Social Commerce wird zu einem zunehmend wichtigeren Thema im Bereich des Online-Handels. Die Interaktion mit und die Aktivitäten der Kunden ist dabei entscheidend. Unternehmer.de hat mit Christian Otto Grötsch ein Interview zu diesem Thema geführt und ihn unter anderem danach gefragt, wie man Social Commerce als Online-Shopbetreiber nutzen kann, um Kunden zu generieren und binden.
Unternehmer.de: Für alle, die neu in diesem Thema sind: Was ist der Unterschied zwischen E-Commerce, Social Media und Social Commerce?
C. O. Grötsch: Im klassischen E-Commerce suchen Kunden mit einem konkreten Kaufinteresse zielgerichtet nach bestimmten Produkten. Das heißt E-Commerce ist produktfokussiert und bedarfsdeckend. Social Commerce ist im Gegensatz dazu eher menschfokussiert und bedarfsweckend. Hier stehen Nutzer und deren Aktivitäten z.B. als Produzenten im Vordergrund. Onlineshops mit dieser sozialen Ausrichtung begreifen sich als Plattform und binden ihre Kunden stärker in die Unternehmensprozesse mit ein. Es geht um Austausch, Beratung und Emotionen, um Spaß und Teilhabe.
Solche Social-Commere-Plattformen sind stammkundenorientiert, besitzen eine höhere Wiederkaufrate und befinden sich eher nicht im Reichweiten-Wettbewerb mit anderen Shops, die sich von Google abhängig machen. Das Thema Social Media ist jedoch für beide Wege (E-Commerce und Social Commerce) interessant, da mithilfe von Social Media auch Kaufimpulse gefördert werden können wie über Facebook, Produktbewertungen und andere vergleichbare Funktionen. User Generated Content und SEO flankieren sich da gegenseitig.
Unternehmer.de: Social Commerce hat in Deutschland noch nicht so viel Aufmerksamkeit wie beispielsweise in den USA. Woran könnte das liegen?
C. O. Grötsch: Das hat einige Ursachen. Zum einen liegt das daran, dass Onlinehändler hierzulande noch immer ihre Bemühungen auf die Neukunden-Akquirierung konzentrieren, anstatt sich des immer stärker wachsenden Bereichs der Wiederholungskäufer und Vielbesteller anzunehmen. Es wird lediglich registriert, dass sich die Kauffrequenz im Onlinebereich stetig erhöht, allerdings reagieren die wenigsten adäquat auf diese Entwicklung. Es fehlt hierzulande also vor allem noch an neuartigen Verkaufskonzepten und Experimenten, die ernsthaft verfolgt werden.
Zum anderen sind die Erwartungen noch extrem hoch: Der Bereich Social Commerce steht noch immer ganz am Anfang und wird erst jetzt durch Facebook angefacht. 2009 begann die Phase der sozialen Besiedlung in einer neuen Größenordnung im Netz, 2010 die Phase des sozialen Kontextes, in der Webseiten personalisierten Inhalt (und Erfahrungen anderer) ihren Besuchern aushändigen. Diese Phasen dauern noch immer an. Die Phase des Social Commerce beginnt nun langsam und wird in 1-2 Jahren schon viel weiter sein. Des Weiteren gibt es auch hierzulande schon sehr interessante Gehversuche. Meist sind es Startups und Gründer, die hier vor gestandenen Händlern mutig voranschreiten.
Unternehmer.de: Stimmt! Es entstehen auch immer mehr Online-Shops im Internet. Wie kann Social Commerce Online-Shops dabei helfen, Kunden zu generieren und zu binden?
C. O. Grötsch: Man muss sich nur Erfolgsbeispiele wie Etsy oder threadless anschauen, um zu verstehen, dass das klassische Online-Shop-Verständnis in bestimmten Bereichen nicht mehr mit den anstehenden Veränderungen mithalten wird. Im Social Commerce geht es um die Interaktionen und die Aktivitäten der Kunden – und das vereinigt sich eben in stammkundenorientierten Konzepten, die mit einer authentischen Ansprache und Mitmachmechanismen bei Kunden Bedürfnisse wecken (bedarfsweckend) und ihnen die Möglichkeiten geben, sich zu entfalten, sich untereinander auszutauschen, sich zu vernetzen und etwas davon zu haben. Es geht eben nicht mehr um zielgerichtete Produktsuche, die man mit Google steuern kann. Es ist eine neuartige Herausforderung. Social Commerce ist nicht nur eine funktionale Geschichte mit tollen Features, sondern auch eine konzeptionelle. Von daher ist Social Commerce nicht für alle Shops oder Produktarten geeignet.
Unternehmer.de: Und wie verhindert man, dass sich ein Nutzer/Käufer gegen ein Produkt oder einen Shop richtet? Und was tut man in einem solchen Fall?
C. O. Grötsch: Das ist eine Frage des Community-Managements. Wenn sich ein Nutzer gegen ein Produkt richtet oder gegen einen Shop, kann man dagegen auch nichts unternehmen. Von Zensur ist abzuraten, deswegen sollte man offen den Dialog suchen und herausfinden, was das Problem beim entsprechenden Kunden ist. Wenn es konstruktive Kritik ist, dann ist das für das Unternehmen kostenloser Mehrwert, eine Feedback-Möglichkeit. Deswegen sollte man, soweit die Toleranz es zulässt, auch auf den Ärger der Kunden eingehen. Social Commerce beinhaltet ja nicht nur die Begeisterung der Kunden, sondern auch das offene Management der Bauchschmerzen.
Unternehmer.de: Welche Fallen und Missverständnisse gibt es beim Thema Social Commerce?
C. O. Grötsch: Das größte Missverständnis meiner Meinung nach ist die Formel E-Commerce+Social Media = Social Commerce: Man nehme ein Produkt und pflastert es mit bunten Funktionen zu und baut den Facebook-Like-Button an. Das ist zu kurz gedacht, aber leider oftmals noch die Grundlage, wenn man sich über Social Commerce austauscht. Social-Commerce-Plattformen wie Etsy oder threadless haben nichts mit dem klassischen Verständnis eines Onlineshops gemein. Es sind radikale Konzepte, nutzergetriebene Geschäftsmodelle, die ohne ihre Kunden und deren Aktivitäten kein Business hätten. Denen geht es – anders als E-Commerce- Projekten – nicht um Traffic, Konversion oder Bestellgrößen, sondern um Mitwirkung, Monetarisierung und Viralität.
Unternehmer.de: Welche Konzepte im Social Commerce gefallen Ihnen derzeit besonders gut?
C. O. Grötsch: Community-orientierte Konzepte, Crowdsourcing, teilweise Mass Customization, aber auch neue Ansätze, die sich im Fashionbereich weiter entwickeln, z.B. Stylight, sind spannende Experimente, denen wir Beachtung schenken.
Unternehmer.de: Vielen Dank für das nette Gespräch, Herr Grötsch!
(Bild: © iStockphoto.com)
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