Nachlassende Kundenloyalität alarmiert inzwischen nahezu alle Branchen. Die Ursachen dafür haben nicht nur mit verändertem Kundenverhalten zu tun – in den meisten Fällen sind sie hausgemacht. Die verheerendsten Loyalitätszerstörer heißen: Austauschbarkeit, Preis-Aktionismus, emotionale Kälte und ständig wechselnde Ansprechpartner. Anne M. Schüller, führende Expertin für Loyalitätsmarketing, zeigt in diesem Beitrag, wie Unternehmen zu Loyalitätsführern werden können.
Loyalität entsteht viel leichter zwischen zwei Menschen als zwischen Menschen und mehr oder weniger anonymen Unternehmen.
Unternehmen, die eine hohe (natürliche oder von Controllern verordnete) Mitarbeiterfluktuation haben, werden deshalb auch Kundenschwund haben. In viele Geschäfte geht man ja nur wegen dieser einen freundlichen Person, die einen schon so lange kennt.
Kunden sind also oft dem Mitarbeiter gegenüber treu und nicht dem Unternehmen. Und Verkäufer nehmen gerne ihre Kunden mit, wenn sie das Unternehmen wechseln.
Marketing: Mitarbeiter sind Loyalitätsmacher
Die Mitarbeiter sind die Umsetzungsverantwortlichen des Marketing und die maßgeblichen Loyalitätsmacher. Je individueller die Leistung für den einzelnen Kunden erbracht wird und je unmittelbarer der Kunde-Mitarbeiter-Kontakt ausfällt, desto stärker ist das Gefühl emotionaler Verbundenheit. Und dort, wo Produkte nicht mehr faszinieren können, da müssen es die Menschen tun.
Oft liegen die Gründe für Kundenabwanderungen sogar noch viel tiefer. So spielen etwa die falsche Bewerberauswahl, ein problematisches Betriebsklima, veraltete Führungsstile, bürokratische Strukturen und Prozesse, internes Unverständnis für die emotionale Seite des Kunden und falsche Vertriebsstrategien eine bedeutende Rolle.
Erst eine Rundum-Betrachtung kommt diesen tiefer liegenden Gründen auf die Spur.
Der Managementprozess des Total Loyalty Marketing
Dazu wird ein ganzheitlicher Managementansatz benötigt, der die drei strategischen Erfolgsfaktoren Marketing-Mitarbeiter-Kunde miteinander vernetzt – und zwar aus Sicht des Kunden.
Total Loyalty Marketing ist ein solcher Ansatz. Hierbei wird das ganze Unternehmen, jedes Marketing-Instrument und jeder einzelne Mitarbeiter auf den Kunden ausgerichtet. Loyalität wird sowohl in der Unternehmensstrategie als auch in der Unternehmenskultur fest verankert.
Am Anfang des Total Loyalty Marketing steht die loyalitätsfokussierte Analyse. Ziel dieses ersten Schrittes ist es, sein Umfeld und das eigene Unternehmen systematisch nach Loyalitätspotenzial abzuklopfen.
Der nächste große Block in diesem Prozess ist eine loyalitätsorientierte Marketing-Strategie, die auf Basis der Analyse entwickelt wird. Hier werden loyalitätskonforme Ziele formuliert, Rentabilität und Loyalität versprechende Zielgruppen definiert sowie die für Kunden und Mitarbeitende relevanten funktionalen und emotionalen Nutzen in eine strategische Positionierung verpackt.
Diese strategischen Vorgaben sind das Fundament für das Total-Loyalty-Marketing-Dreieck mit seinen Eckpunkten Management, Mitarbeiter und Kunde.
Der Kunde – und nicht etwa Anteilseigner, Investoren und Aktionäre – steht in diesem Dreiecksverhältnis unumstößlich an der Spitze. Alle Aktivitäten des Managements wie auch die der Mitarbeiter sind systematisch auf ihn ausgerichtet, um ihn zu begeistern und damit zu loyalisieren.
Drei mal fünf Bausteine führen zu den anvisierten Loyalitätszielen. Hierbei geht es um den Aufbau interner, also mitarbeiterbezogener sowie externer, also kundenbezogener Loyalität – und zwar in dieser Reihenfolge.
Aus einem POS (Point of sale) wird ein POP (Point of purchase) und aus der guten alten Unique Selling Proposition eine Unique Satisfaction Proposition. Alles wird aus Sicht des Kunden betrachtet.
Die Marketing-Achse im Total Loyalty Marketing
Aus den selbstzentrierten 4P des klassischen Marketing (product, price, place, promotion) werden im Total Loyalty Marketing die auf den Kunden fokussierenden 5K:
- der Käufernutzen,
- die Kosten des Kaufs,
- die Kaufprozesse,
- die Kommunikation als kontinuierlicher, lebendiger Dialog
- und schließlich die Kultur des Unternehmens, so wie der Mitarbeiter sie lebt und der Kunde sie erlebt.
Ziel des letztgenannten Bausteins ist das ‚lachende Unternehmen’.
Vergiftete Unternehmen:
- Angst, Mobbing, Bossing, Aggression, Intrigen, Machtkämpfe, Missgunst, Neid, Tadel, Schuldzuweisungen, Dauerdruck, Kommandieren, kleinliche Kontrollen, Misstrauen, Opportunismus, Willkür, Einzelkämpfertum, Distanz, Routinen, sinnentleerte Arbeit,
- Anweisungen, die man nicht versteht,
- Chefs, die man nicht achten kann,
- Büros, die man nicht mag,
- Werte, die man nicht leben will,
- Jobs, die man hasst,
- Arbeit, die krank macht,
- Unproduktivität und Mittelmaß.
Das Ergebnis:
- Kunden, die nicht wieder kommen.
Lachende Unternehmen
- Wertschätzung, Anerkennung, Respekt, Freundlichkeit, gute Laune, Spaß, Humor, ehrliches Lob, Mut, Fehlerlernkultur, Information, Kommunikation, Innovation, Ehrlichkeit, Offenheit, Klarheit, Vertrauen, Teamwork, Nähe, Mut, Herausforderungen, Sinn, Flow,
- Ziele, die man sich selber setzt,
- Chefs, die man schätzt,
- inspirierende Arbeitsbedingungen,
- Werte, die man teilt,
- Stunden, die wie im Flug vergehen,
- fröhlich pfeifend zur Arbeit kommen,
- Resultate auf die alle stolz sein können.
Das Ergebnis:
- Kunden, die gerne wieder kommen.
Lachende Unternehmen verfolgen Gewinner-Strategien. Dort erleben Mitarbeiter Selbstbestimmung, Freude an der Arbeit, Wertschätzung und Anerkennung, Offenheit und Ehrlichkeit, Vertrauen und Respekt.
In lachenden Unternehmen herrscht Spaßgesumme und ein Treibhausklima für Spitzenleistungen. Dort arbeiten couragierte, motivierte, engagierte, unternehmerisch mitdenkende, begeisterte und loyale Mitarbeiter auf hohem Niveau. Dort kaufen Kunden gerne immer wieder ein – und bringen ihre Freunde gleich mit.
Marketing: Die Loyalitätstreppe der Mitarbeiter
Im Total Loyalty Marketing bewegen sich die Mitarbeiter auf einer fünfstufigen Achse. Die Erfolgsbausteine heißen: kommen, wissen, können, wollen und lassen.
Im ersten Schritt geht es darum, Mitarbeiter zu gewinnen, die gut zur Loyalitätskultur des Unternehmens passen und Loyalitätspotenzial mitbringen. Auf den Stufen Wissen und Können erlangen sie Loyalisierungskompetenz.
Diese Fähigkeiten und Fertigkeiten wollen sie nun einsetzen – wenn man sie lässt, ohne sie dabei allein zu lassen. Auf jeder Stufe sind situativ passende Maßnahmen einzuleiten, um die Mitarbeiter zu professionalisieren und die Fluktuation der Mitarbeiter, die man halten will, nahe null zu bringen. Hierzu gehört auch ein neuer Führungsstil: die kundenfokussierte Mitarbeiterführung.
Führungskräfte haben dabei die Aufgabe, solche Rahmenbedingen zu schaffen, die es den Mitarbeitern ermöglichen, für den Kunden ihr Bestes geben zu können und zu wollen. Das ‚machen lassen‘, verbunden mit der Übertragung von Verantwortung und dem Gewähren von Spielräumen, ist dabei der schwierigste Schritt und eine echte Herausforderung.
Denn jede Unternehmens- und Marketingstrategie ist nur so gut wie die Mitarbeiter, die diese umsetzen. Eine der Schlüsselfragen, die sich Führungskräfte auf diesem Weg immer wieder stellen sollten, lautet:
- Hätte ich meine besten Kunden so behandelt, wie ich heute meine Mitarbeiter behandelt habe?
Die Loyalitätstreppe der Kunden
Auch der Kunde bewegt sich auf einer fünfstufigen Loyalitätstreppe nach oben. Zunächst ist er ein Interessent, der zum Erst- und Wiederkunden und schließlich zum Stammkunden und Empfehler wird. Dabei geht es um die Loyalität der richtigen, gut zum Unternehmen passenden Kunden. Solche, die profitabel sind und Loyalitätspotenzial haben.
Zu jedem Zeitpunkt der Kundenbeziehung ist genau zu ermitteln, auf welcher Stufe der Kunde sich gerade befindet und mit welchen loyalitätsfördernden Maßnahmen man ihn dazu bewegen kann, eine Stufe höher zu steigen, um schließlich ganz oben anzukommen.
Ziel des Total Loyalty Marketing ist der aktive positive Empfehler, dessen Loyalitätswert (Loyalty Value) seinen Kundenwert um ein Vielfaches übersteigt. Von seinen Kunden empfohlen zu werden, ist nicht nur die wirkungsvollste, sondern auch die kostengünstigste Form der Kundenneugewinnung.
Doch nur Spitzenleistungen werden weiterempfohlen – und das ist mit ungenügend bezahlten, wenig motivierten und schlecht geführten Mitarbeitern nicht zu machen. Denn nur Spitzenleister erbringen Spitzenleistungen.
Hierbei betrachtet der Kunde ein Unternehmen immer als Einheit. Abteilungsgrenzen und Zuständigkeiten interessieren ihn nicht. Er erwartet von jedem eine perfekte Leistung, da unterscheidet er nicht zwischen Chef und Azubi.
Wenn aus Sicht des Kunden auch nur ein einziger Mitarbeiter patzt, war für ihn ‚der Laden’ schuld. Er macht sich für immer von dannen und warnt seine besten Freunde. Und im Internet erzählt er es der ganzen Welt.
Fazit
Loyalität – und nicht Konsumverzicht – so heißt die schärfste Waffe des Verbrauchers. Die in Strategiepapieren so gerne propagierten Ziele wie Kostenführerschaft, Preisführerschaft oder Innovationsführerschaft sind nun endlich kritisch auf den Prüfstand zu stellen.
Denn all diese Strategien sind selbstzentriert, also auf das eigene Unternehmen und nicht auf den Kunden bezogen. In Zukunft werden nur solche Unternehmen nachhaltige Wachstums-Chancen haben, denen es gelingt, ihre Kunden dauerhaft zu loyalisieren. Loyalitätsführerschaft heißt das neue Ziel.
(Das Buch zum Artikel: Anne M. Schüller: Total Loyalty Marketing)
(Bild: © pressmaster – Fotolia.de)
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