Personal abbauen – vor dieser Herausforderung wird in den kommenden Monaten eine wachsende Zahl von Unternehmen stehen. Darunter werden am meisten die gekündigten Mitarbeiter leiden. Aber auch auf die Personen, die im Unternehmen verbleiben, kommt eine emotionale und reale Mehrbelastung zu – ganz gleich, welche Funktion sie im Unternehmen haben.
„Hoffentlich ist die Wirtschaftskrise in einigen Monaten vorüber – zumindest insoweit, dass wieder neue Aufträge hiereinkommen und wir unser Personal auslasten können; des Weiteren, dass in absehbarer Zeit wieder Geld in die Firmenkasse fließt.“
Dieses Stoßgebet senden zur Zeit viele Unternehmensführer gen Himmel. Denn sie wissen: Wenn nicht bald frisches Geld in die Kasse kommt, können wir unsere Mitarbeiter nur noch für eine begrenzte Zeit halten – auch diejenigen, die aktuell in Kurzarbeit sind. Dann müssen wir wohl oder übel Personal abbauen.
Diese Entscheidung trifft kein Unternehmensführer gern. Auch weil er weiß: Mit dieser Entscheidung kommt auf mich und das Unternehmen zunächst einmal eine hohe Mehrbelastung zu. Dies gilt aber auch für alle anderen mehr oder minder stark betroffenen Personen – selbst wenn sie nicht zu den Gekündigten zählen.
Entsprechend nützlich ist es im Vorfeld einer solchen Entscheidung, sich die daraus resultierende Mehrbelastung bewusst zu machen. Denn dies hilft, Fehler zu vermeiden.
1. Die Entscheider: Sie tragen die Verantwortung
Der Vorstand oder die Geschäftsleitung trifft die Entscheidung zum Personalabbau. Die Entscheider sind aber zumindest in Großunternehmen meist nicht in das operative Umsetzen des Personalabbaus involviert. Sie tragen aber die Verantwortung für den Erfolg der Maßnahme.
Mit ihr sind viele Gefahren verbunden. Zum Beispiel:
- Allgemeine Unruhe und Demotivation in der Belegschaft,
- Fluktuation der Leistungsträger,
- erhöhter Krankenstand,
- Schäden am Unternehmens- und Markenimage.
Also sollten die Entscheider im Vorfeld abwägen: Ist der Personalabbau wirklich unumgänglich? Und: Ist der durch den Personalabbau erzielte Gewinn größer als der Schaden?
Führt am Personalabbau kein Weg vorbei, sollten die Entscheider folgende Maximen beachten:
- Offen kommunizieren: Der Vorstand oder die Geschäftsleitung sollte den Mitarbeitern die Gründe, die Ziele und den geplanten Ablauf des Revirements darlegen.
- Schnell handeln: Nach der Information der Belegschaft existiert ein „Window of Opportunity“ von etwa drei Monaten. In dieser Zeit werden Veränderungen am ehesten akzeptiert.
- Hängepartien vermeiden: Die Belegschaft durchläuft nach der Ankündigung des Personalabbaus emotional ein tiefes Tal. Diese Situation muss schnell überwunden und der Blick wieder nach vorne gerichtet werden.
- Den Personalabbau fair und sozialverträglich gestalten: Dies hilft versteckte Kosten, beispielweise aufgrund einer gesunkenen Arbeitsmoral und juristischer Auseinandersetzungen, zu vermeiden.
- Einzelgespräche mit Leistungsträgern führen: Ihnen sollten ihre Perspektiven im Unternehmen verdeutlicht werden, um ein Abwandern zu verhindern.
2. Die „Vollstrecker“: Sie führen die Maßnahme durch
Den Personen, die den Personalabbaubeschluss umsetzen, wird meist (zu) wenig Beachtung geschenkt. Dabei benötigen sie oft Unterstützung. Denn sie stehen an der emotionalen Front.
Die Situation der „Vollstrecker“ ist durch die folgenden Faktoren gekennzeichnet:
- eine hohe Arbeitsbelastung aufgrund zusätzlicher Aufgaben (Trennungsgespräche führen, Aufhebungsverträge abschließen, Arbeitszeugnisse verfassen…) und
- einen hohen emotionalen Stress wegen der unmittelbaren Auseinandersetzung mit den betroffenen Mitarbeitern
Mit dieser Situation umzugehen, fällt vielen Führungskräften und Mitarbeitern der Personalbereiche schwer, weil sie auf die Aufgabe Personalabbau schlecht vorbereitet sind.
Hinzu kommt: Sie durchleben ein Wechselbad der Gefühle. Sie empfinden Mitgefühl mit den Betroffenen; zudem befürchten sie oft selbst, mittelfristig arbeitslos zu werden. Denn wenn die Zahl der Mitarbeiter sinkt, sinkt auch der Bedarf an Führungskräften und Personalfachleuten.
Diese Bedenken und Ängste dürfen die Personaler aber nicht zeigen. Hierfür fehlt ihnen firmenintern oft auch ein Gesprächspartner. Dies erhöht ihren inneren Druck. Erleichterung kann den „Vollstreckern“ zum Beispiel ein Coaching durch externe Berater bringen.
3. Die Gekündigten: Sie müssen gehen
Wenn ein Personalabbau angekündigt wird, verfolgen die Mitarbeiter oft zunächst die „Vogel-Strauß-Taktik“. Sie gehen in Deckung und hoffen, dass der Krug an ihnen vorüber gehen möge. Steht fest, wer das Unternehmen verlassen muss, spaltet sich die Belegschaft in Betroffene und Nicht-Betroffene.
Auf die Mitteilung ihrer Kündigung reagieren die Betroffenen unterschiedlich. Es gibt
- den Gefassten, der wenig Emotion zeigt,
- den Geschockten, der Mitleid erregt,
- den Hysterischen, der emotional diskutiert,
- den Verhandler, der rational das Gespräch sucht,
- den Zyniker, der schon immer alles kommen sehen hat und weiß, wer daran schuld ist,
- und den Bettler, der mit seinen Unterhaltsverpflichtungen und seiner Loyalität argumentiert.
Nach diesen ersten Reaktionen suchen die meisten Betroffenen Hilfe beim Betriebsrat, der Gewerkschaft und/oder einem Rechtsanwalt. In dieser Phase tritt die Leistungserstellung in den Hintergrund. Quantitäts- und Qualitätsvorgaben werden kaum noch eingehalten. Der Krankenstand steigt, Mitarbeiter stehen in Grüppchen zusammen und tauschen ihre Meinungen aus. Viele sind wütend auf das Management und die Personalabteilung.
Sie haben Angst vor der Zukunft, da sie wissen: Wer heute seinen Arbeitsplatz verliert, findet oft nur schwer einen neuen. Zugleich wissen die Gekündigten oft nicht, wie sie diesem Problem begegnen sollen – zumindest wenn sie sich seit Jahren nicht mehr beworben haben. Außerdem können sie oft nicht einschätzen, inwieweit ihre Qualifikation am Arbeitsmarkt (noch) gebraucht wird. Entsprechend deprimiert, mut- und perspektivlos sind viele.
4. Die Nicht-Betroffenen, die „Survivors“: Sie durchleben ein Wechselbad der Gefühle
Die „Survivors“ sind meist die am wenigsten beachtete Gruppe. Dabei verdienen sie besondere Aufmerksamkeit, denn das Unternehmen will mit ihnen die Zukunft meistern. Beim Personalabbau tragen sie Wasser auf beiden Schultern:
- Sie bedauern die Betroffenen, mit denen sie teilweise jahrelange (Arbeits-)Beziehungen verbinden.
- Sie wünschen sich, etwas gegen das Ausscheiden ihrer Kollegen tun zu können.
- Sie fühlen sich teilweise sogar mitschuldig an deren Schicksal.
- Andererseits wollen sie gegenüber dem Unternehmen loyal bleiben.
Dieses gefühlsmäßige Hin- und Hergerissensein bewirkt auch Verhaltensänderungen bei den Nicht-Betroffenen. Oft sinkt auch ihre Motivation und Risikobereitschaft. Sie fehlen häufiger, sind weniger produktiv und einige Verlassen sogar das Unternehmen. Wie stark die Verhaltensänderung ist, hängt auch davon ab, ob sie den Personalabbauprozess als fair bewerten; des Weiteren von ihrer Einschätzung, wie sich der Personalabbau auf ihre eigene Arbeitssituation auswirkt.
5. Der Betriebsrat: Er muss vermitteln
Ein starker und kompetenter Betriebsrat ist ein Gewinn für Unternehmen; das zeigt sich gerade während der unruhigen Zeiten eines Personalabbaus. Ein guter Betriebsrat kennt die Kollegen und kann die Betriebs- und Marktsituation einschätzen.
Deshalb bringt er oft kreative und konstruktive Ideen ein, wie der Personalabbau sozialverträglich gestaltet und das Unternehmen wieder in ruhigeres Fahrwasser gebracht werden kann. Zudem hat der Betriebsrat meist enge persönliche Kontakte zu den Kollegen. Deshalb kann er beim Personalabbau ein Co-Management zum Wohle aller Beteiligten betreiben.
Doch auch die Betriebsratsmitglieder geraten in Solidaritätskonflikte. Einerseits möchten sie möglichst viele Mitglieder in der großen „Betriebsfamilie“ halten. Andererseits wissen sie, dass die Zahl der Mitarbeiter, die bleiben können, meist feststeht und im Unternehmen erst wieder Ruhe einkehrt, wenn der Personalabbau abgeschlossen ist.
6. Outplacement-Berater: Sie mindern das Konfliktpotenzial
Um in der ohnehin angespannten Situation des Personalabbaus Pannen zu vermeiden, holen Unternehmen zuweilen Outplacementberater an Bord, die
- mit ihnen eine Art Drehbuch für den Personabbauprozess entwerfen,
- die Führungskräfte auf die anstehenden, ungewohnten und unangenehmen Aufgaben vorbereiten und
- den gekündigten Mitarbeitern helfen, für sich eine neue berufliche Perspektive zu entwickeln, sodass der Betriebsfrieden gewahrt bleibt und das Unternehmen nicht langfristig unter dem Personalabbau leidet.
Von allen Beteiligten profitieren die „Gekündigten“ am unmittelbarsten von der Arbeit der Out- oder Newplacementberater. Sie werden emotional aufgefangen und mit ihren Sorgen von professionellen Beratern angenommen. Sie werden auf die Aufgabe „Stellensuche“ vorbereitet und aktiv vermittelt. Dadurch sinkt der Druck im Kessel und das Betriebsklima bessert sich.
Die Betroffenen nehmen die Hilfe von Out- und Newplacementberatern gerne an. Anfangs dienen die Berater oft als Ventil und Blitzableiter. Später unterstützen sie die Gekündigten bei der beruflichen Neuorientierung, sodass 70%-80%, teilweise sogar über 90% der Betroffenen bei endgültigem Ausscheiden oder bald danach bereits eine neue berufliche Perspektive haben. Dies beobachten auch die im Unternehmen verbleibenden. Insofern verschafft die Outplacementberatung auch ihnen Erleichterung.
Auch die „Vollstrecker“ erfahren eine Entlastung. Denn die Beratung mindert die emotionale Aufladung und das Konfliktpotenzial sinkt. Arbeitsgerichtsprozesse werden seltener und einvernehmliche Regelungen mittels Aufhebungsvertrag erleichtert.
Und der Betriebsrat? Er schafft den Spagat zwischen seiner Verpflichtung zur Vermeidung sozialer Härten und dem Beachten betrieblicher Notwendigkeiten. Dem Vorstand oder der Geschäftsleitung hilft die Zusammenarbeit mit einer Outplacementberatung, die schwer kalkulierbaren verdeckten Kosten eines Personalabbaus – beispielsweise durch betriebliche und juristische Konflikte – weitgehend zu vermeiden.
(Bild: © Pixel – Fotolia.de)
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