In den vergangenen Jahren ist eine ganze Reihe von berühmten deutschen Familien- und Traditionsunternehmen in Schwierigkeiten geraten, die Insolvenz war für viele der letzte Ausweg. Eine Chronologie der spektakulärsten Firmenzusammenbrüche.
Von Unternehmer.de-Reporterin Linda Csapo
März 2002
Die 1849 gegründete Philipp Holzmann AG meldet Insolvenz an. Zuvor hatte sich Holzmann über Jahrzehnte hinweg als das größte deutsche Bauunternehmen im In- und Ausland behaupten können: Der Konzern setzte in den 90er Jahren bis zu 13 Milliarden DM pro Jahr um und beschäftigte weltweit 43.000 Mitarbeiter. Das Aus für den global player wurde durch Missmanagement bei Zukäufen und Projektentwicklungen herbeigeführt, Milliarden wurden in den Sand gesetzt. Noch zwei Jahre vor der Insolvenz hatte es unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder einen ebenso medienwirksamen wie vergeblichen Rettungsversuch mit Bürgschaften und Darlehen in Höhe von 128 Millionen Euro gegeben. Ein Großteil der 11.000 in Deutschland beschäftigten Holzmann-Mitarbeiter konnte jedoch bei anderen Firmen untergebracht werden.
April 2002
Der Regionalflugzeughersteller Fairchild Dornier stürzt ab: Das 1922 von Luftfahrt-Pionier Claude Dornier gegründete Unternehmen scheitert an der Krise, von der die gesamte Luftfahrt nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ergriffen worden ist. Entwicklungskosten in Milliardenhöhe können nicht mehr gedeckt werden, die Insolvenz ist unabwendbar. 3.600 Mitarbeiter werden entlassen. Ende 2009 soll jedoch unter der Leitung der Schweizer Firma RUAG die Fertigung der Traditionsflugzeuge in Oberpfaffenhofen wieder aufgenommen werden.
Juni 2002
83 Jahre nach seiner Gründung ist das größte deutsche Photohaus am Ende: Photo Porst muss trotz zügigen Ausbaus der Ladenkette durch Franchisepartner nach mehreren Eigentümerwechseln Insolvenz beantragen. Es hatte den digitalen Umbruch in der Fotografie verschlafen. Das Nürnberger Unternehmen wird zerschlagen, die Namensrechte gehen an die Ringfoto Gruppe, die Rechte für das Bildgeschäft werden von Kodak übernommen.
April 2003
Das Ende nach 60 Jahren Firmengeschichte: Der strauchelnde Elektronikkonzern Grundig muss aufgeben. Ende der 1980er Jahre beschäftigte die Grundig AG noch über 28.000 Mitarbeiter, 2003 nur noch rund 3.500. Die Verhandlungen um einen potentiellen Investor scheitern deshalb nicht zuletzt auch an den hohen Pensionsbelastungen. Unter der unvermeidlichen Zerschlagung des Konzerns und dem Verlust Tausender Arbeitsplätze leidet die Region Nürnberg/Fürth noch heute – „Es darf kein zweites Grundig geben“ wurde somit auch zur Kampfansage des Fürther Oberbürgermeisters Thomas Jung zum Erhalt von Quelle.
Juli 2008
Lichter aus bei Hertie: Die 1882 gegründete und zuletzt zu Karstadt gehörende Warenhauskette meldet Insolvenz an. Im August 2009 schließen die letzten Filialen, rund 2600 Mitarbeiter verlieren dabei ihren Arbeitsplatz. Hertie war zuvor von britischen Investoren übernommen worden – die Finanzschwierigkeiten des neuen Eigentümers besiegeln das Aus.
Januar 2009
Ebenfalls von der britischen Muttergesellschaft mitgerissen wird die 1879 gegründete oberfränkische Porzellanmanufaktur Rosenthal: Ab 1997 mehrheitlich zu Waterford Wedgewood gehörend, steht Rosenthal nach dem Zusammenbruch des britisch-irischen Konzerns seinerseits vor der Zahlungsunfähigkeit. Im Juli 2009 erfolgt jedoch die Rettung: Besteckhersteller Sambonet Paderno übernimmt Rosenthal. Als eigenständiges Unternehmen innerhalb des italienischen Konzerns beschäftigt Rosenthal heute rund 1.200 Mitarbeiter, davon ca. 1.000 in Deutschland. Im Zuge der Insolvenz wurden jedoch 600 Arbeitsplätze abgebaut.
Februar 2009
Aus für den Modelleisenbahn-Hersteller Märklin: Das Insolvenzverfahren wird ausgerechnet zum 150. Firmenjubiläum eröffnet, nachdem Verhandlungen über Kreditverlängerungen gescheitert waren. Derzeit führt Insolvenzverwalter Michael Pluta die Geschäfte des Unternehmens fort – die wirtschaftliche Lage Märklins hat sich seitdem deutlich entspannt, der geplante Jahresumsatz von 120 Millionen Euro werde 2009 erreicht. Märklin beschäftigt derzeit 1.000 Mitarbeiter, 400 weniger als vor der Insolvenz.
Februar 2009
Der größte deutsche Unterwäschehersteller steht zum Verkauf: Schiesser, seit 1875 bekannt für Feinripp, Nacht- und zuletzt auch Sportbekleidung, verkalkuliert sich bei Lizenzgeschäften und geht in die Insolvenz. Bis zum Frühjahr 2010 soll der Verkauf abgeschlossen werden. Unter den derzeit 25 Interessenten ist auch Modedesigner Wolfgang Joop.
April 2009
Auch Woolworth Deutschland kann sich nicht länger halten: Umsatzrückgänge und ein harter Konkurrenzkampf führen zur Zahlungsunfähigkeit der Billigkaufhaus-Kette. Für 100 der insgesamt 310 Filialen sind mittlerweile Käufer gefunden worden, 40 weitere sollen noch diesen Herbst folgen. Insolvenzverwalter Ottmar Herrman will 160 weitere mittelgroße Filialen zunächst in einer neuen Woolworth GmbH fortführen, bevor sie nach der Sanierung ebenfalls zum Verkauf stehen sollen.
Lesen Sie mehr über den tiefen Fall von Quelle im Unternehmer.de-Dossier:
Quelle-Pleite: Nürnberg in Nöten
Quelle: „Zwei Kranke ergeben gemeinsam keinen Gesunden“
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(Bild: © Herbie – Fotolia.com)
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