Im Zuge einer neuen Serie führt Unternehmer.de Interviews mit Unternehmern und Unternehmerinnen des deutschen Mittelstands. Im Folgenden beantwortet Anja Reefschläger, Inhaberin von mind, maps & more, unsere Fragen. Mind, maps & more bietet Übersetzungs- und Dolmetschleistungen sowie Potenzialcoaching.
Unternehmer.de: Wann und wie reifte in Ihnen der Entschluss, ein eigenes Unternehmen auf die Beine zu stellen?
Anja Reefschläger: Nach dem Uniabschluss Anfang der neunziger Jahre habe ich bereits viele Jahre als Freiberuflerin gearbeitet: als Simultandolmetscherin in Spanisch und Deutsch für Deutsche Welle TV, als Koordinatorin interkultureller Begegnungsprojekte mit Frankreich, Spanien, der Türkei und Lateinamerika sowie als Kommunikationstrainerin. Damals sah ich mich als Freiberuflerin, nicht aber als Unternehmerin. Markant für diesen Berufsabschnitt war die fast grenzenlose Flexibilität mit ständig wechselnden Projekten und Auftraggebern. Sogar als Freiberufler gab es in einigen Institutionen damals Urlaubsgeld.
Danach folgten von 2003-2008 fünf Jahre als Angestellte in einer interkulturellen Austauschorganisation. Dies war meine bewusste Entscheidung angesichts der Einschulung meiner Kinder. Ich erhoffte mir überschaubare, aber flexible Arbeitszeiten, eine sinnvolle und herausfordernde Arbeit und ein regelmäßiges Einkommen – passend zur damaligen Familiensituation.
Letztendlich kam es ganz anders: viel Seminararbeit an den Wochenenden, viel Stress wegen enger Antragsfristen und nicht enden wollende Arbeit – und das alles für wenig Geld und mit jährlich immer wieder auf der Kippe stehenden Arbeitsverträgen. Daher entschied ich mich, beides in einem eigenen Unternehmen zu vereinen: die Agilität und Vielseitigkeit aus der Freiberuflichkeit sowie Erfahrung in Projektentwicklung, Budgetverwaltung und Beratung aus meiner Zeit als angestellte Projektkoordinatorin. Seit April 2009 gibt es nun mind, maps & more. Inzwischen begleite ich junge MigrantInnen in ihrer beruflichen Orientierung, überlege mit LehrerInnen im Rahmen von Fortbildungen, wie sie besser mit Stress umgehen können, berate Gründungswillige, vermittle Kreativitätstechniken und dolmetsche und übersetze nach wie vor mit großer Leidenschaft.
Unternehmer.de: Was waren denn Ihre größten Ängste und Bedenken bei dem Gedanken an Ihre Unternehmensgründung?
Anja Reefschläger: Da ich wusste, was es bedeutete, auf eigene Rechnung zu arbeiten und auf dem Markt zu bestehen, war die Unternehmensgründung für mich eher befreiend und ermutigend. Ich wusste, was ich konnte und wollte und merkte auch ziemlich schnell, das diese Form der Arbeit viel eher meinem freigeistlichen Denken entsprach als der Status einer Angestellten. Unternehmergeist, Ideenreichtum und eine gute Portion Risikofreude waren gefragt, und die gab es bei mir.
Thema Finanzierung
Unternehmer.de: Welche Quellen standen Ihnen bei der Gründung zur Verfügung?
Anja Reefschläger: Ich habe ein Gründungscoaching in Anspruch genommen, das sowohl in Einzelsitzungen als auch Gruppensettings bestand. Noch immer habe ich Kontakt zu meinem Gründungscoach und buche bei Bedarf eine Sitzung oder einen Seminartag, wenn eine Entscheidung ansteht oder ich an einer Stelle allein oder mit meinen KollegInnen nicht weiter komme.
Unternehmer.de: Gab es auch Momente nach der Gründung, in denen existenzielle Unsicherheiten in Ihnen aufkamen?
Anja Reefschläger: Diese gibt es immer wieder: Ebbe und Flut, wie zwei meiner Kolleginnen dies so treffend für uns Unternehmerinnen beschrieben haben. Das ist für mich auch das Spannende an meinem Status, den er unterliegt den ganz natürlichen Stürmen und Windstillen des Berufslebens, mit markanten Meilensteinen, Zeiten des Erfolgs und der inneren Einkehr. Und weil ich so überzeugt bin von meiner Arbeit und der Form, in der ich sie umsetze, lasse ich mich auch nicht davon abbringen, weiter zu gehen, wenn einmal nicht so viel Geld fließt. Es ist spannend genug, genau an diesem Punkt anzusetzen und gegebenenfalls den Kurs anzupassen. Darin besteht ja gerade der Reiz.
Rückblick & Tipps
Unternehmer.de: Und wenn Sie heute zurückblicken: Was waren die größten Fehler, die Sie vor oder während Ihrer Gründung begangen haben?
Anja Reefschläger: Es nicht schon früher gewagt zu haben. Natürlich war auch diese Erfahrung als Angestellte wichtig, doch ich bin dabei eher inneren Mustern gefolgt, die ich unbewusst verinnerlicht hatte und weniger meiner eigenen Überzeugung.
Unternehmer.de: Jetzt zum Positiven! Worauf sind Sie im Rückblick besonders stolz, was waren Ihre größten Erfolge?
Anja Reefschläger: Als Coach Menschen zusammengebracht zu haben, deren Ziele sich derartig gut ergänzen, dass sie einfach zusammen kommen müssen, um gemeinsame berufliche Projekte zu verfolgen. Mit meinen verschiedenen, sich aber so gut ergänzenden Standbeinen nach inzwischen fast 3 Jahren als Unternehmerin gut auf dem Markt zu stehen und auch mal ruhigen Gewissens Urlaub zu machen, wenn dieser ansteht. Meine AuftraggeberInnen wissen auch dies an mir zu schätzen. Am glücklichsten bin ich, wenn ich jedes Jahr im Februar für das Kinder- und Jugendfilmfest der Berlinale mit den kleinen DarstellerInnen auf der Bühne stehe und deren Gespräche mit dem Publikum dolmetsche.
Unternehmer.de: Welche Tipps würden Sie dann Menschen geben, die sich gerade im Moment mit dem Gedanken beschäftigen, ein Unternehmen zu gründen?
Anja Reefschläger: Es braucht einen guten Rückhalt in der Partnerschaft, der Familie oder im Freundeskreis und am besten auch eine Begleitung in Form eines Coaches oder Beraters. Diese/r sollte bestenfalls nicht nur vor der Gründung sein Wissen preisgeben, sondern eben auch prozessbegleitend arbeiten, sprich in den immer wieder auftretenden Phasen der Analyse und ggf. Kursjustierung zu sprechen sein. Das Bild einer Kutschfahrt finde ich sehr passend: ich kann als Gründerin immer wieder einsteigen in die Kutsche, und diese bringt mich an mein neues (Teil-)Ziel.
Wichtig ist außerdem, dass ich mich selbst kenne, auch meine Grenzen und diese benennen kann, damit ich mich auf das Wesentliche meiner Arbeit besser konzentrieren kann und vielleicht andere Dinge für mich erledigen können, für die ich einfach weniger geeignet bin und die mich damit unsagbar viel Energie kosten.
Unternehmer.de: Angenommen Sie stünden jetzt kurz vor der Gründung. Wie würde die aktuelle Wirtschaftslage Ihre Entscheidung beeinflussen?
Anja Reefschläger: Gute Ideen sind immer gefragt. Es ist für mich eher eine Frage der Einstellung und des Typs: bin ich Adler oder Igel, wage ich gern etwas oder setze ich auf Sicherheit. Letztere gibt es in dieser Zeit auch nicht unbedingt im Angestelltenverhältnis. Fragen Sie doch einmal in ihrem Bekanntenkreis, wer sich wirklich wohl fühlt mit seiner Arbeit. Letztendlich ist es immer auch eine Frage der momentanen Lebenssituation: Was passt gerade am besten zu mir?
Charakter & Ziele
Unternehmer.de: Welche Charaktereigenschaften sind ein absolutes Muss, um sich als selbstständiger Unternehmer behaupten zu können?
Anja Reefschläger: Dazu habe ich weiter oben ja schon etwas gesagt. Gerade als Frau höre und sehe ich immer wieder, wie schwer es einigen fällt, an der eigenen Bekanntheit zu arbeiten. Viele Frauen machen eine Fortbildung nach der anderen, um noch besser zu werden, stellen aber ihre Fähigkeiten eher ungern zur Schau. In uns steckt als eine Art kollektives Gedächtnis eine Art von Zurückhaltung bei all diesen Fragen des Zur-Schau-Stellens des Eigenen. Frauen sind exzellente Kolleginnen und Chefinnen. Sie wissen oft ganz intuitiv, aber eben auch fundiert als Expertin, welche Entscheidung zu treffen ist und wie sich die Mitarbeiterin trotzdem wohl fühlen bei der Projektumsetzung. Sachliches und Emotionales stehen in einem guten Verhältnis. Deshalb möchte ich vor allem Frauen dazu ermutigen, ihr eigenes Unternehmen zu gründen und dabei am besten keine Einzelkämpferin zu sein.
Unternehmer.de: Sie sind jetzt Ihr eigener Chef: Käme ein Dasein als Angestellter überhaupt noch in Frage?
Anja Reefschläger: Ach, manchmal denke ich daran, gerade wenn es Zeiten gibt, in denen die Aufträge nicht gerade zahlreich sind. Dann kümmere ich mich um meine Öffentlichkeitsarbeit, treffe mich mit anderen Unternehmerinnen, um uns gegenseitig zu stärken und neue Projekte anzuschieben. Dann merke ich oft, wie wichtig es mir ist, mit Menschen zusammen zu arbeiten, die mir angenehm sind, mit denen ich lernen kann und wachse. Geld und Wohlstand sind ein großes Thema unter uns Freiberuflerinnen, doch das ist nicht nur für unseren Status als Unternehmerinnen charakteristisch. Wie viele Menschen leben heutzutage von 1000 Euro im Monat, egal ob als Angestellte oder als Unternehmerin. Entscheidend ist, ob ich den anderen bewusst in die Augen schauen kann und weiß, dass ich das momentan Bestmögliche tue und dabei im Blick habe, was mein Gegenüber braucht. Es geht um Verbundenheit, viel weniger als um die so oft beschworenen Alleinstellungsmerkmale. Es geht um eine menschliche Gesellschaft. Diese können wir gestalten, egal ob wir angestellt sind oder selbständig wirtschaften.
Unternehmer.de: Was sind Ihre Ziele als Unternehmer?
Anja Reefschläger: Mit meinen Antworten bin ich den Fragen anscheinend oft einen Schritt voraus… Ich muss wissen, warum ich etwas tue, davon überzeugt sein. Für meine Arbeit als Potenzialcoach bedeutet das, Menschen zur Seite zu stehen, die die für sie im Moment richtige Form des Arbeitens suchen, auch die Blockaden aufzuspüren, die sie gerade daran hindern und für die nächsten Jahre ein Setting zu entwerfen und auszuprobieren, was für sie stimmig ist. Wichtig ist, es zu tun. Verändern kann ich meinen Kurs immer noch. Fahrt aufzunehmen ist wichtig.
(Bild: © 74774154 – Fotolia.de)
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