdings hinter die Kulissen blickte, desto deutlicher zeigte sich die Schwäche seiner Motor-Analogie. Sein Führungsansatz übersah den Menschen. Er war nicht imstande, ein leistungsstarkes Team aufrechtzuerhalten, nicht-technische Probleme zu beheben, oder der Belegschaft eine gemeinsame Vision über die Richtung des Unternehmens zu vermitteln.

Seine MitarbeiterInnen beschrieben ihn als narzisstischen, mechanistischen Kontrollfreak, der nicht bereit war, anderen zuzuhören.

Dass dies kein Einzelfall ist zeigen mehrere Studien – etwa die Hälfte aller Führungskräfte scheitern. Die Gründe: Distanziertheit, Ichbezogenheit oder ein perfektionistischer/mechanistischer Ansatz. Was aber ist mit der anderen Hälfte – mit denen, die Erfolg haben? Was machen sie richtig?

Wozu ist Führung gut?

Aus evolutionärer Sicht dient sie den Bedürfnissen der Gruppe. Menschen haben schon immer in Gruppen gelebt, und effektive Gruppen haben Bedrohungen und Hindernisse stets dadurch überwunden, indem sie Wege gefunden haben, sich auf gemeinsame Ziele wie das Überleben zu konzentrieren. Sie legen eigennützige Bedürfnisse beiseite, um sich gemeinsamen Zielen zu widmen, und bringen dabei zwei konkurrierende, universelle menschliche Bedürfnisse ins Gleichgewicht: miteinander klar zukommen und selbst voranzukommen.

Führung ist dazu da, der Gruppe zu helfen, diese konkurrierenden Bedürfnisse im Gleichgewicht zu halten. Führungskräfte sorgen für Struktur, Organisation und eine Vision, und sie fördern die nötige Zusammenarbeit, damit die Gruppe wirksam als Einheit funktioniert. Effektive Führungskräfte beurteilen ihren Erfolg nicht danach, was sie mit ihrem Team erreichen können, sondern was ihr Team gemeinsam erreichen kann.

Die anderen 50 Prozent

Was macht Führungskräfte effektiv? Um der Frage auf den Grund zu gehen, helfen Forschungen zum Thema Führung, zu den Bedürfnissen der Geführten und zur Bescheidenheit. Erste Anhaltspunkte liefert die Frage – was erwarten MitarbeiterInnen von Führungskräften? Hier lassen sich vier Aspekte zusammenfassen:  

  1. MitarbeiterInnen erwarten Integrität und Ehrlichkeit. Führungskräfte müssen ehrlich sein und fair handeln, selbst wenn das ihrem Eigeninteresse zuwiderläuft.
  2. Die Geführten erwarten, dass die Führungskraft eine Vision verfolgt und sich dafür engagiert. Es wird von Führungskräften erwartet, dass sie aufzeigen können was die Gruppe durch ihre Zusammenarbeit erreichen kann und sie müssen glaubwürdig erklären können, warum die Vision gut für alle ist.
  3. Führungskräfte müssen inspirierend sein, wenn auch nicht im charismatischen Sinne. Sie müssen Engagement für den Erfolg der Gruppe zeigen und sich dafür einsetzen, der Gruppe bei ihrer Arbeit zu helfen.
  4. Führungskräfte müssen kompetent sein. Sie müssen zeigen, dass sie mit der Arbeit und den zu bewältigenden Problemen vertraut sind, und sie müssen auf Ergebnisse fokussiert sein, die der Gruppe zum Erfolg verhelfen.

Um weiterhin effektives Führungsverhalten zu entschlüsseln, muss das Verhalten von bescheidenen Führungskräften betrachtet werden.

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Bescheidene Führungskräfte

  • lassen den TeammitgliederInnen Anerkennung zukommen und ermöglichen allen, am Erfolg des Teams teilzuhaben und bauen dabei Vertrauen auf.
  • sind sich ihrer eigenen Schwächen bewusst und bereit, zuzugeben, dass sie etwas nicht wissen. Wenn sie ihre MitarbeiterInnen auffordern zu helfen und ihre Kenntnisse einzubringen, sind diese eher bereit zu helfen, da MitarbeiterInnen bescheidene Führungskräften eher vertrauen.
  • sind offener gegenüber Coaching, anpassungsfähiger und eher bereit, Feedback zur Verbesserung ihrer Leistung zu nutzen. Sie geben Fehler zu, bemühen sich um Ratschläge zur Fehlervermeidung und setzen erhaltene Ratschläge in die Praxis um.

Fazit: effektive Führung nicht vernachlässigen

Ergebnisorientiertheit, Branchenkompetenz und Engagement, um neue Projekte schnell voranzutreiben sind Eigenschaften, die zu einem kurzfristigen Erfolg beitragen mögen. Um jedoch langfristig als Führungskraft erfolgreich sein zu können sollte man die Aspekte effektiver Führung nicht vernachlässigen. Hierzu zählen: auf die Bedürfnisse und Erwartungen seiner MitarbeiterInnen eingehen, Vertrauen aufbauen, sich für sein Team als Ressource zur Verfügung stellen und schließlich jenes Maß an Bescheidenheit zeigen, um von seinen MitarbeiterInnen zu lernen und diese für eine Vision des Teamerfolgs zu gewinnen. Verkürzt gesagt: Es geht bei effektiver Führung nicht um einen selbst, sondern um das Team.

Scott Gregory

Als CEO von Hogan Assessments, einem der weltweit führenden Anbieter von forschungsbasierter Persönlichkeitsdiagnostik und Führungsberatung, bringt Scott Gregory jahrelange Erfahrung in der Auswahl und Entwicklung von Führungskräften mit, die er auch in seinen eigenen Führungsstil bei Hogan einführt. Hogan's Assessmentlösungen stehen in 57 Ländern und 46 Sprachen zur Verfügung.

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