Mit überhasteten Hauruck-Aktionen im Vertriebsbereich kommen Unternehmen beim Bewältigen der aktuellen Wirtschaftsflaute nicht weit. Davon ist der Vertriebstrainer und -berater Peter Schreiber, Ilsfeld, überzeugt. Nötig sei eine handfeste Unterstützung der Mitarbeiter bei ihren Vertriebsaufgaben. Bernhard Kuntz fragte nach.
Herr Schreiber, welche Trends beobachten Sie als Vertriebsberater in der aktuellen Wirtschaftssituation bei den Vertriebstrainings von Unternehmen?
Peter Schreiber: Für allgemeine, persönlichkeitsentwickelnde Seminare werden kaum noch Budgets bereitgestellt. Die Unternehmen erwarten von den Vertriebstrainings, dass sie ihren Mitarbeitern eine handfeste, operative Unterstützung beim Erreichen der Unternehmens-, Marketing- und Vertriebsziele bieten.
Stellt dies spezielle Anforderungen an die Berater und Trainer?
Peter Schreiber: Ja, gefragt sind erfahrene Praktiker und pragmatische Vertriebs-Coaches, die sowohl die Vertriebsstrategie der Unternehmen als auch das Tagesgeschäft der Vertriebsmitarbeiter verstehen und mit allen am Vertriebsprozess Beteiligten sofort umsetzbare Maßnahmen herausarbeiten können. „Lehrer“ und „Moderations-Künstler“ helfen den Unternehmen in Zeiten der Krise meist nicht weiter.
Entspricht die Ausbildung der Verkäufer den derzeitigen Markterfordernissen?
Peter Schreiber: Vielfach nicht. Alle Welt spricht zwar vom Lösungs-Verkauf, die meisten Hersteller von Industriegütern haben aber immer noch zu viele Technik-verliebte Produkt-Verkäufer. Dabei können die Anbieter heutzutage bei ihren Kunden nur landen, wenn sie ihnen Lösungen offerieren, die ihnen helfen, in ihrem Geschäft erfolgreicher zu sein. Für die Ausbildung der Verkäufer bedeutet dies: Sie müssen die Prozesse der Zielkunden kennen und verstehen, um sie optimieren zu können. Dies setzt gewisse persönliche und fachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten voraus – zum Beispiel ein analytisches und konzeptionelles Denken sowie betriebswirtschaftliches Know-how. Außerdem müssen die Vertriebsmitarbeiter die Methoden des strategischen Verkaufens kennen.
Wenn Unternehmen umstrukturieren, stellt man oft fest: Bevor sie einen Mitarbeiter entlassen und ihm eine hohe Abfindung bezahlen, stecken sie ihn in den Vertrieb. Kann das funktionieren?
Peter Schreiber: Ganz so krass habe ich das, Gott sei Dank, noch nicht erlebt. Fakt ist aber: Viele Unternehmen übertragen aktuell Mitarbeitern Vertriebsaufgaben oder vertriebsunterstützende Aufgaben, die damit noch wenig Erfahrung haben. So soll der Innendienst zum Beispiel verstärkt Termine für den Außendienst machen, Angebote nachfassen und bei der Auftragsbearbeitung telefonisch Zusatzverkäufe generieren. Oder die Monteure sollen aktiv Serviceleistungen und Wartungsverträge verkaufen. Grundsätzlich ist das eine prima Idee, wenn man es richtig angeht. Die Zauberformel heißt: Motivierend, pragmatisch und geduldig das „Wollen, Wissen, Können und Tun“ fördernd. Die Leute ins kalte Wasser werfen ist eher kontraproduktiv. Dahinter steckt teilweise noch die Denkweise: Verkaufen kann jeder. Dabei erfordert gerade der Investitionsgüterverkauf, der zumeist ein Projektverkauf ist, hochqualifizierte Spezialisten.
Viele Vertriebsmitarbeiter können sich bei Schönwetter im Markt behaupten, doch wenn ihnen der Wind rau ins Gesicht bläst, sind sie überfordert. Mit welchen Maßnahmen unterstützen die Firmen dann ihre Mitarbeiter?
Peter Schreiber: Schwarz-weiß gemalt gibt es zwei Lager. Das eine bilden die Unternehmen, die ihre Mitarbeiter schon immer planvoll unterstützt haben – nicht nur mit Seminaren, sondern auch mittels Workshops und Feld-Coachings, in denen gezielt die Fragen bearbeitet wurden: Wie erreichen wir unsere quantitativen und qualitative Ziele? Und: Wie können wir unsere Performance weiter steigern? Diese Firmen arbeiten weiterhin nach diesen Prinzipien. Sie passen ihr Handeln und Vorgehen lediglich der veränderten Marktlage an. Die andere Gruppe von Unternehmen wurde von den Marktveränderungen aufgescheucht und verfällt nun in eine operative Hektik. Nachdem sie bisher nur punktuell etwas für die verkäuferische Qualifikation und Motivation ihrer Mitarbeiter getan haben, suchen sie jetzt die schnelle Lösung, den schnellen Erfolg. Das heißt, sie starten zum Beispiel kurzfristig irgendwelche Schulungsmaßnahmen, um ihr Führungsgewissen zu beruhigen und die Grundlage für anschließende, firmeninterne Schuldzuweisungen zu schaffen, gemäß dem Motto: „Jetzt haben wir alles für euch getan, aber ihr seid nicht in der Lage …“. Häufig werden solche Nacht-und-Nebel-Aktionen auch noch mit unerreichbaren Incentives, Prämien, Boni oder anderen „Mitarbeiterbestechungsversuchen“ garniert.
Häufig hört man zur Zeit: Führungskräfte im Vertrieb sollten eine Vertriebscoach-Ausbildung absolvieren, damit sie ihre Mitarbeiter im Alltag optimal unterstützen können. Wie sehen Sie das?
Peter Schreiber: Ganz pragmatisch. Grundsätzlich ist eine qualifizierte Vertriebscoach-Ausbildung prima. Sie kann aber das Fehlen der erforderlichen sozialen Kompetenz und eines gesunden Menschenverstands nicht kompensieren. Es gibt unter den Verkaufsleitern Naturtalente und solche, denen eine qualifizierte Sales- oder Vertriebscoach-Ausbildung hilft, ihren Führungsjob gut zu machen. Manchen hilft aber auch eine solche Ausbildung nicht weiter.
Viele Sales-Coachs begleiten Verkäufer zu Kundengesprächen und geben ihnen danach ein Feedback. Erhöht dieses Training-on-the-job wirklich die verkäuferische Kompetenz?
Peter Schreiber: Wenn man es richtig macht: Ja. Hierfür muss das Coaching aber eine klare Zielsetzung haben, gut strukturiert und vorbereitet sein und gemäß der Maxime „hart aber herzlich“, also motivierend, partnerschaftlich und konstruktiv durchgeführt werden. Außerdem muss durch eine entsprechende Nachbearbeitung für die gewünschte Nachhaltigkeit gesorgt werden. Ein Coachen gemäß der Maxime „Fahren Sie mit dem mal raus und sagen Sie ihm, was er falsch macht …“ ist wenig Erfolg versprechend.
Herr Schreiber, danke für das Gespräch!
(Foto: © endostock – Fotolia.com)
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