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Der Versuch der deutschen Unternehmen, Mitarbeiter zu Höchstleistungen zu „motivieren“, ist längst an seine Grenzen gekommen: Viele haben die innere Kündigung abgegeben, die Engagierten brennen aus. Warum ist das so, trotz viel guten Willens auf allen Seiten? Bislang galten Überforderung, Umsatzdruck, Führung durch Angst als normal. Geistige und körperliche Ressourcen wurden verbraucht statt gepflegt. Selbst Gesundheitstage oder Weihnachtsfeiern waren Last statt Lust.

Die guten alten deutschen Tugenden wie Anstrengung und Disziplin haben uns weit gebracht, aber gerade bringen sie uns nicht mehr weiter.

Das überraschende Geheimnis für unternehmerischen Erfolg

Nicht wenige Manager halten Stress für eine Privatangelegenheit. Dies ist nicht verwunderlich, denn aus verschiedenen Untersuchungen ist bekannt, dass Führungskräfte ihre eigenen Bedürfnisse kaum kennen und damit natürlich auch die ihrer Mitarbeiter und Partner kaum wahrnehmen. In der Konsequenz werden für Gesundheitstage die billigsten, am liebsten kostenlose Angebote gebucht und Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung fallen in schwierigen Zeiten als erstes dem Rotstift zum Opfer.

Nach wie vor herrscht in vielen Köpfen der Glaube, mit „Zuckerbrot und Peitsche“ seien Mitarbeiter am besten zu führen, und Produktivität ließe sich dadurch verbessern, dass immer weniger Menschen dank neuer Technologien und Einsparungen immer mehr tun – sie müssten sich nur mehr anstrengen.

Die Glücksforschung hat indessen herausgefunden, dass Investitionen in die Steigerung der Produktivität durchaus zu Erfolgen führen, sich zum einen aber nicht endlos steigern lassen, zum andern geht mit dieser Strategie das erhoffte Glück für die Beteiligten selten einher. Denn die Freude über das Erreichte hält oft nur kurz an, wird durch den Aufwand davor getrübt oder gar vernichtet durch die Tatsache, dass das nächst höhere unmittelbar folgen muss, sobald das eine Ziel erreicht ist.

Denken wir um: Denn es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Wohlbefinden die Arbeitsproduktivität sogar besser vorhersagt als die Freude an der Arbeit. Das heißt, selbst wenn die Arbeit keinen Spaß macht, wird jemand, dem es gut geht, sie besser erledigen als jemand, dem es schlecht geht!

Verantwortlich für das Wohl der Mitarbeiter sind nun keinesfalls die Unternehmen, sondern jeder Einzelne selbst.

Viele haben es verlernt, gut für sich zu sorgen, weshalb es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, Menschen wieder dazu zu ermutigen. Selbstfürsorge und Selbstwertschätzung müssen an die Stelle einer Kultur des sich Verheizens und Dauerbrennens rücken. Unternehmen schaffen hierzu Rahmenbedingungen wie ein Betriebsklima des optimistischen und eigenverantwortlichen Denkens oder eine Kultur des „Wollens“ statt „Müssens“.

Führung durch Vorbild

Jeder, insbesondere jedoch eine Führungskraft, ist durch das eigene Verhalten und Auftreten ein Modell für andere:

  • Lebst du, was du sagst?
  • Bist du guter Dinge?
  • Stehst du hinter dem Unternehmen und den Produkten?

Wenn ein Geschäftsführer mit den Gewerkschaften über Mindestpausenzeiten verhandelt und selbst keine macht oder sich über Kunden mokiert, sind das die falschen Signale. Tausche die Absicht, andere zu motivieren – was niemand kann – mit ehrlicher Ermutigung. Motivation ist in der Psychologie gut untersucht. Wenn jemand zum Beispiel dafür, dass er/sie etwas mit Interesse oder Freude tut, belohnt wird, wird er es weniger gern tun oder gar aufhören, sobald die Belohnung ausbleibt.

EXTRA: 4 Tipps, mit denen du eine bessere Führungskraft wirst

Der Belohnungsstoff Dopamin im Gehirn nutzt sich außerdem ab. Das heißt, Belohnungen müssen entweder immer weiter gesteigert oder ständig verändert werden, um die ursprüngliche Wirkung zu erzielen. Ein Klima der Ermutigung zur Selbstfürsorge, des Einsatzes von Talenten, des kulturvollen Umgangs miteinander kostet kein Geld und führt dazu, dass Menschen sich wohlfühlen und produktiver sind.

Lobe Menschen zum Erfolg

Die Positive Psychologie hat nachgewiesen, dass das Verhältnis von positiven zu negativen Momenten im Alltag für dauerhafte Gesundheit 3:1 sein muss.

Gleiches gilt für den langfristigen Erfolg von Teams. Es gilt, die guten Dinge des Arbeitsalltags wahrzunehmen und zum Beispiel eine Teambesprechung mit Erfolgen und guten Erfahrungen zu beginnen, öfter Danke zu sagen oder mal wieder anderen die Tür aufzuhalten. Unser Gehirn ist trainiert, sich Probleme und Schwierigkeiten besser und länger zu merken. Deshalb muss hier aktiv gegengesteuert werden:

  • Führe Strichlisten, wie oft du an einem Tag gelobt hast.
  • Sei konkret und meine ehrlich, was du sagst.
  • Suche nach den Stärken in anderen und sage es ihnen.

Von besonders erfolgreichen Unternehmern ist bekannt, dass sie den ganzen Tag zum Danken und Loben nutzen. Schaffe kleine Erfolgserlebnisse. Neue Gewohnheiten entstehen durch neue Verknüpfungen zwischen Nervenzellen im Gehirn. Was wir oft genug gedacht oder getan haben, rutscht ins Unterbewusstsein, und wir verhalten uns dann ganz automatisch so. Mindestens 30 Tage bis drei Monate sind nötig, damit etwas Neues vertraut wird.

EXTRA: Der Motivationsfaktor Nr. 1: So wichtig ist Wertschätzung

Fördern statt überfordern

Wir sind in einer Welt angekommen, in der es bei noch so viel Anstrengung keiner mehr schafft, allen Anforderungen gerecht zu werden. Je schneller wir uns diese Einsicht erlauben, umso länger bleiben wir gesund. Die Flut an Angeboten, Optionen und Informationen führt das Gehirn in einen Stresszustand, der mit fehlender Weitsicht und Verhaltensroutinen einhergeht. In diesem Zustand treffen wir keine guten Entscheidungen, was später Zeit und Geld kostet. Deshalb ist es so wichtig, sich wohl zu fühlen. Dann können wir die vollen Kapazitäten unseres Denkhirns nutzen.

Die neuen Trends heißen Einfachheit und Konzentration als Gegenbewegung zu dem Stress, den die Überfüllung unseres Lebens bringt.

Der Mangel an Entscheidungsfähigkeit, die Angst etwas zu verpassen, die Sorge, dass es stets etwas noch besseres gibt, brennen uns aus. Lege dich fest, was für dein Unternehmen und jeden einzelnen darin wichtig ist.

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Dr. Ilona Bürgel

Dipl. Psych. Dr. Ilona Bürgel ist eine führende Vertreterin der Positiven Psychologie. Wie ein roter Faden zieht sich die Einladung zu einem Perspektivwechsel durch ihre Arbeit – weg von der Fixierung auf äußere Bedingungen, hin zum guten Umgang mit sich selbst. Sie ist ständige Beraterin für Print, Radio und Fernsehen wie ARD und MDR. Die Vorbildunternehmerin des Ministeriums für Wirtschaft liebt Schokolade und lebt in Dresden. Ihr Hauptwerk im Bereich Wirtschaft: Die Kunst, die Arbeit zu genießen

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