„Der junge Alexander eroberte Indien. Er allein? Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?“, spottet Berthold Brecht in seinem bekannten Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“ über den Mythos großer Männer, die vorgeblich allein „Geschichte machen“.
Wendelin Wiedeking „rettete Porsche“; Jürgen Schrempp „schmiedete eine Welt AG“ und Maria-Elisabeth Schaeffler setzte zur Eroberung des weitaus größeren Automobilzulieferers Continental an – mit bekanntem Ausgang.
Wo aber sind die Helden, wenn man sie braucht? Könnte es sein, dass wir ausgerechnet jetzt mit unserer Nase direkt auf ein Problem gestoßen werden, dass uns zwingt, die Welt der Wirtschaft mit neuen Augen zu sehen.
Die Zukunft ist ungewiss. Ursachen, Wirkungen und Nebenwirkungen verdichten sich zu einem Wust an Problemstellungen, die der Einzelne kaum mehr durchschaut. Mit einem Wort: die Lage ist komplex. Das Zeitalter des „heroic leadership“ geht seinem Ende entgegen. Die Welt der Wirtschaft steht vor einem Paradigmenwechsel. Unternehmen müssen diesen Wandel verstehen lernen und daraus die richtigen Konsequenzen ziehen.
Unternehmensführung: Führung und Kooperation neu installieren
Was Unternehmen heute wirklich erfolgreich macht, ist der Mut, den „traditionellen“ Denkrahmen zu verlassen und neue Formen der Führung und Kooperation zu installieren. Google, Gore und Cisco sind solche Unternehmen. Wer sich mit dem Innenleben von Gore beschäftigt, der erfährt, dass dort Hierarchien nur temporär bestehen, dass Organisationseinheiten gezielt klein gehalten werden, dass die Gruppe und nicht das Individuum im Zentrum von Unternehmensprozessen steht und dass dessen Mitarbeiter nicht von ihren Linienvorgesetzten beauftragt werden, sondern freiwillig Aufgaben und auch Verantwortung für das Unternehmen übernehmen. Das Topmanagement muss umdenken. Dafür benötigt es Unterstützung.
Umdenken setzt Lernen voraus. Für die Gestaltung von Lernprozessen sind die Spezialisten aus den Bereichen der Personal- und Organisationsentwicklung zuständig. Diese arbeiten jedoch noch immer auf der Grundlage eines Bildungsbegriffs, der aus der Zeit der Aufklärung stammt. Der Bildungsbegriff der Aufklärung war das zentrale politische Projekt des damals neu entstehenden Bürgertums. Die Aufklärung begriff Bildung als einen Vorgang, in dessen Zentrum die Entwicklung der Person und die Ausgestaltung der Persönlichkeit stehen. Und zwar gegen den Absolutismus, die Bevormundung der Kirche und die mittelalterliche Standesgesellschaft, die dem Einzelnen das Recht absprach, von Geburt an frei und gleich zu sein.
Unternehmensführung: Effizienz und Leistungsfähigkeit
Die Ständeordnung des Mittelalters existiert heute nicht mehr. Heute liegt der Fokus darauf, Unternehmen zu befähigen, ihre Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit in einer globalen, wissensbasierten Weltgesellschaft zu organisieren. Doch auf diese Aufgabe ist die Personal- und Organisationsentwicklung schlecht vorbereitet. Was im Bereich der beruflichen Erwachsenenbildung fehlt, ist ein Bildungsbegriff, der sich an der Effizienz und Leistungsfähigkeit sozialer Hochleistungssysteme orientiert. Benötigt werden neue konzeptionelle Grundlagen, welche die Leistungsfähigkeit kollektiver wissensbasierter Expertensysteme zum Ausgangspunkt hat.
Jede x-beliebige Profi-Sportart kann inzwischen auf Konzepte und Trainingsmethoden zurückgreifen, die sich ausschließlich darauf konzentrieren, die spezifischen Anforderungen seiner „Athleten“ zu optimieren. Die freie Wirtschaft hingegen „trainiert“ ihre Beschäftigten noch immer auf dem Niveau pädagogischer Prämissen, die aus der Reformschul- und Kinderpädagogik der 1920er Jahre und aus dem Umgang mit psychisch kranken Menschen (klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie) stammt. Der Coaching-Boom der letzten Jahre führt nachdrücklich vor Augen, wie sehr die Experten dabei an der Vorstellung haften, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens hänge primär am Individuum.
Dass mit derartigen Qualifikationskonzepten Führungskräfte zu „Tennisspielern“ ausgebildet werden und sich anschließend alle darüber wundern, dass diese so schlecht „Fußball“ spielen, zeigt den Unfug, der entsteht, wenn man weder klärt, was man eigentlich benötigt, noch erklären kann, wozu man es denn braucht, wenn man es dann schließlich hat.
Unternehmen leiden im Augenblick weder an einem Mangel an Managementinstrumenten noch an einem Mangel an organisationaler Kreativität. Ihr Kernproblem ist eine kulturelle Deformation. Wirtschaftlicher Erfolg setzt weder klare Strukturen, noch fixe Hierarchien noch einen zwingend vorgegebenen Master-Plan voraus.
Wirtschaftlicher Erfolg benötigt jedoch unabdingbar kulturelle Praktiken der Kooperation, die sicher stellen, dass das Wissen und die Erfahrung aller Beschäftigten zur Lösung komplexer Probleme genutzt werden kann. Der Aufbau hochwertiger Kooperationsroutinen macht den Einsatz von Qualifikationsansätzen notwendig, die sich darauf konzentrieren, den Arbeitsalltag „zwischen“ den Akteuren im Unternehmen zu professionalisieren.
Unternehmensführung durch Kooperation
Unternehmen sind keine Maschinen, ihr Innenleben funktioniert nicht nach Plan. Ein Unternehmen stellt vielmehr einen lebendigen, sich selbst organisierenden sozialen Organismus dar. Der funktionale Kern, der diesen Organismus zusammenhält, heißt Kooperation, nicht Führung. Führungsaktivitäten ergänzen diesen funktionalen Kern – nicht mehr, nicht weniger. Zur Sicherung ihrer Überlebensfähigkeit benötigen Unternehmen nicht ein „Mehr“ an Führung. Sie benötigen ein „Mehr“ an Kooperation. Und zwar wesentlich mehr und bessere, weil effizientere und qualitativ hochwertigere Kooperationsroutinen, die sicherstellen, dass komplexen Problemstellungen adäquat – d.h. mit komplexen Kooperationsformen – begegnet werden kann.
Mitarbeiter kommen und gehen. Die Kultur eines Unternehmens bleibt. Meine These lautet, dass das Leistungsvermögen eines Unternehmens von den kulturellen Mustern getragen wird, die das Zusammenspiel der Beschäftigen bewusst wie unbewusst koordinieren. Weder die massenhafte Rekrutierung von High Potentials, noch die Individualbetreuung jedes einzelnen Managers wird an der Tatsache etwas verändern, dass die Qualität der Kooperationsroutinen, die an den Standorten eines Unternehmens dominieren, maßgeblich darüber entscheiden, wie effizient, flexibel, innovativ und leistungsstark ein Unternehmen in seinen Märkten agieren kann.
In einer globalen, wissensbasierten Wettbewerbsgesellschaft werden sich zukünftig jene Unternehmen durchsetzen, die in der Lage sind, dass Wissen, die Erfahrung und die Kreativität ihrer gesamten Mitarbeiterschaft konsequent zu nutzen.
(Das Buch zum Artikel: Erfolgreiche Kooperation in Unternehmen – Warum wir heute mehr brauchen als gute Führungskräfte)
(Bild: © Edyta Pawlowska – Fotolia.com)
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