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Auch Führungskräfte haben blinde Flecken. Folglich benötigen sie oft zunächst ein Feedback ihres Umfelds, wenn sie ihr Verhalten verändern möchten. Das haben viele Unternehmen erkannt. Deshalb nutzen sie das 360°-Feedback als Analyse- und Feedbackinstrument – nicht nur für ihre Führungskräfte- und Managemententwicklung.

Was kann ich gut und was weniger gut? Erziele ich mit meinem Verhalten die gewünschte Wirkung? Das wissen Führungskräfte oft nicht. Darum fällt es ihnen schwer, ihr Führungsverhalten gezielt zu verbessern. Deshalb haben zahlreiche Unternehmen in ihrer Organisation das sogenannte 360°-Feedback eingeführt, bei dem Führungskräfte von ihren Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kollegen sowie zuweilen auch Kunden und Lieferanten eine Rückmeldung über ihr (Führungs-)Verhalten erhalten.

Dieses Analysetool hat sich als Instrument der Personal-, Organisations- und Managemententwicklung etabliert. Denn eine zentrale Aufgabe von Führungskräften ist es, sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiter effektiv (zusammen-)arbeiten; des Weiteren, dass die Zusammenarbeit mit den anderen Bereichen im Unternehmen funktioniert. Führungskräfte erhalten in ihrem Arbeitsalltag aber nur selten eine Rückmeldung, inwieweit sie diese Aufgaben adäquat wahrnehmen. Entsprechend schwer fällt es ihnen oft, sofern nötig, ihr Verhalten gezielt zu verändern. Dieses Manko soll durch das 360°-Feedback unter anderem behoben werden.

Ziel des 360°-Feedbacks: Gewünschte Entwicklungen anstoßen

Dabei gilt es jedoch festzuhalten: Das 360°-Feedback ist nur ein Instrument. Es ist ein Werkzeug, um personale und organisationale Entwicklungsprozesse zu flankieren. Deshalb wird es von den Unternehmen zumeist anlassbezogen eingesetzt. Mit seinem Einsatz sind also konkrete Entwicklungsziele verbunden.

Hierfür ein Beispiel: Vor einigen Jahren erkannte ein Energieversorgungsunternehmen, dass sich aufgrund der Liberalisierung des Energiemarktes seine Struktur und (Führungs-)Kultur verändern muss. Also startete es ein Spirit genanntes Personal- und Organisationsentwicklungsprogramm. Dieses zielte unter anderem darauf ab, die Dienstleistungsmentalität und bereichsübergreifende Zusammenarbeit im Gesamtunternehmen zu verstärken.

Den Verantwortlichen war klar: Ob wir diese Ziele erreichen, hängt vor allem davon ab, inwieweit auch die Führungskräfte ihr Verhalten ändern. Deshalb entwickelte das Unternehmen auch neue Führungsleitlinien. Bereits aufgrund des mit dem Entwickeln der neuen Leitlinien verbundenen Diskussionsprozesses veränderte sich das Selbstverständnis der Führungskräfte. Das bedeutete aber noch nicht, dass diese nun alle das gewünschte Führungsverhalten zeigten.

Deshalb gelangte die Unternehmensleitung zur Erkenntnis: Wir brauchen ein Instrument, das unseren Führungskräften eine dokumentierte Rückmeldung über ihr Verhalten gibt. Also führte sie ein regelmäßiges Management-Audit auf Basis eines 360°-Feedbacks ein. Bei diesen im zwei Jahres-Rhythmus stattfindenden Audits erhalten die Führungskräfte stets von mehreren Personengruppen eine (schriftliche) Rückmeldung über ihr (Führungs-)Verhalten – und zwar von ihren Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten.

360°-Feedback: Ein Förder- und kein Auswahlinstrument

Der Energiekonzern nutzt das 360°-Feedback also als Personal- und Organisationsentwicklungsinstrument – jedoch nicht als Beurteilungsinstrument. Und dies obwohl bei der Befragung durchaus auch das Verhalten der Führungskräfte bewertet wird. Anders als bei Beurteilungsgesprächen haben die Ergebnisse des 360°-Feedbacks aber keine Auswirkungen auf die Entlohnung und die berufliche Entwicklung.

Dies ist schon deshalb nicht möglich, weil die Feedback-Ergebnisse weder den Vorgesetzten der beurteilten Führungskräfte noch der Personalabteilung mitgeteilt werden. Ebenso ist es in fast allen Unternehmen, die das Instrument 360°-Feedback für die Führungskräfteentwicklung nutzen. Zumeist erhalten das Top-Management und Personalabteilung nur einen Gesamtbericht, in dem die Ergebnisse der einzelnen Items und Fragen kumuliert dargestellt sind. Hieraus können sie dann ersehen, wie stark die einzelnen Management-Skills in ihrer Organisation ausgeprägt sind, wo noch Defizite bestehen und welche Fördermaßnahmen angeboten werden sollten.

Dass die zugesicherte Anonymität gewahrt bleibt, ist wichtig. Denn sonst wird das Instrument oft nicht akzeptiert – zumindest bei mehrere Hierarchieebenen übergreifenden Entwicklungsmaßnahmen. Das heißt, die Mitarbeiter weigern sich entweder die Fragebogen auszufüllen oder geben in ihnen geschönte Antworten. Und die Führungskräfte? Sie üben auf die Mitarbeiter einen subtilen Druck aus, sie möglichst positiv zu bewerten – zumindest dann, wenn vom Ergebnis auch ihre Bezahlung und ihr berufliches Fortkommen abhängt. Deshalb muss beim Konzipieren des Verfahrens darauf geachtet werden, dass die Anonymität gewahrt bleibt.

Im zweiten Teil des Artikel erfahren Sie u.a. mehr über Situationen, in denen zu viel Geheimhaltung sich eher kontraproduktiv auswirkt und wie man mit Hilfe des 360°-Feedbacks Entwicklungsprozesse anstoßen und steuern kann.

Weitere Artikel dieser Serie:

360°-Feedback: Verbessern Sie Ihr Führungsverhalten! (Teil II)

(Bild: © shockfactor – Fotolia.com)

Hans-Jörg Schumacher

Hans-Jörg Schumacher (1958) arbeitet als Managementberater und -trainer für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Diese hat ein eigenes K360° genanntes computergestütztes Tool entwickelt, mit dem Unternehmen den Einsatz des 360°-Feedback in ihrer Organisation planen und durchführen können. (E-Mail: hansjoerg.schumacher@kraus-und-partner.de Tel.: 07251/989034).

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