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In vielen Verträgen mit ihren Vertragshändlern sichern sich Hersteller und Importeure mit vertraglichen Wettbewerbsverboten gegen Konkurrenten ab. Verstößt ein Vertragshändler allerdings gegen diese vertraglichen Pflichten, ist man gezwungen zu handeln, wenn man dies nicht tolerieren will.

Von Esther Wellhöfer

Der Bundesgerichtshof hat jetzt in einer Leitsatzentscheidung dazu Stellung bezogen, wie lange man für eine Reaktion auf den Vertragsverstoß Zeit hat. Ein japanischer Motorradhersteller hatte mit seinem Vertragshändler einen Händlervertrag abgeschlossen, in dem verankert war, dass der Händler Konkurrenzprodukte nur mit Zustimmung des Unternehmers verkaufen durfte. Der Vertrag sah eine ordentliche Kündigungsfrist von 18 Monaten zum Monatsende vor. Das Recht auf eine außerordentliche Kündigung sollte unberührt bleiben. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sollte insbesondere vorliegen, wenn eine der Vertragsparteien gegen wesentliche Vertragsbestimmungen verstößt.

Nachdem der Unternehmer vertraglich seine Zustimmung zum Vertrieb von Motorrädern erteilt hatte, wollte der Händler auch Motorroller vertreiben. Doch der Unternehmer lehnte das ab. Trotzdem teilte der Vertragshändler einige Zeit später schriftlich mit, dass er in sein Sortiment Motorroller aufgenommen habe. Daraufhin forderte der Unternehmer den Vertragshändler auf, unverzüglich die Roller aus dem Sortiment zu nehmen und drohte ihm die fristlose Kündigung an, sollte er sich weigern. Sodann erklärte sich der Händler bereit, den Verkauf einzustellen, wollte aber noch den Restbestand an Motorrollern bis zum Jahresende veräußern. Damit erklärte sich der Unternehmer einverstanden.

Anfang Juni des Folgejahres stellte der Unternehmer fest, dass der Vertragshändler auf seinem Betriebsgelände immer noch Motorroller anbot. Er setzte dem Händler eine Frist, bis wann er den Vertrieb der Roller einzustellen habe, und drohte ihm andernfalls die außerordentliche Kündigung an. Nach Ablauf der Frist kündigte der Unternehmer den Händlervertrag außerordentlich. Doch die fristlose Kündigung wollte der Händler nicht anerkennen und zog vor Gericht.

Letztlich musste der Bundesgerichtshof entscheiden, ob der Vertrag außerordentlich oder – infolge der monatelangen Nichtreaktion des Unternehmers auf den Vertragsverstoß – ordentlich gekündigt worden war. Für Händlerverträge gilt der auch auf Handelsvertreterverträge anwendbare § 89a Handelsgesetzbuch (HGB) entsprechend. Der Vertragsverstoß ist ein wichtiger Grund zur Beendigung des Vertragsverhältnisses. Allerdings muss eine außerordentliche Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntnis des Kündigungsgrundes erfolgen.

Nach Ansicht der Karlsruher Richter muss dem Kündigungsberechtigten eine angemessene Überlegungsfrist eingeräumt werden. Wie lange sie ist, richtet sich nach dem jeweiligen Einzelfall. In aller Regel ist diese Frist kürzer als zwei Monate. Doch obwohl diese Zweimonatsfrist im vorliegenden Fall überschritten war, bestätigte der BGH die Rechtmäßigkeit der außerordentlichen Kündigung. Denn gegen den Händler war bereits zuvor eine Abmahnung ausgesprochen worden. Daher durfte der Vertragshändler nicht mehr darauf vertrauen, dass der Vertragsverstoß vom Unternehmer hingenommen wird.

(BGH, Urteil v. 29.06.2011, Az.: VIII ZR 212/08)

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