Kann man dem Gerede von Verkäufern wirklich Glauben schenken? Anders gefragt: wer nimmt es schon für bare Münze, wenn ein Verkäufer damit prahlt, dass das Produkt bei ihm am günstigsten sei, die längste Gewährleistung habe und mit dem umfangreichsten Zubehör ausgestattet sei? Eigentlich können Sie das alles tatsächlich glauben. Denn wenn der Verkäufer nicht die Wahrheit sagt, dann verstößt er gegen die Schwarze Klausel Nr. 19 des UWG.
„Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 3 sind…Nr. 19: …eine unwahre Angabe über die Marktbedingungen oder Bezugsquellen, um den Verbraucher dazu zu bewegen, eine Ware oder Dienstleistung zu weniger günstigen Bedingungen als den allgemeinen Marktbedingungen abzunehmen oder in Anspruch zu nehmen;“
Vertrauen wird geschützt
Das Verhältnis von Käufern zu Verkäufern ist ambivalent. Einerseits wollen Kunden vertrauensvoll beraten werden, damit sie eine richtige Kaufentscheidung treffen können. Andererseits haben sie im Hinterkopf, dass der Verkäufer ihnen nach Möglichkeit (irgendet)was verkaufen will – ist deshalb eine gemeinsame Vertrauensbasis unmöglich?
Woher weiß ich als Kunde, dass ein Verkäufer die Wahrheit sagt, wenn er behauptet, dass das Produkt in seinem Laden am günstigsten sei? Kann ich darauf vertrauen?
Die Schwarze Klausel Nr. 19 will dieses Vertrauen stärken, indem sie es bestraft, wenn der Verkäufer in solchen Fällen lügt. Behauptet also ein Verkäufer, dass das Produkt innerhalb der Stadtgrenzen nirgendwo billiger angeboten wird, damit der Kunde bei ihm kauft, und stimmt das nicht, dann verstößt er gegen die Schwarze Klausel. Das gilt aber auch bei unwahren Angaben über andere sog. Marktbedingungen wie Gewährleistungsfristen oder Serviceleistungen.
Mal wieder: die Lüge
Während das UWG im Text der Schwarzen Klausel von „unwahrer Angabe“ spricht, ist in der EG-Richtlinienvorlage von „sachlich falscher Information“ die Rede – gemeint ist selbstverständlich dasselbe: der Verkäufer sagt etwas oder gibt etwas an, das objektiv nicht richtig ist. Dies bedeutet, dass wiederum bloße Andeutungen des Verkäufers nicht ausreichen. Der Verkäufer muss ausdrücklich die Unwahrheit sagen.
Rechtlich problematisch ist es, ob der Verkäufer selbst wissen muss, dass er nicht die Wahrheit sagt. Die Formulierung der Klausel ist hier nicht eindeutig. Sie kann so gedeutet werden, dass die Aussage des Verkäufers lediglich objektiv unrichtig sein muss, d.h. der Verkäufer gar nicht wissen muss, dass er dem Kunden die Unwahrheit sagt. Somit könnte ein Verkäufer auch ohne Vorsatz gegen die Klausel verstoßen.
Die Klausel kann aber in diesem Punkt auch anders verstanden werden. Die Formulierung „[der Verkäufer muss den Kunden] dazu (..) bewegen, eine Ware oder Dienstleistung zu weniger günstigen Bedingungen als den allgemeinen Marktbedingungen abzunehmen oder in Anspruch zu nehmen“ kann so interpretiert werden, dass der Verkäufer – wovon regelmäßig auszugehen ist – sein Produkt verkaufen will und dieses Produkt von ihm zu „weniger günstigen Marktbedingungen“ angeboten wird – ohne dass dies dem Verkäufer bekannt ist.
Eine endgültige Entscheidung können letztlich nur die Gerichte bringen. Hier bleibt die Klausel somit noch unscharf. Allerdings spielt das Wissen des Verkäufers um die Unwahrheit seiner Aussage in jedem Fall bei der sog. Verkaufsabsicht doch noch eine entscheidende Rolle. Dazu gleich mehr.
Was sind Marktbedingungen?
Aus der Formulierung der Schwarzen Klausel ergibt sich, dass die Ware oder Dienstleistung offensichtlich in dem Geschäft zu ungünstigeren Marktbedingungen angeboten wird als anderswo. Dabei muss aber geklärt werden, was mit ungünstigeren Marktbedingungen überhaupt gemeint ist.
Die markanteste Marktbedingung ist der Preis bzw. die Preisspanne. Ist das Produkt somit teurer als anderswo, so ist dies eine ungünstigere Marktbedingung. Genauso können aber auch andere Aspekte des Produktes wie z.B. Serviceleistungen, besondere Garantien, verlängerte Gewährleistungsfristen oder die Ausstattung des Produkts von dem Begriff umfasst werden.
Neben den Marktbedingungen werden in der Vorschrift auch die sog. Bezugsquellen angesprochen. Damit ist schlichtweg der Ort gemeint, an dem das Produkt bezogen, d.h. erworben, werden kann. Wenn ein Verkäufer hierüber falsche Auskunft gibt, so verstößt er ebenfalls gegen die Klausel. So z.B. wenn er behauptet, dass es das Produkt sonst nirgendwo mehr gebe (Auslaufmodell, Lieferstopp o.ä.) bzw. nicht in einem gewissen Umkreis und dies nicht der Wahrheit entspricht.
Dahinter muss Absicht stecken
Grundsätzlich verstößt ein Verkäufer dennoch nur dann gegen die Schwarze Klausel Nr. 19, wenn er die unrichtigen Angaben macht, um dem Kunden das Produkt zu seinen eigenen, weniger günstigeren, d.h. schlechteren (Markt-)Bedingungen zu verkaufen. Ohne eine solche Absicht liegt an für sich kein Verstoß gegen die Vorschrift vor.
Allerdings kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass ein Verkäufer – dessen Ziel es ja grundsätzlich ist, seine Waren zu verkaufen – mit seiner bewusst unrichtigen Angabe erreichen will, dass der Kunde das Produkt kauft.
Anders kann es nur dann aussehen, wenn dem Verkäufer gar nicht bewusst ist, dass er dem Kunden gegenüber eine unwahre Angabe macht. Dann kann es sein, dass ihm die Absicht fehlt, dem Kunden das Produkt zu ungünstigeren Konditionen zu verkaufen. Denn es könnte sein, dass er selbst glaubt, dass seine Marktbedingungen günstig sind. Es kommt somit auf den Einzelfall an.
In einem kurzen Beispiel soll die Klausel noch einmal erläutert werden.
- Thorsten will sich endlich ein neues Notebook zulegen – ein schickes, kleines Netbook soll es sein. Dazu fährt er zum größten Elektronikfachmarkt der Gegend und lässt sich beraten.
- Der Angestellte zeigt ihm die neuesten Modelle und Thorsten verliebt sich gleich in ein aktuelles Modell eines asiatischen Herstellers, das zum Preis von 379 Euro zum Kauf angeboten wird.
- Ungefragt prahlt der Angestellte, der Kauf des Netbooks sei ein gutes Geschäft, da Thorsten es nirgendwo in der Umgebung so günstig bekommen könne wie dort. Mit der Aussage will er Thorsten endgültig zum Kauf des Netbooks bewegen.
Tatsächlich hat der kleine, aber feine und von seiner Stammkundschaft geschätzte Fachhändler Elektro Müller-Schulz das Netbook zum selben Preis im Verkauf.
Der Fall liegt ganz klar: der Angestellte des Elektronikfachmarkts (und damit der Elektronikfachmarkt) verstößt gegen die Schwarze Klausel Nr. 19. Denn die Information, die der Angestellte Thorsten gibt, ist falsch, da das Produkt ebenso günstig woanders erhältlich ist. Unerheblich ist, ob der Angestellte dies gewusst hat. Es kommt (wohl) nur darauf an, dass der Verkäufer den Kunden mit der Aussage zum Kauf seiner Produkte bewegen wollte.
Fazit
Die Schwarze Klausel Nr. 19 betrifft den Schutz des ambivalenten Vertrauensverhältnisses zwischen Kunden und Verkäufern. Lügt ein Verkäufer in Bezug auf die Marktbedingungen – insbesondere auf den Preis – bei einem Produkt, so können die Mitbewerber mit den Waffen des UWG dagegen angehen.
Ob allerdings die Mitbewerber – abgesehen von der Möglichkeit von Testkäufen – überhaupt von etwaigen Verstößen gegen die Klausel erfahren können, ist fraglich. Eventuell sind es die Verbraucher selbst, die die ebenfalls anspruchsberechtigten Verbraucherverbände einschalten müssen, damit Verstöße geahndet werden können.
Schlussendlich bleibt zudem abzusehen, ob sich nur verbal verbreitete Lügen beweisen lassen werden. Wahrscheinlicher ist, dass am Ende sich nur schriftliche Aussagen von Unternehmern wie Plakate und Verkaufsprospekte auf Verstöße hin überprüfen lassen – denn dort gibt es kein Beweisprobleme.
(Bild: © Butch – Fotolia.com)
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