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Frauen, die sich gegenseitig helfen und für einander eintreten, spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung der Gleichstellung der Geschlechter. Dennoch werden mächtige Frauen häufig mit geschlechtsspezifischen Erwartungen konfrontiert.

Es ist eine Sache, zu glauben, dass Frauen sich gegenseitig unterstützen sollten. Die Definitionen dessen, was unterstützendes Verhalten ausmacht, können jedoch variieren. In einigen Fällen ist diese Definition gar nicht so weit von der entschieden sexistischen Überzeugung entfernt, dass Frauen als bodenlose Brunnen des Altruismus und der Freundlichkeit fungieren sollten. Frauen sollten ihre männlichen und weiblichen Kollegen durch Lob, Hilfe und Rat gleichermaßen unterstützen, ohne jemals ein Wort der Kritik zu äußern.

Eine englischsprachige Studie vom Institute of Labor Economics (pdf) zeigt, dass solche Denkweisen Frauen in Machtpositionen in eine schwierige Lage bringen. Die Untersuchungen wurden von Martin Abel, einem Assistenzprofessor für Wirtschaftswissenschaften am Middlebury College, veröffentlicht.

Alle Manager müssen in der Lage sein, manchmal hartes Feedback zu geben. Abels Untersuchung zeigt jedoch, dass sowohl Männer als auch Frauen weibliche Chefs diskriminieren, wenn sie Kritik austeilen – selbst wenn das Feedback identisch mit dem von männlichen Managern formuliert ist.

Kein Lob? Nein danke

Für die Studie befragte Abel 2.700 Personen bei Mechanical Turk, Amazons Online-Gig-Plattform. Die Befragten sollten Transkriptionen für eine Scheinfirma machen. Hierbei teilte Abel allen MitarbeiterInnen nach dem Zufallsprinzip einen (falschen) Manager mit einem männlichen oder weiblichen Namen zu. Die Namen, die ausgewählt wurden, lauteten:

  • Brittany
  • Chloe
  • Christine
  • Ebony
  • Emily
  • Jennifer
  • Lynn
  • Shanice

für Frauen und:

  • Darius
  • Doug
  • Ethan
  • Josh
  • Justin
  • Michael
  • Tyrone

für Männer.

Außerdem sollten die Namen mögliche Assoziationen mit Alter, Ethnie und Bildungsniveau ausgleichen.

Während der Aufgabe erhielten 60 Prozent der ArbeitnehmerInnen entweder positive oder negative Rückmeldungen von einem männlichen oder weiblichen Manager. Die Art des Feedbacks erfolgte anhand der Qualität der Arbeit. Der Standardtext lautete:

„Hallo, dies ist NAME. Wie in der Aufgabeneinleitung erwähnt, überwache ich Ihre Leistung bei der Transkription der Quittungen. Ich bin gerade einige der Quittungen durchgegangen. Ihre Leistung war über/unterdurchschnittlich. Ich war erfreut / enttäuscht über Ihren Einsatz und Ihre Detailgenauigkeit. Denken Sie in Zukunft daran, dass Ihr anhaltendes Engagement die Qualität unserer Dienstleistungen verbessern wird / mangelndes Engagement die Qualität unserer Dienstleistungen beeinträchtigen wird. NAME“

Nach dem Ausfüllen der Transkriptionen beantworteten die ArbeitnehmerInnen eine Umfrage mit Fragen zu ihrer Arbeitszufriedenheit und ihrem Interesse in Zukunft für die Firma zu arbeiten.

Die Ergebnisse? Sowohl Männer als auch Frauen waren viel negativer von Kritik betroffen, wenn sie von einer weiblichen Führungskraft kam. „Tatsächlich“, stellt Abel fest, „verdoppelt die Kritik von weiblichen Managern den Anteil der ArbeitnehmerInnen, die nicht daran interessiert sind, in Zukunft für die Firma zu arbeiten. Es führt zu einem 70 Prozent größeren Rückgang der Arbeitszufriedenheit als die Kritik von männlichen Managern“.

„Kritik von weiblichen Managern führt zu einem 70 Prozent größeren Rückgang der Arbeitszufriedenheit als Kritik von männlichen Managern.“

Bemerkenswert ist, dass sich die Kritik einer weiblichen Führungskraft nicht auf den Arbeitseinsatz der MitarbeiterInnen auswirkte, was laut Abel mit der Art der MTurk-Plattform zu tun haben könnte. „Ähnlich wie die Uber-Fahrer werden Menschen für negative Bewertungen (d.h. für die Ablehnung ihrer Aufgabe) schwer bestraft“, erklärt Abel in einer E-Mail. „Wenn sie kritisiert werden, wissen sie, dass sie diesem Risiko ausgesetzt sind. Folglich ist es unwahrscheinlich, dass sie ihren Aufwand verringern.“

Aber im Allgemeinen, so merkt er an, zeigen Untersuchungen eine starke Beziehung zwischen Arbeitszufriedenheit und Produktivität. Die Tatsache, dass die Arbeitseinstellung der MitarbeiterInnen nach der Kritik einer Frau getrübt ist, würde sich wahrscheinlich in einem anderen Zusammenhang auf ihre Leistung auswirken.

Darüber hinaus sagt Abel, dass ArbeitnehmerInnen nach der Kritik einer weiblichen Chefin weniger wahrscheinlich wieder für das Unternehmen arbeiten würden. Dies kann „als eine Form der Produktivitätsminderung angesehen werden kann, da die Bindung an das Unternehmen in vielen Branchen ein Schlüsselziel ist“.

Was weiß sie überhaupt?

Die Studie fand einen Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Reaktionen von ArbeitnehmerInnen auf männliche und weibliche Manager und ihren geschlechtsspezifischen Erwartungen an Chefs. Abel erklärt in dem Paper, dass die befragten Arbeitnehmer „etwa dreimal häufiger Lob und angemessenen Umgangston mit weiblichen Managern assoziieren“. Im Gegensatz dazu ist die Wahrscheinlichkeit, Kritik und strenge Erwartungen an männliche Manager zu äußern, bei ihnen etwa doppelt so hoch.

Auf psychologischer Ebene kann Kritik selbst dann brennen, wenn man sie erwartet. Aber es ist weitaus ärgerlicher, wenn die Kritik von unerwarteter Seite zu kommen scheint. Frauen sind gesellschaftlichem Druck ausgesetzt sensibel und anspruchslos zu wirken. Folglich kann das eine oder andere strenge Wort einer weiblichen Chefin eine unverhältnismäßig große Reaktion hervorrufen.

Während sich sowohl Männer als auch Frauen gegen die Kritik weiblicher Chefs sträubten, gab es auch einen wesentlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern der ArbeitnehmerInnen: Männer neigten dazu, die Stichhaltigkeit der Kritik von Frauen abzulehnen und ihr Feedback als weniger zutreffend zu beurteilen. „Im Gegensatz dazu variiert die Wahrnehmung des Feedbacks von Arbeitnehmerinnen nicht je nach Geschlecht des Managers“, findet Abel.

Die Diskrepanz deutet darauf hin, dass neben den geschlechtsspezifischen Erwartungen auch andere Faktoren eine Rolle spielen könnten, welche die Reaktionen von Frauen auf weibliche Chefs beeinflussen. Die Studie war nicht schlüssig, um welche Faktoren es sich dabei handeln könnte. Sie schloss jedoch eine implizite Voreingenommenheit aus, da es keine Korrelation zwischen ArbeitnehmerInnen, die stärkere Vorurteile hinsichtlich der Rolle von Männern und Frauen hatten und ihren Reaktionen auf die Kritik einer weiblichen Führungskraft gab.

Abel schließt auch die als „Aufmerksamkeitsdiskriminierung“ bekannte Hypothese aus, nach der das negative Feedback von Frauen einfach übersehen wird; die Arbeitnehmer verbrachten tatsächlich mehr Zeit damit, Kritik von Frauen zu verarbeiten.

ArbeitnehmerInnen, welche zwischen 20 und 30 Jahren alt waren, reagierten unterschiedlich.

Abel einräumt, dass seine Ergebnisse möglicherweise die Erfahrungen von ArbeitnehmerInnen in der Gig-Wirtschaft genauer widerspiegeln, da die Studie über Mechanical Turk durchgeführt wurde. Unternehmen in der Gig-Wirtschaft haben eher kurzfristige, entfernte Beziehungen, im Gegensatz zu der Dynamik in einer traditionellen Büroumgebung.

Dennoch stellt Abel fest, dass die Gig-Wirtschaft rasch expandiert. Eine von McKinsey durchgeführte Studie deutet darauf hin, dass sich 20 bis 30 Prozent der AmerikanerInnen und EuropäerInnen im erwerbsfähigen Alter auf irgendeine Weise an ihr beteiligen, sei es aus freien Stücken oder aus Notwendigkeit. Wie Gig-ArbeitnehmerInnen auf die Frauen reagieren, die sie beaufsichtigen sollen, ist für die Zukunft der Arbeit im weiteren Sinne von großer Bedeutung.

Für diejenigen, die sich angesichts der Herausforderungen entmutigt fühlen, zeigt die Studie einen Lichtblick auf: Jüngere ArbeitnehmerInnen reagieren seltener unterschiedlich auf Kritik von weiblichen Chefs. Bei ArbeitnehmerInnen in den 20er Jahren sind die Unterschiede in der Reaktion je nach Geschlecht des Chefs völlig verschwunden.

Abel warnt davor, dass „junge ArbeitnehmerInnen mit zunehmendem Alter Haltungen einnehmen können, die zu geschlechtsspezifischer Diskriminierung führen“. Aber er sagt, es sei auch möglich, dass Millennials und Mitglieder der Gen Z tatsächlich für die Kritik von Frauen empfänglich bleiben könnten.

Das käme letztlich sowohl den Frauen an der Macht zugute (die vermutlich besser in der Lage wären, Veränderungen am Arbeitsplatz vorzunehmen) als auch den ArbeitnehmerInnen selbst, die von konstruktiver Kritik profitieren und daran wachsen könnten. Ein Arbeitsplatz, an dem es Frauen nicht erlaubt ist, andere Menschen herauszufordern, bietet noch viel Verbesserungspotenzial.

Dieser Artikel wurde auf Englisch von Sarah Todd verfasst und am 07. Oktober 2019 auf www.qz.com veröffentlicht. Wir haben ihn für euch übersetzt, damit wir uns mit unseren Lesern zu relevanten Themen austauschen können.

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