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Frage: Was für ein Management brauchen wir?

Angenommen der Investor hat seine Übernahmeziele definiert. Er weiß zudem, welche Struktur und Kultur das akquirierte Unternehmen hierfür nach der Übernahme braucht. Dann kann er im nächsten Schritt definieren:
Wie sollte das Management des übernommenen Unternehmens künftig strukturiert sein? Und:
Welches Profil müssen die Personen haben, die dort die Top-Positionen innehaben?
Dies ist wiederum die Voraussetzung, um zu prüfen, welche der bisherigen Top-Executives weiterhin auf der Payroll des Unternehmens stehen sollen und welche nicht.

Dies zu ermitteln, ist im Vorfeld von Übernahmen meist nur bedingt möglich – speziell bei feindlichen. Denn dann haben die Investoren zwar oft schon Zugriff auf die Organigramme, die zeigen, wer welche Position im Unternehmen inne hat und wie offiziell die Entscheidungsprozesse ablaufen. Aus diesen Datenblättern geht aber nicht hervor, wie die Entscheidungen real getroffen werden. Aus ihnen ist auch nicht ersichtlich,
wie effektiv die Leiter der Bereiche zusammen arbeiten, wie diese als Person „ticken“ und wie stark diese zum Beispiel im Umsetzen von Entscheidungen sind.

Hierüber können die Investoren im Vorfeld von Übernahmen oft nur über Umwege erste Informationen gewinnen – zum Beispiel durch ein Analysieren und Interpretieren der ihnen zur Verfügung stehenden betriebswirtschaftlichen Daten oder durch das Befragen von externen Partnern wie Kunden und Lieferanten. Diese Informationen genügen aber gerade bei der zweiten und dritten Führungsebene, die nicht so stark im Rampenlicht steht, meist nicht, um zu ermitteln, inwieweit die Stelleninhaber die Anforderungen für die Übernahme einer Top-Position erfüllen.

So früh wie möglich die Prüfung durchführen

Deshalb kann die eigentliche Leadership-Due-Diligence-Prüfung in der Regel erst erfolgen, wenn die Übernahme vollzogen ist. Dann sollte sie aber schnellstmöglich geschehen, damit die Führungskräfte Gewissheit über ihr eigenes Schicksal erhalten und ihren Mitarbeiter den Halt geben können, den diese in Umbruchsituationen brauchen. Also muss die Leadership-Due-Diligence-Prüfung zum Übernahme-Zeitpunkt bereits vorbereitet sein.

Eine Leadership-Due Diligence-Prüfung lässt sich mit einem Management-Audit vergleichen, bei dem mit einer Batterie von Instrumenten versucht wird, einzuschätzen, inwieweit die oberen Führungskräfte einer Organisation über die nötigen Kompetenzen verfügen, um ihren Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele zu leisten. Der einzige Unterschied diesen Audits ist, dass bei einer Leadership-Due-Diligence-Prüfung die zentralen Fragen lauten:
Welche Top-Executives des übernommenen Unternehmens verfügen über die Fähigkeiten und Eigenschaften, die künftig auf der Managementebene des Unternehmens benötigt werden? Und: Kann das bisherige Führungsteam auch unter den geänderten Rahmenbedingungen die gewünschte Wirkung entfalten oder sind personelle und strukturelle Veränderungen nötig?
Das heißt: Bei einer Leadership-Due-Diligence-Prüfung ist das Audit auf die angestrebten Veränderungen und die Ziele des neuen Eigners fokussiert. Dies ist wichtig! Denn bei Übernahmen gilt: Oft sind gerade die Top-Executives, die im akquirierten Unternehmen in der Vergangenheit die „Erfolgsgaranten“ waren, die „Bremser“, wenn es um das Erreichen der neuen Ziele geht. Dies sei an einigen Beispielen illustriert.

Beispiel 1: Angenommen ein Anlagenbauer möchte einen Mitbewerber übernehmen und gegen diese „feindliche Übernahme“ wehren sich insbesondere dessen Vorstandsvorsitzender und Finanzvorstand vehement. Doch dann wird das Unternehmen doch geschluckt, was der Finanzvorstand auch als persönliche Niederlage empfindet. Dann fällt es ihm vermutlich schwer, sich mit den neuen Gegebenheiten zu arrangieren und sich mit den neuen Zielen zu identifizieren. Also stellt sich für die neuen Eigner die Frage: Ist dies für uns der richtige Mann – ungeachtet seiner Kompetenz als Finanzvorstand?

Beispiel 2:
Ein Büromaschinenhersteller wird von seinem bisher härtesten Konkurrenten geschluckt, über dessen Produkte sich der Vertriebsleiter des übernommenen Unternehmens bisher in Mitarbeiter- und Kundengesprächen stets abfällig äußerte – teils aus taktischen Gründen, teils aus Überzeugung. Dann stellt sich für die neuen Eigner die Frage: Kann der bisherige Vertriebsleiter auch künftig diese Funktion bekleiden? Verliert er, wenn er plötzlich die Produkte des ehemaligen Mitbewerbers mitvertreibt und lobt, nicht die Glaubwürdigkeit bei seinen Mitarbeitern und Kunden?

Beispiel 3: Ein Versicherungskonzern erwirbt eine andere Versicherungsgesellschaft und um die gewünschten Synergieeffekte zu erzielen, soll unter anderem die IT des übernommenen Unternehmens der IT-Landschaft des neuen Eigners angepasst werden. Dadurch wird auch der bisherige Leiter IT teilweise „entmachtet“. Er muss sich nun dem Diktat der neuen Herren unterordnen. Daraus erwächst die Frage: Kann er sich auch künftig noch mit seiner Position identifizieren? Erfährt er sein neues Stellenprofil nicht als „Degradierung“?

Auch solche Fragen gilt es bei der Leadership Due Diligence-Prüfung zu beantworten, um letztlich zur Entscheidung zu gelangen: Wer nimmt welche Funktion in der Organisation wahr? Also müssen auch die Fragestellungen im Audit hierauf fokussiert sein.

Zuweilen wird das Ergebnis der Prüfung lauten: „Wir brauchen Herrn Mayer noch in einer Übergangsphase, weil er ein erfahrener Manager und wichtiger Know-how-Träger ist. Doch danach ….“ Dann sollten die neuen Eigner in der Regel mit offenen Karten spielen und mit dem Manager ein Agreement auszuhandeln, das den Interessen aller Beteiligten entspricht.

(Bild: © endostock – Fotolia.com)

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Dr. Georg Kraus

Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, für die fast 50 Trainer, Berater und Coachs arbeiten. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur promovierte an der TH Karlsruhe zum Thema Projektmanagement. Er ist Autor des Change Management Handbuch sowie zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Seit 1994 ist er zudem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence und der technischen Universität Clausthal.

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