Skip to main content

Marktanalysen sind ein probates Mittel zur Messung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Aber Vorsicht! Einfache Wettbewerbsvergleiche können auch falsche Handlungsempfehlungen suggerieren.

Wie es dazu kommen kann, verdeutlicht ein einfaches, fast frei erfundenes Beispiel:

Ein Metall verarbeitender Zulieferer der Automobilindustrie beauftragt ein Marktforschungsunternehmen mit der Durchführung einer Wettbewerbsanalyse. Alles läuft wie es soll. Die Marktforscher führen gute Gespräche mit bestehenden und potenziellen Kunden und der Ergebnisbericht beinhaltet vieles was man von einer solchen Analyse erwarten darf: Zahlreiche Stärken-Schwächen-Profile mit entsprechenden Interpretationen und direkten Wettbewerbsvergleichen. Ebenso liefert der Bericht gute Detailauswertungen für wichtige Leistungskriterien wie Produktqualität, Verpackung oder Lieferflexibilität.

Der Geschäftsführer des Unternehmens betrachtet die Ergebnisse genau. Er sucht nach Ansätzen zur Leistungsverbesserung und erhofft sich wichtige Hinweise für die Prioritäten der nächsten Monate.

Beim Durchblättern des Berichts stellt er mit Erleichterung fest, dass sein Unternehmen in vielen Bereichen besser abschneidet als der Wettbewerb, die Gesellschafter werden zufrieden sein. Trotzdem: irgendwie hat er das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Als ob ihn die Studie in falsche Sicherheit wiegen möchte.

Einfache Wettbewerbsvergleiche verleiten zu Fehlinterpretationen!

Im Rahmen der Studie wurden Kunden, genauer gesagt die Einkaufs- und Produktionsleiter gebeten die Lieferflexibilität ihrer Zulieferer einzuschätzen. Ein besonders wichtiges Kriterium in der Lieferantenauswahl, wenn nicht sogar das wichtigste überhaupt. Umso erfreulicher das Ergebnis für unseren Geschäftsführer: Sein Unternehmen schneidet auch in diesem Kriterium wesentlich besser ab als der Wettbewerb. Einzig beim ebenfalls wichtigen Kriterium „Produktverpackung“ bemerkt er einen relativ deutlichen Wettbewerbsrückstand – siehe Abbildung 1.

Abbildung 1: Ein Wettbewerbsvergleich zeigt relative Stärken in der Lieferflexibilität, hingegen einen relativen Wettbewerbsnachteil im Bereich Produktverpackung. Wo aber liegt der dringendste Handlungsbedarf?

Welche Schlüsse darf der Geschäftsführer aus den Informationen aus Abbildung 1 ziehen? Welche Prioritäten soll er setzen? Was ist dringender: die weitere Stärkung des Wettbewerbsvorteils hinsichtlich Lieferflexibilität oder die Beseitigungen der Schwächen in der Produktverpackung?

Die bisher vorhandenen Studienergebnisse suggerieren folgende Schlussfolgerungen:

Priorität 1: Produktverpackung Rasche Beseitigung des Wettbewerbsnachteils. Verbesserung der Verpackungsqualität.

Priorität 2: Lieferflexibilität Halten des bestehenden Wettbewerbsvorsprungs. Laufende Optimierung wie bisher, mittelfristig besteht kein dringender Handlungsbedarf.

Warum genau diese Schlussfolgerungen falsch sein können, soll im Folgenden gezeigt werden:

Ein reiner Wettbewerbsvergleich gibt keine klaren Hinweise über notwendige Verbesserungsmaßnahmen. Noch weniger können Handlungsprioritäten verlässlich abgeleitet werden.

Auf die Kundenerwartungen kommt es an!

Zufriedene Kunden bekommt man nicht zwangsläufig indem man besser ist als der Wettbewerb. Entscheidender ist vielmehr die Frage, ob es dem Unternehmen gelingt die konkreten Erwartungen der Kunden zu erfüllen oder nicht. Werden diese nicht erfüllt, wird sich der Kunde schnell nach Alternativen umsehen. Erst wenn es gelingt, den konkreten Erwartungen der Kunden zu entsprechen oder diese sogar zu übertreffen, wächst die Chance einer erhöhten Kundenbindung.

Aber was besagt ein reiner Wettbewerbsvergleich über die aktuelle Kundenzufriedenheit? Gar nichts! Ein Wettbewerbsvergleich liefert lediglich Informationen über das relative Leistungsniveau. Mehr nicht. Wie zufrieden die Kunden wirklich sind, bleibt vorerst im Dunklen. Aber genau das muss in Erfahrung gebracht werden, um die richtigen Managementmaßnahmen ableiten zu können.

Weitere Artikel dieser Serie:

Wettbewerbsanalyse: Wie Wettbewerbsstudien in die Irre führen können (Teil II)

(Bild: © Sean Gladwell – Fotolia.com)

Michael Radner

Mag. Michael Radner ist selbständiger Markenstratege mit Sitz in Innsbruck (Tirol). Er betreut unter seinem Label brandpi engagierte Unternehmer in der strategischen wie operativen Entwicklung ihrer Unternehmen und Marken. Mehr dazu unter: www.brandpi.at

Der Artikel hat dir gefallen? Gib uns einen Kaffee aus!

Leave a Reply