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„Jammern“ ist in Unternehmen meist verpönt. Dabei hat das Jammern auch eine soziale Funktion. Und nicht selten ist es sogar ein Frühwarnsystem für Defizite, die zu massiven Problemen führen können.

Jeder tut es – mal mehr, mal weniger: jammern. Über das Wetter, das körperliche Wohlbefinden, die Arbeitsbelastung, den schlechten Service, die zahllosen Veränderungen und vieles mehr

Trotzdem hat Jammern einen schlechten Ruf, und wer zu oft und laut jammert wird nicht selten mit dem Etikett „Jammerlappen“ versehen. Oder wird zum Beispiel von Vorgesetzten in die Kategorie „Ja, aber-Mensch“ einsortiert, 

  • die, egal was passiert, stets etwas zu mäkeln hat, und 
  • die man im Auge behalten sollte, damit sie mit ihrem ewigen Negativ-Denken nicht das Team infiziert. 

Jammern hat auch positive Effekte 

In der heutigen Arbeitswelt, in der von den Mitarbeitenden Eigeninitiative und Veränderungsbereitschaft erwartet wird, wird ein „Jammern“ nicht goutiert. Dabei hat es auch positive Funktionen im menschlichen Miteinander, weshalb man es keinesfalls stets als ein Zeichen mangelnder Motivation und Identifikation interpretieren sollte. Zuweilen ist sogar das Gegenteil der Fall. 

Jammern kann zum Beispiel zu einer emotionalen Entlastung führen, so dass der Druck im Kessel sinkt – was, wenn Menschen unter einer enormen Anspannung stehen, manchmal schlicht nötig ist. Für manche Menschen ist das Klagen sogar eine wichtige Bewältigungsstrategie für schwierige Lebensumstände und Aufgaben.

Jammern hat zudem eine soziale Funktion, denn hierbei teilen Menschen ihre Sorgen und Nöte anderen Personen mit. Das kann sogar den Teamgeist fördern, denn dies eröffnet dem jeweiligen Gegenüber die Möglichkeit, Mitgefühl zu zeigen und Hilfe anzubieten. Wenn die Teammitglieder erkennbar Sorgen, Nöte und Frustrationen teilen, stärkt dies nicht selten auch die persönlichen Beziehungen zwischen ihnen und somit das Wir-Gefühl

Ein Jammern weist zudem oft auf Probleme hin, die ansonsten unerkannt blieben. Nicht selten hat es die Funktion eines Frühwarnsystems, indem es auf Schwachstellen in der Organisation verweist, die dringend behoben werden sollten – zum Beispiel um ein Abwandern von Leistungsträgern oder das Scheitern eines Projekts zu verhindern. 

Das Jammern hat aber auch Schattenseiten

Doch auch für das Jammern gilt: Jede Medaille hat zwei Seiten. So zeigt zum Beispiel die Studie wie „Yes, we complain … so what?“ von Caroline Aubé und Vincent Rousseau, dass ein Jammern oft die Teamleistung mindert. Weitere Studien belegen zudem: Wird das Jammern zu einem Teil der Unternehmenskultur, beeinflusst dies die Arbeitsmoral, Kreativität und Produktivität negativ.

Führungskräfte sollten sich dieser Ambivalenz des Jammerns bewusst sein. Zuweilen erfordert es ihre Funktion jedoch sogar, dieses zu stimulieren. Zum Beispiel, indem sie, wenn ihr Team erkennbar gestresst ist, ein Meeting mit folgenden Worten eröffnen: „So, nun sagt mal alles, was Euch in Zusammenhang mit unserem Projekt xy stört.“ Denn dies eröffnet den Mitarbeitern die Chance, ihre Bedenken und Probleme so zu artikulieren, dass sie anschließend im Team besprech- und bearbeitbar sind (und nicht nur die Gerüchteküche nähren). 

Dabei muss die Führungskraft jedoch darauf achten, dass das konstruktive Beklagen nicht in ein destruktives Jammern umschlägt. Deshalb sollte sie, nachdem sie einige Zeit den Klagen der Mitarbeiter lauschte, zum Beispiel sagen: „Wenn ich Eure Voten richtig interpretiere, kämpft Ihr aktuell primär mit folgenden Problemen: …. Lasst uns einmal gemeinsam überlegen, wie wir welche Probleme lösen können und mit welchen wir schlicht leben müssen, weil sie sich unserem Einfluss entziehen.“ Denn so wird der Diskurs in Richtung Problemlösung gelenkt: Er bleibt nicht bei einem Beklagen der Ist-Situation stehen.

Bei einem chronischen Nörgeln intervenieren

Generell sollte eine Führungskraft unterscheiden, 

  • jammert eine Person situationsgedingt oder 
  • handelt es sich bei ihr um einen chronischen Nörgler, der mit seinem Negativ-Talk die Leistung des Teams negativ beeinflusst. 

Ist Letzteres der Fall, sollte die Führungskraft intervenieren und von der betreffenden Person eine Verhaltensänderung einfordern – mit Nachdruck. 

Generell gilt jedoch: Eine von Wertschätzung geprägte Arbeitsatmosphäre und eine Führungs- und Kommunikationskultur, die ein offenes Feedback fördern, reduzieren die Zahl der destruktiven Klagen. Entsprechend differenziert sollten Führungskräfte auf ein Jammern reagieren. Einerseits müssen sie den Bedürfnissen und Emotionen ihrer Mitarbeitenden Beachtung schenken, andererseits aber auch stets die Auswirkungen der Klagen auf die Teamdynamik und Produktivität im Auge behalten. 

Von zentraler Bedeutung ist dabei die Akzeptanz, dass Jammern nicht per se negativ ist. Es kann im Führungsalltag auch ein wertvolles Feedback-Instrument sein.

Auch „Chefs“ dürfen mal jammern 

Übrigens, auch Führungskräfte dürfen ab und zu mal klagen zum Beispiel über die vielen Veränderungen, die sich im Umfeld des Unternehmens vollziehen und die Herausforderungen, die hieraus resultieren. Tut dies eine Führungskraft wohlüberlegt und -dosiert, kann dies sogar ihre Beziehung zu den Mitarbeitenden fördern – unter anderem, weil diese dann registrieren: Unser „Chef“ ist auch ein Mensch

Tipps für Führungskräfte im Umgang mit Jammern

  • aktiv zuhören und empathisch sein
  • zwischen konstruktivem und destruktivem Jammern unterscheiden
  • eine positive Arbeitsumgebung schaffen
  • ein aktives Konfliktmanagement betreiben
  • regelmäßig Feedback geben
  • die nötigen Ressourcen bereitstellen
  • Transparenz und Fairness gewährleisten
  • bei Bedarf frühzeitig eingreifen

Sabine Prohaska

Sabine Prohaska ist Inhaberin des Trainings- und Beratungsunternehmen seminar consult prohaska in Wien und Autorin der Bücher „Coaching in der Praxis" und „Erfolgreich im Training – Praxishandbuch“.

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