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VerhandlungstechnikIm Teil IX haben wir uns im Rahmen der Vorbereitungsphase mit den Verhandlungseckpunkten befasst; nun liegt das ganze Bündel (1. Was geht?- 2. Was will ich?- 3. Was wollen die Anderen?) vor Ihnen. Sie haben ein gutes Gefühl, sind über die vielen Lösungsoptionen erfreut, haben stabile Nichteinigungsoptionen sowie ein realistisches Verhandlungsziel im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Position der anderen Seite erarbeitet – es könnte eigentlich sofort losgehen!

Damit sind wir bei der Frage, wie Sie Ihre argumentativen Pferdestärken auf die „Verhandlungsstraße“ bringen wollen? Oder anders formuliert, wie soll die Entscheidungskompetenz verteilt werden und mit wie vielen Personen wollen sie zur Verhandlung erscheinen?

Wer hat welche Entscheidungskompetenz?

Beginnen wir mit der Entscheidungskompetenz. Es ist die schlichte Beantwortung der Frage, ob der Entscheider mit am Tisch sitzt oder der Verhandlungsführer die (vorläufige!) Vereinbarung von einer hierarchisch höheren Position absegnen lassen muss, die nicht unmittelbar an der Verhandlung beteiligt ist.

Klären Sie diesen eminent wichtigen Punkt mit Ihrem Verhandlungspartner immer zu Beginn – sonst kann es Ihnen passieren, dass Sie sich eigentlich schon einig wähnen und sich die andere Seite plötzlich hinter noch ausstehenden Gutachten, noch nicht eingeholten Statements Dritter und der ausstehenden Führungsentscheidung zurückzieht.

Diese Variante ist bei Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung mit in der Regel mehreren Verhandlungsrunden (z.B. Tarifverhandlungen) üblich. Gut auch, wenn man für die zweite Runde noch etwas anzubieten hat…

Wer erscheint alles zur Verhandlung?

Die Frage nach der „richtigen“ Delegationsgröße wird von mehreren Faktoren bestimmt. Alleine sollten Sie nach Möglichkeit nicht gehen – Sie haben dann weder eine Rückfallebene noch die Möglichkeit, sich mit ihrem zweiten Mann z.B. über neu aufgekommene Vorschläge der anderen Seite auszutauschen oder seine Einschätzung der Situation zu erfahren.

Natürlich kann es Situationen geben, bei denen zwingend vertrauliche Nebenabreden anstehen oder man bewusst keine Zuhörer möchte. Manche Menschen öffnen sich nicht in großer Runde und in schwierigen Verhandlungssituationen können klare Worte zwischen zwei Personen mehr bewirken. Sprechen Sie mit ihrem Team vorher ab, dass Sie in einer solchen Situation der anderen Seite eine Fortsetzung des Gesprächs unter vier Augen vorschlagen.

Oft jedoch sind verschiedene Fachleute für die anstehenden Themen notwendig, der Lieferant xy ist auch noch beteiligt, plötzlich will noch der kaufmännisch Verantwortliche mit und, ach ja, sollten wir nicht noch juristischen Beistand mitnehmen und vielleicht noch ein Protokollant?

VORSICHT!

Eine Verhandlung ist keine Diskussion. Gehen Sie deshalb eher sparsam mit Einladungen um. Die ausgearbeiteten Optionen und deren zugrunde liegende Technologie müssen Sie schon allein erklären können; der Kaufmann muss nicht mit, sondern hat bei den Zielen ja bereits mitgewirkt. Und den Juristen lassen Sie besser zu Hause, Sie wollen ja verhandeln und sich nicht streiten.

Frage aus dem OFF: Und was ist, wenn die andere Seite acht Personen inklusive eines Juristen aus dem Hut zieht?
Antwort an das OFF: Dann hat sie sich nur ungenügend vorbereitet und einen schwachen Verhandlungsführer. Weniger ist hier mehr.

Mit wem und vor allem über was sollte sich der Jurist der anderen Seite denn unterhalten? Sie wollen eine Übereinkunft, haben Lösungen ausgearbeitet und freuen sich auf vielleicht bessere Lösungen der anderen Seite, sind kooperativ, ohne Ihre Ziele aus dem Auge zu verlieren.

Machen Sie die nominale „Stärke“ der anderen Seite zur Schwäche und ich bin überzeugt, dass es gelingt, einen der Acht herauszubrechen oder zu widersprüchlichen Aussagen zu bringen. Dann können Sie sehen, wie der andere Verhandlungsführer zurückrudert, sein Mitglied ggf. maßregelt und sich natürlich ärgert, weil die Uneinigkeit öffentlich geworden ist.

Natürlich fühlt man sich mit einem kleineren Team anfangs etwas unbehaglich, bis man sich klar macht, wie schwierig es für die größere Delegation sein muss, ihre „PS auf die Straße“ zu bringen! Eine Voraussetzung ist jedoch unabdingbar: Nehmen Sie nur solche Personen mit in die Verhandlung, auf die sie sich ohne Abstriche verlassen können. Achten Sie besonders innerhalb der im Vorfeld stattfindenden Diskussionen auf Äußerungen potenzieller Verhandlungsteilnehmer, die Zweifel an den strategischen und taktischen Festlegungen äußern, die Machbarkeit von Optionen anzweifeln und zu unbedachten Äußerungen sowohl verbaler als auch nonverbaler Art neigen. Hört sich hart an, aber die Zweifler lassen sie besser zu Haus. Sprechen sie mit Ihrem Team die Rollenverteilung klar ab und beschreiben Sie die Rollen kurz bei der Vorstellung des Teams:

  • Wer antwortet nur, wenn Sie fragen?
  • Wer erklärt lediglich den technologischen Inhalt?
  • Wer darf Sie unterbrechen – und wie soll das geschehen?
  • Wer darf noch Vorschläge machen – und wie weit darf er dabei gehen?

Weitere Artikel dieser Serie:

Verhandlungstechnik (Teil I): Ordnen Sie Ihre inneren Stimmen!
Verhandlungstechnik (Teil II): Ihr Selbstbewusstsein als Erfolgsfaktor!
Verhandlungstechnik (Teil III): Stärken Sie Ihre Verhandlungsmacht!
Verhandlungstechnik (Teil IV): Nutzen Sie Ihre Verhaltensautomatismen!
Verhandlungstechnik (Teil V): Innere Barrieren abbauen!
Verhandlungstechnik (Teil VI): Gliedern Sie erfolgsorientiert!
Verhandlungstechnik (Teil VII): Ihre Vorbereitung ist das A und O!
Verhandlungstechnik (Teil VIII): Nutzen Sie die SWOT-Analyse!
Verhandlungstechnik (Teil IX): So sind Sie optimal vorbereitet!
Verhandlungstechnik (Teil XI): Ihre Agenda ist der Weg!
Verhandlungstechnik (Teil XII): Strategie – aber bitte die richtige!
Verhandlungstechnik (Teil XIII): Welche Strategie ist die richtige für Sie?
Verhandlungstechnik (Teil XIV): Der Kompromiss – Fluch oder Segen?
Verhandlungstechnik (Teil XV): So gelingt Ihr Verhandlungsstart!

(Bild: © pressmaster – Fotolia.de)

Peter Ackermann

Der Unternehmensberater Peter Ackermann vertritt das Spezialgebiet "Verhandlungstechnik". Dabei wird das in 20 Jahren als Projektleiter im Anlagenbau erworbene Wissen dem Markt in Form von Verhandlungskonzepten, Strategieansätzen bis hin zur Ausbildung und Betreuung der Verhandlungsteams zur Verfügung gestellt. Eine handwerkliche Ausbildung sowie die über den zweiten Bildungsweg erworbenen technischen und kaufmännischen Diplome sichern dabei das Verständnis für die konkrete Situation des Auftraggebers ab.

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