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Dein Kunde ist in die Insolvenz geraten? Dennoch soll die Vertragsbeziehung fortgesetzt werden? Dann ist schnell und besonnen zu handeln, um Schaden an deinem Unternehmen durch insolvente Kunden zu verhindern. Besonders brisant ist die Situation, wenn durch enge Lieferketten eine Abhängigkeit vom insolventen Kunden besteht. Hier einige Handlungsempfehlungen.

Eine Insolvenz bedeutet nicht automatisch die Einstellung des Geschäftsbetriebes. Heute geht es in der Regel darum, das angeschlagene Unternehmen zu sanieren und neu aufzustellen. Dafür ist es essenziell, wichtige Geschäftsbeziehungen aufrechtzuerhalten und die Weiterbelieferung der Firma zu sichern. Doch was bedeutet eine Zusammenarbeit unter diesen Vorzeichen für dich als Vertragspartner?

Sonderregelungen für Vertragsbeziehungen in der Insolvenz

Der Insolvenzverwalter übt das sogenannte Erfüllungswahlrecht über noch nicht vollständig erfüllte Verträge aus. Das bedeutet, er kann frei entscheiden, ob er die Erfüllung oder Nichterfüllung des Vertrages wählt. In der Eigenverwaltung obliegt diese Entscheidung dem Geschäftsführer. Für einige Verträge, wie zum Beispiel Miet- oder Pachtverträge, besteht sogar ein Sonderkündigungsrecht. Dieses Recht wird der Insolvenzverwalter oder das Management im Interesse der GläubigerInnen dann ausüben, wenn entweder eine Sanierung ausgeschlossen oder die fortgesetzte Vertragsbeziehung für die Insolvenzmasse, also die verbleibenden Mittel des kriselnden Betriebs, von Nachteil ist.

Als Vertragspartner schnell handeln

Du bist betroffen? Dann solltest du umgehend den Insolvenzverwalter oder das Unternehmen kontaktieren, um die Vertragsbeziehung zu besprechen. Es kann sich aus wirtschaftlicher Sicht lohnen, veränderte Vertragsbedingungen zu akzeptieren. Denn: Bei einer erfolgreichen Sanierung des insolvente Unternehmens ist eine weitere Lieferantenbeziehung möglich. So können kurzfristige Einschnitte möglicherweise auf längere Sicht ausgeglichen werden.

EXTRA: Insolvenzverfahren eröffnet: Das unternehmerische Ende oder erst der Anfang?

Ob und wann offene Rechnungen beglichen werden, hängt von mehreren Faktoren ab. Grundsätzlich wird zwischen Forderungen unterschieden, die vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.

Insolvenzforderungen vs. Masseverbindlichkeiten

Nichtbeglichene Forderungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, gelten als Insolvenzforderungen. Sie werden erst am Ende des Verfahrens in Höhe der Insolvenzquote befriedigt. Voraussetzung hierfür ist, dass die GläubigerInnen ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter oder Sachwalter schriftlich anmelden und die Forderung in die sogenannte Insolvenztabelle aufgenommen wird.

Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Forderungen – zum Beispiel durch Bestellungen des Insolvenzverwalters – sind Masseverbindlichkeiten. Sie werden vom Verwalter meist zügig und in voller Höhe aus der Insolvenzmasse bezahlt. Auch die aus noch nicht vollständig erfüllten Verträgen resultierenden Forderungen werden als Masseverbindlichkeiten eingestuft. Dazu müssen die Verantwortlichen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Option „Erfüllung“ wählen. Allerdings besteht auch hier das Risiko eines Ausfalls. Wenn der Insolvenzverwalter anzeigt, dass die Masse nicht ausreicht, um die Verbindlichkeiten zu begleichen, bekommen die Lieferanten gegebenenfalls nur noch anteilige Zahlungen aus der Masse. Um das zu vermeiden, kannst du beispielsweise Vorkasse vereinbaren.

Auch erhaltene Zahlungen stehen auf dem Spiel

Bei der Insolvenz eines Kunden besteht die Gefahr der Insolvenzanfechtung. Sie ermöglicht es dem jeweiligen Verwalter, bereits erhaltene Zahlungen zurückzufordern, ohne dass der Vertragspartner seine Leistung zurückerhält. Diese Gefahr lässt sich nur schwer eindämmen. Meist sind die finanziellen Schwierigkeiten deines Kunden bereits im Vorfeld bekannt und gegebenenfalls in Mails oder Briefen belegt. Je näher die geleistete Zahlung zeitlich an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens lag, desto höher ist das Anfechtungsrisiko. Eine Möglichkeit, es zu reduzieren, ist die Einhaltung des „Bargeschäftsprivilegs″: Eine Anfechtung ist meist ausgeschlossen, wenn Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind und unmittelbar ausgetauscht wurden. Als „unmittelbar″ wurde bisher ein maximaler Zeitraum von 30 Tagen zwischen Leistung und Gegenleistung eingestuft.

Sicherungsrechte helfen, Werte zurückzuholen

Sicherungsrechte behalten auch in der Insolvenz ihre Gültigkeit. Am häufigsten findet der verlängerte Eigentumsvorbehalt Anwendung. Wurde dieser wirksam vereinbart, müssen Insolvenzverwalter oder Eigenverwaltung gelieferte Waren grundsätzlich herausgeben. Sind diese bereits weiterverkauft, hat der Lieferant ein Anrecht auf die diesbezüglichen Forderungen. Befindet sich dein Kunde in einer Insolvenz, sollten dem Insolvenzverwalter oder der Eigenverwaltung daher bestehende Sicherungsrechte umgehend angezeigt werden.

Jacqueline Jakubik

Jacqueline Jakubik 
ist Rechtsanwältin und Insolvenzverwalterin bei der Kanzlei Tiefenbacher Insolvenzverwaltung I Restrukturierung.

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