In den Führungsteams vieler mittelständischer Unternehmen muss sich ein Mentalitätswandel vollziehen, denn die jungen Leistungsträger von morgen haben ein anderes Wertesystem als bisher. Und sie lassen sich von Führungskräften, deren Autorität primär auf ihrer Position basiert, nicht mehr führen.
Im nächsten Jahrzehnt gehen viele Leistungsträger im Mittelstand in den Ruhestand. Sie zu ersetzen, wird das zentrale Thema für viele mittelständische Unternehmen sein. Dabei ist jetzt schon absehbar: Aufgrund des demographischen Wandels werden künftig einige Mittelständler ohne ausreichend qualifizierte Mitarbeiter dastehen.
Zugleich rückt eine neue Generation junger Frauen und Männer nach – ebenfalls mit einer starken Leistungsorientierung, aber mit einem anderen Wertesystem. Für sie ist Arbeit ein Instrument zur Existenzsicherung. Doch nicht nur dies. Sie soll auch befriedigend sein und Gestaltungsspielräume eröffnen.
Moderne Führungskultur als Engpass
Im Wettbewerb um Talente spielt die Führung in den Unternehmen die zentrale Rolle. Nicht eine ausgefeilte Personalbeschaffung wird künftig der strategische Engpass sein, sondern eine moderne Führungskultur, die auf Kooperation und Verantwortung setzt.
Das stellt die aktuellen Führungsmodelle vieler Mittelständler in Frage. Denn in ihren Leitbildern wird zwar häufig auf einen kooperativen Führungsstil verwiesen, die Führungsrealität sieht aber anders aus.
In vielen mittelständischen Betrieben legitimiert Führung ihre Autorität noch immer über ihren Erfahrungs- und Wissensvorsprung, ihre hierarchische Positionsmacht sowie „Heldentaten“ der Vergangenheit. Und häufig erwartet Führung von den „Untergebenen“ primär Gehorsam. Doch nicht nur dies: Gute Führung wird auch daran gemessen, wie die Mitarbeiter „spuren“. Mit einem solchen Führungsverständnis und -modell waren unzählige Mittelständler in der Vergangenheit sehr erfolgreich. Das macht ein Umdenken in den Chefetagen schwierig.
Führung heißt, Kooperation gestalten
Im Zeitalter unternehmensübergreifender Projekte und Netzwerke, fließender Strukturen und hierarchieentbundener Gruppen lassen sich die Grenzen zwischen Führenden und Geführten nicht mehr so eindeutig ziehen. Die Führungskräfte verlieren an Einfluss und den Mitarbeitern fällt eine aktivere Rolle zu. Kooperation entscheidet heute darüber, wie effektiv und flexibel, innovativ und leistungsstark ein Unternehmen in seinen Märkten agieren kann. Der funktionale Kern, der Unternehmen zusammenhält, heißt künftig Kooperation. Das setzt eine Führung voraus, die unabhängige Leistungsträger unter einem gemeinsamen Ziel vernetzen kann.
Hierfür brauchen Führungskräfte die Akzeptanz ihrer Mitarbeiter. Ihre Autorität wird von den Mitarbeitern legitimiert. Und sie entspringt zunehmend ihrer Person, nicht Position. Alpha-Chefs, die sich primär über ihre Position und ihr Erfahrungswissen definieren, können die agilen, ungebundenen Leistungsträger der nachrückenden Generation nicht mehr für sich gewinnen. Denn die Mitarbeiter entscheiden zunehmend selbst, ob sie einer Person das Recht einräumen, sie zu führen. Sie entscheiden mit ihrer Initiative und Loyalität. Die Macht liegt bei den Mitarbeitern.
Mitarbeiter als Kooperationspartner
Die gute Nachricht ist: Den Willen zur Kooperation haben (fast) alle Mitarbeiter. Denn sie wollen einer Gemeinschaft angehören. Sie sind jedoch immer weniger bereit, hierfür ihre Integrität sowie individuellen Werte, Bedürfnisse und Ziele aufzugeben.
Früher mussten Menschen, um ihr Bedürfnis nach Gemeinschaft zu befriedigen, sich meist von außen vorgegebenen Werten und Regeln unterordnen – nicht nur als Arbeitnehmer. Diesen Anspruch und diese Erwartungshaltung haben auch heute noch viele mittelständische Unternehmenslenker. Für sie ist es ein Ausdruck von Charakterstärke, die eigenen Bedürfnisse bedingungslos beispielsweise den Vorgaben des Vorgesetzten oder den Zielen des Unternehmens unterzuordnen.
Diese Zeiten eines bedingungslosen Gehorsams beziehungsweise einer bedingungslosen Loyalität sind vorbei. Die Leistungsträger in der nachrückenden Generation wollen außer einem guten Einkommen Gestaltungsspielräume haben. Außerdem wollen sie Wachstum, Wertschätzung, Sicherheit und Fairness erfahren. Und sie wollen das Gefühl haben: Ich und das, was ich tue, haben eine Bedeutung.
Wer diese Werte auf Dauer verletzt, schöpft das Potenzial der Mitarbeiter nicht aus. Die Folgen sind spür-, aber nicht bilanzierbar: ein poröses Commitment, eine Überlastung von Führung und eine hohe Fluktuation. Denn die kommende Generation ist unabhängiger und zugleich anspruchsvoller. Erfüllt ein Arbeitgeber oder Tätigkeitsfeld ihre Erwartungen nicht, wechselt sie zum Wettbewerber.
(Bild: © Dmitry Vereshchagin – fotolia.de)
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