Die Arbeitswelt befindet sich in einem Wandel, der durch die Coronakrise stark beschleunigt wird. Zum Beispiel verändern sich die Erwartungen der ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen. Was früher funktioniert hat, passt immer weniger. Viele Unternehmen vertrauen noch immer auf die klassische jährliche Mitarbeiterbefragung – das nach wie vor wichtigste Instrument für den Erwartungsabgleich. Das ist nicht verkehrt, doch aktuelle oder lokale Themen bleiben außen vor. Das spiegelt sich auch in der Meinung der Angestellten wieder: Laut einer Studie finden nur ungefähr die Hälfte (53 Prozent) der Beschäftigten die Fragen in einer Umfrage wirklich relevant für ihre Situation. Lediglich 14 Prozent sind der Meinung, dass ihre Arbeitgeberin bzw. ihr Arbeitgeber das Feedback auch in Taten umsetzt, um die Employee Experience zu verbessern.
Besonders jetzt im „New Normal“, wo MitarbeiterInnen veränderte Bedürfnisse und Erwartungen haben, ist der Fokus auf das Employee Experience Management wichtiger denn je. Sprich: ein Prozess zur Erfassung, Analyse und Umsetzung von Experience-Daten. Sie geben die Überzeugungen, Einschätzungen und Stimmungen der MitarbeiterInnen zu allen Aspekten des Arbeitslebens wieder. Dafür werden einerseits die passenden Methoden und Technologien benötigt, andererseits eine gute Portion an Inspiration. Im Folgenden zehn Tipps:
1. Diversifizierung: Zeitnahes Feedback zu Missständen
Die traditionellen Engagement-Befragungen, die üblicherweise eins zu eins im gesamten Unternehmen durchgeführt werden, sind aus Mitarbeitersicht immer weniger relevant. Sie gehen weder auf die wirklich wichtigen Aspekte auf den entscheidenden Unternehmensebenen ein, noch erzeugen sie zeitnahes Feedback zu Missständen. Gleichzeitig werden so viele Fragen wie möglich in eine Umfrage gepackt, da es kein anderes Feedback-Format gibt. Befragungen sollten stattdessen verschiedene Themen zielgruppenspezifisch beleuchten.
Beispielsweise standen viele der Beschäftigten, die aufgrund der Krise erstmals ins Homeoffice umzogen, vor technischen Hürden – von der Bedienung der neuen Software bis zum Einloggen in ein Videokonferenztool. Mit einer gezielten Umfrage zur Tech-Experience, die durch ein IT-Ticket ausgelöst wird, können Unternehmen herausfinden, wo es hapert. Wird das Feedback direkt an die zuständigen IT-MitarbeiterInnen weitergeleitet, kann das Unternehmen sofort reagieren – das reduziert Unsicherheiten und fördert die Produktivität.
2. Integration : Daten & Feedback-Methoden
Um bessere Analysen durchführen und Vorhersagen zur Employee Experience treffen zu können, sollten Unternehmen ihre operativen Daten mit den Experience-Daten der MitarbeiterInnen verknüpfen. Bisher schlummern die Datensätze meist in separaten Silos. Werden sie hingegen in einer gemeinsamen Plattform konsolidiert, entstehen neue Zusammenhänge. Die ganzheitliche Perspektive und Transparenz öffnen Unternehmen die Augen und den Blick auf das Wesentliche.
Ein anderes Beispiel für die Integration ist das Verzahnen passiver und aktiver Feedback-Methoden: Während manche neue MitarbeiterInnen schon nach kurzer Zeit mitten im Geschehen sind, finden sich andere erst spät zurecht. Das Unternehmen könnte hier direkt reagieren, indem es die Mitarbeitervernetzung mit Performance-Daten kombiniert und analysiert. Dadurch kann es Muster erkennen und den Neulingen pro-aktiv einen Fragebogen schicken:
- „Wen kennen Sie schon alles im Unternehmen?“
- „Haben Sie daran gedacht, Person Y zu kontaktieren?“
So könnte der Einarbeitungsprozess noch viel stärker zur Vernetzungsförderung werden.
3. Automatisierung: Schluss mit „kaltem“ Feedback!
Moderne Feedbacklösungen arbeiten mit benutzerdefinierten Workflows, die sich in vorhandene Systeme integrieren lassen. Werden beispielweise Personalstammdaten verändert, wird automatisch eine Feedbackanfrage an die jeweiligen MitarbeiterInnen ausgelöst. Das kann die Änderung einer Adresse, aber auch die Frage nach dem Wohlbefinden und den nächsten Schritten nach einem Mutter- oder Vaterschaftsurlaub sein. Je nach Feedback erhält die Personalabteilung eine automatisierte Benachrichtigung. Das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten ist riesig: Vom Bewerberfeedback über die Rückmeldung zur Trainingsqualität bis hin zur Evaluation der Performance-Management-Aktivitäten.
Anstatt lange auf Statistiken zur Mitarbeiterzufriedenheit oder Umfrageergebnisse warten zu müssen, können die Brennpunkte sofort behandelt werden. Nicht zuletzt setzt das auch dem „kalten“ Feedback – das oft erst dann bearbeitet wird, wenn es nicht mehr aktuell ist – ein Ende.
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4. Spezifizierung: Einsatz von Benchmarks
Viele Unternehmen wissen nicht, wie sie durch den Dschungel der EX-Möglichkeiten navigieren sollen. Hierbei hilft der Einsatz von Benchmarks: Firmen können ermitteln, ob die Employee Experience in der Interaktion entlang der verschiedenen Touchpoints mit ihrem Unternehmen positiv oder negativ vom Benchmark abweicht. Das erlaubt ihnen, die spezifischen Potenziale der Employee Experience zu priorisieren und Ursachen gezielt zu analysieren.
Ein anderes Beispiel: Haben ArbeitgeberInnen Probleme damit, dass die BewerberInnen nach der Unterschrift, doch vor dem ersten Arbeitstag die Segel streichen, hilft eine standardisierte Bewerberbefragung zu Themen wie der Zufriedenheit mit dem Interview selten. Mit flexibler und integrierbarer Feedback-Technologie gelingt es, diese Unsicherheitsphase proaktiv zu adressieren, beispielsweise durch Interaktionsangebote, Wissensbedarf oder die Erwartungsabfrage für die Anfangszeit. Dies hilft unmittelbar das Risiko eines Absprungs zu verringern und blinke Flecken zu entdecken: Welche baldigen MitarbeiterInnen sind verunsichert? Was würde helfen?
5. Befragungen dezentralisieren
Besonders in Unternehmen mit mehreren Standorten und heterogenen Geschäftsbereichen unterscheiden sich die relevanten Themen oft. Anstatt Feedback lediglich von der Firmenzentrale aus einzuholen, sollten ergänzend dezentrale Befragungen geschaltet werden. Damit sind die Führungskräfte vor Ort direkt am Puls ihrer Angestellten, können mit ihnen in einen themenrelevanten Dialog treten und Probleme maßgeschneidert angehen.
Damit ein dezentralisierter Ansatz beim Erheben von Feedback möglich ist, sollten die Standorte ihre Befragungen autonom gestalten und sie auf die lokalen Besonderheiten anpassen – und lediglich Kerngrößen wie Engagement oder Führungsindex zentral vorgeben.
Moderne Umfragesoftware-Lösungen ermöglichen beides innerhalb eines einzigen Systems anhand von Verzweigungslogiken und zugangsberechtigten Bereichen, die je nach Gebiet ausgespielt werden können. So entsteht kein Flickenteppich aus den Ergebnissen vieler Einzelbefragungen, sondern ein konsolidiertes Gesamtbild.
6. Zuhören vereinfachen
Inzwischen gibt es viele Möglichkeiten, um das Zuhören zu vereinfachen:
- eingebettete Always-on-Formate, die als eine Art 24/7-Kummerkasten dienen oder Mood Tracker, bei denen die Beteiligten eines Projekts über ihre Stimmung berichten können. Diese Formate erlauben das Sammeln von Feedback ohne den klassischen Befragungscharakter, denn sie sind immer verfügbar.
- Auch künstliche Intelligenz vereinfacht und beschleunigt Feedbackprozesse: Beispielsweise können Textanalyse-Tools aktuelle Themen und Stimmungen immer präziser identifizieren, weil sie kontinuierlich die jeweilige „Unternehmenssprache“ lernen. So sehen Firmen sofort, wie es ihren MitarbeiterInnen geht, ohne das Freitext-Feedback selbst durchlesen zu müssen. Das erspart Zeit und Ressourcen.
7. Personalisierung von Umfragen & Auswertungen
In der Vergangenheit standen Projektteams häufig unter Druck, eine Umfrage zu entwerfen, die alle bedient. Meistens war das schlichtweg unmöglich. Inzwischen gibt es viele Umfrageformen, die ganz unterschiedliche Perspektiven zulassen. Ein Beispiel ist die 360°-Umfrage: Eine Führungskraft wird selbst befragt und aus dem Blickwinkel von KollegInnen, Teammitgliedern, VorgesetztInnen oder KundInnen beleuchtet. Das liefert den Befragten Hinweise darauf, wo Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung bestehen und sie ihre Fähigkeiten weiterentwickeln können.
Je nach Rolle, Zielgruppe oder individuellen Präferenzen können spezifische Fragen gestellt und Teilnehmerkreise gebildet werden, die zu den jeweiligen Zielstellungen passen.
Auch die Auswertung der Feedback-Daten kann personalisiert werden: Der Head of Talent beispielsweise interessiert sich für Informationen rund um Personalentwicklung, Diversity und Performance Management und will diese nach Zugehörigkeit zu Talent-Programmen auswerten. Über Zugangsberechtigungen und ein auf ihn zugeschnittenes Nutzerprofil kann ihm ein Dashboard mit einer Kombination aus genau den Daten zur Verfügung gestellt werden, die er braucht.
8. Individualisierung
Neben Daten und Insights, ist die Art und Weise, wie mit den Befragten im Feedbackprozess umgegangen wird, immer wichtiger. Ein Beispiel: Eine Mitarbeiterin im Wartungsservice hat eine Idee, wie die KundInnen besser in bestimmte Wartungsintervalle eingebunden werden können, um Zeit zu sparen. Sie gibt die Idee an ihren Vorgesetzten weiter und hinterlegt sie in einem Portal für Ideen und Anregungen. Die Führungskraft ist mit den Details nicht vertraut, kann den Vorschlag daher kaum beurteilen und verwirft ihn. Bis die Anfrage im System bearbeitet wird und durch eine Reihe an Begutachtungen geht, vergehen Wochen – bis dahin ist viel Potenzial verschenkt.
Gleiches gilt für die Reaktion auf Kritik und Anregungen: Bestimmte Rückmeldungen sollten in einem speziellen Servicesystem für MitarbeiterInnen hinterlegt oder direkt an die zuständige Ansprechperson weitergeleitet werden, damit das Feedback direkt aufgegriffen wird.
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9. Transformation
Die Umstellung auf beispielsweise eine neue Firmensoftware ist häufig mit massivem Aufwand und vielen Herausforderungen verbunden. Das kritische Feedback der Beteiligten zeigt unter Umständen Tatsachen, die die ProjektleiterInnen lieber nicht sehen möchten: Das Budget wird überschritten, Fristen können nicht eingehalten werden und die Teammitglieder fühlen sich unvorbereitet.
Always-on-Formate, Risikobewertungen und Pulse Checks können Abhilfe schaffen: Anhand kurzer Fragebögen lassen sich beispielsweise die Einschätzung der Beteiligten während der verschiedenen Projektphasen feststellen. Ist das Feedback in einem projektspezifischen Dashboard abgebildet, können Verantwortliche Probleme frühzeitig erkennen, entgegensteuern und Projekte erfolgreich zu Ende führen. Gleiches gilt für andere Veränderungsvorhaben: Wenn „Change“ im Unternehmen zum Normalzustand wird, sollte ein Change-Radar zur Grundausstattung gehören, zumal die vielen Projekte oft an mangelnder Interaktion der Beteiligten scheitern.
10. Inhaltliche Neuausrichtung
Die Coronakrise bringt neue Themen auf den Tisch – diese werden die Klassiker nicht ablösen, aber ergänzen. Hier ein paar praktische Beispiele:
- Wie funktioniert die Selbstversorgung ohne Kantinen, die sich bei den neuen Abstandsregeln nicht mehr tragen?
- Wie stark leidet das soziale Miteinander, wenn sich die MitarbeiterInnen weniger sehen?
- Wie sieht es mit Geschäftsreisen zu KundInnen oder Vorstellungsgesprächen von BewerberInnen aus?
Für diese Fragen ist das Feedback von MitarbeiterInnen enorm wichtig. Zudem unterscheiden sich die Themen stark zwischen Unternehmen, Märkten und Beschäftigtengruppen. Die bisherigen Standardbefragungen werden immer irrelevanter. Firmen sollten sich auf neue Inhalte ausrichten und bei ihrer Belegschaft nachfragen, was für sie wichtig ist.
Fazit: Diese zehn Impulse gehen weit über die Praktiken altbekannter Mitarbeiterbefragungen hinaus und können unmöglich auf einmal umgesetzt werden – doch Unternehmen müssen damit anfangen, zu priorisieren, zu adjustieren und erste Schritte zu machen. Wollen sie zufriedene und motivierte Angestellte und aktiv am Puls der Zeit bleiben, müssen sie dem eigenen Anspruch an eine gute Employee Experience nachkommen.
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Ganz ohne Kapital klappt es nicht, aber bootstrappen bringt auch viele Vorteile. Ich bin froh kein Fremdkapital aufgenommen zu haben.…