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Wie können wir unsere Mitarbeiter regelmäßig trainieren, ohne diese alle drei, vier Wochen auf Seminar zu schicken? Das fragen sich viele Betriebe – speziell wenn es um das Schulen von solch personenstarken Mitarbeitergruppen wie Verkäufern, Lagerarbeitern und Produktionsmitarbeitern geht. Eine Möglichkeit hierzu sind so genannte Multiplikatorenkonzepte, bei denen die Mitarbeiter von erfahrenen Kollegen geschult werden.

„Unser Ziel war klar“, erinnert sich Joachim Ziegler, Leiter des Kundenservicecenter (KUC) der Bausparkasse Schwäbisch Hall. „Unsere Mitarbeiter sollten mindestens 80 Prozent der telefonischen Kundenanfragen unmittelbar am Telefon abschließend bearbeiten können.“

Entsprechend fit müssen die 170 KUC-Mitarbeiter sein: fachlich und in der Gesprächsführung. Also müssen sie kontinuierlich geschult werden.

Ähnlich anspruchvoll war das Ziel, das sich vor fünf Jahren das Galeria Kaufhof am Marienplatz in München steckte. Seine Mitarbeiter sollten die Kunden professionell und individuell beraten – jedoch ohne Zeit zu verschwenden. Auch hier war den Verantwortlichen klar: Dieses Ziel erreichen wir nur, wenn wir unsere Mitarbeiter regelmäßig schulen.

Unklar war ihnen aber zunächst: Wie sollen wir dabei vorgehen? „Denn gerade Handelsunternehmen müssen beim Qualifizieren ihrer Mitarbeiter genau darauf achten, dass In- und Output in einem gesunden Verhältnis stehen“, betont Marga Recker, Unternehmensberaterin aus Mönchengladbach, die das Projekt begleitete. Denn im Handel sind die Gewinnspannen meist sehr gering.

Vor der Herausforderung, eine große Zahl von Mitarbeitern regelmäßig zu schulen, stehen Unternehmen immer wieder. In der Vergangenheit beschritten sie dabei laut Wolfgang J. Schmitt, Geschäftsführer der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Schmitt & Partner, Würzburg, meist einen der folgenden zwei Wege.

  • Weg 1: Das Unternehmen trainierte seine Mitarbeiter mit eigenem Schulungspersonal. Das scheitert in der Praxis aber oft daran, dass die Betriebe über zu wenig Weiterbildungsprofis verfügen.
  • Weg 2: Das Unternehmen übertrug die Schulungsaufgabe externen Trainingsanbietern. Der Nachteil hiervon: Dieses Vorgehen ist in der Regel recht teuer – aufgrund der Trainerhonorare. Ein weiterer Nachteil ist: Die externen Trainer kennen zumeist die Abläufe und Feinstrukturen im Unternehmen nicht. Also müssen sie zunächst selbst geschult werden.

Regelmäßige Seminarbesuche sind oft nicht möglich

Doch nicht nur deshalb bereitet Unternehmen der Einsatz externer Trainer oft ein Magendrücken. Hinzu kommt laut Udo Albert, der bei der IHK Würzburg den Bereich Anpassungsweiterbildung leitet: „Viele Unternehmen können ihre Mitarbeiter nicht regelmäßig für ein, zwei Tage auf ein Seminar schicken – egal ob in eigenen Schulräumen oder in Tagungshotels. Denn dann läge ihr Betrieb lahm.“

Die Maschinen in den Produktionshallen stünden zum Beispiel still oder die Verkaufsräume wären verwaist, weil die Mitarbeiter auf Weiterbildung sind. „Solche Ausfälle können sich viele Betriebe nicht leisten“, betont Albert.

Auch von ihren Mitarbeitern erhalten die Unternehmen zuweilen das Signal: „Ich kann nicht ein, zwei Tag auf ein Seminar fahren.“ Mit diesem Problem kämpfen laut Marga Recker zum Beispiel fast alle Warenhäuser, da in ihnen zumeist viele Mütter arbeiten – oft in Teilzeit. „Die wollen oder müssen mittags wieder zuhause sein, wenn ihre Kinder aus der Schule kommen.“

Aus all diesen Gründen fand in der Vergangenheit in den operativen Bereichen der Betriebe oft keine systematische Weiterbildung der Mitarbeiter statt – zumeist beschränkte sie sich auf ein „sporadisches Anleiten und Einweisen“, erklärt Unternehmensberater Schmitt. Einen solchen Verzicht auf Weiterbildung können sich heute die meisten Betriebe nicht mehr leisten. Hierfür ist der Wettbewerb zu scharf.

„Außerdem sind die Kundenansprüche und somit die Anforderungen an die Mitarbeiter gestiegen“, weiß Joachim Ziegler von Schwäbisch Hall. Und sie werden weiter steigen.

Neue Wege beim Schulen der Mitarbeiter beschreiten

Um den wachsenden Weiterbildungsbedarf weiterhin stemmen zu können, beschloss das Kunden-Service-Center von Schwäbisch Hall bereits vor Jahren: Fortan sollen die Teamleiter im KUC ihre Mitarbeiter trainieren und bei der Arbeit coachen.

Also beauftragte das Unternehmen die Trainerin Recker, die Führungskräfte zu Coaches zu entwickeln. Doch das Anruf- und Arbeitsvolumen stieg in den Folgejahren kontinuierlich. Deshalb fehlte den Teamleitern irgendwann die Zeit, um ihre Mitarbeiter regelmäßig zu schulen. Also musste 2007 erneut eine neue Lösung gefunden werden. Entschieden wurde: Künftig sollen die KUC-Mitarbeiter von erfahrenen Kollegen geschult werden. 15 Mitarbeiter wurden für diese Aufgaben ausgewählt und von Marga Recker hierfür qualifiziert. Sie trainieren seitdem ihre Kollegen und coachen diese bei der Alltagsarbeit.

Ähnliche Qualifizierungskonzepte praktizieren inzwischen viele Unternehmen in ihren mitarbeiterstarken Bereichen – nicht nur Finanzdienstleister und Warenhäuser. Auch zahlreiche Produktionsunternehmen lassen ihre Mitarbeiter verstärkt von Kollegen oder Vorgesetzten, die für diese Aufgabe ausgebildet wurden, trainieren. So ließ zum Beispiel der Hersteller von Abfüll- und Verpackungsmaschinen Krones, Neutraubling, im vergangenen Jahr 13 Mitarbeiter und Führungskräfte in der Produktion von der IHK Würzburg zu Trainern ausbilden. Und die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH? Sie ließ neun Mitarbeiter eine Trainerausbildung absolvieren. Weitere sollen folgen.

Dass eine wachsende Zahl von Unternehmen beim Schulen seiner Mitarbeiter auf so genannte Multiplikatorenkonzepte setzt, hat laut IHK-Weiterbildungsexperte Albert auch folgenden Grund: Die internen „Trainer“ stehen den Mitarbeitern im Gegensatz zu externen auch beim Umsetzen des Gelernten als Ansprechpartner zur Verfügung. Marga Recker nennt hierfür ein Beispiel: Bei Galeria Kaufhof in München tauchten bei den Mitarbeitern nach der Schulung im Arbeitsalltag immer wieder Fragen auf wie: „Was soll ich tun, wenn drei, vier Kunden gleichzeitig etwas von mir wollen?“ Von Vorteil war da, dass sie bei ihren Vorgesetzten nachfragen konnten.

Auf Probleme kann zeitnah reagiert werden

Ähnlich ist es, wenn die Führungskräfte ein Manko registrieren – zum Beispiel, dass ihre Mitarbeiter in Verkaufsgesprächen den Kundenbedarf nicht ausreichend analysieren. Dann können sie, wenn sie wie die Führungskräfte von Galeria Kaufhof München, zu Trainern ausgebildet wurden, zu ihren Mitarbeiter sagen: „Lasst uns morgen vor Ladenöffnung oder heute nach Ladenschluss mal eine Viertelstunde darüber sprechen, wie ….“ Und schon ist das Problem gelöst.

Müsste hierfür extra ein externer Trainer engagiert werden, fände eine solche (Kurz-)Schulung entweder erst Wochen später oder – noch wahrscheinlicher – gar nicht statt. „Insofern trägt ein solches Qualifizierungskonzept auch dazu bei, dass sich die Lerninhalte bei den Mitarbeitern stärker verankern“, erklärt Ziegler von Schwäbisch Hall.

Es ist zudem ein Instrument zur Qualitätssicherung. Denn im Arbeitsalltag schleifen sich immer wieder Nachlässigkeiten ein. Entsprechend wichtig ist es laut Ziegler „im Bereich Schulung am Ball zu bleiben und den Mitarbeitern regelmäßig ein Feedback zu geben“.

Ein weiteres Plus: Haben die Mitarbeiter oder Führungskräfte erst einmal gelernt, Wissen anderen Personen strukturiert zu vermitteln, dann können die Unternehmen auf diese Kompetenz bei Bedarf regelmäßig zurückgreifen. Darauf weist Berater Schmitt hin. Deshalb sind für ihn Multiplikatorenkonzepte auch ein Beitrag dazu, „dass sich Unternehmen in Richtung lernende Organisation entwickeln“.

Multiplikatoren sind keine Full-time-Trainer

Um diese Ziele zu erreichen, müssen den Unternehmen aber zunächst die benötigten Multiplikatoren zur Verfügung stehen. Wenig zielführend ist es laut Einschätzung von IHK-Weiterbildungsexperte Albert, beim Einführen eines Multiplikatorenkonzepts zum Beispiel alle Schichtleiter eines Produktionsbetriebs dazu zu verdonnern: Ihr müsst eine Trainerausbildung durchlaufen und künftig eure Mitarbeiter trainieren. „Das geht schief!“ Denn nicht jede Führungskraft eignet sich als Trainer. Außerdem sollte ihnen die neue Zusatzaufgabe Spaß machen.

Deshalb sollten Betriebe, wenn sie ein solches Schulungskonzept einführen möchten, die relevanten Führungskräfte zunächst fragen: Seid ihr hierzu bereit? Und: Traut ihr euch diese Aufgabe nach einer Schulung und bei einer adäquaten Unterstützung zu? Sagen etablierte Führungskräfte „nein“, dann sollten erfahrene Mitarbeiter für diese Aufgabe herangezogen werden.

„Davon unabhängig kann das Unternehmen ja fortan, wenn Führungspositionen neu besetzt werden, darauf achten, ob die Kandidaten auch die Eignung zum Trainieren ihrer Mitarbeiter mitbringen“, betont Albert. Zuweilen ist auch sinnvoll, wie bei Schwäbisch Hall, ganz auf erfahrene Mitarbeiter als Wissensvermittler zu setzen – auch um eine Überlastung der Führungskräfte zu vermeiden.

Ausbildung auf das Nötige fokussieren

Sind die Mitarbeiter, die die Schulungsaufgabe übernehmen sollen, bestimmt, gilt es diese zu qualifizieren. Die meisten klassischen Trainerausbildungen eignen sich hierfür nicht. Denn sie sind in der Regel für Personen konzipiert, die als hauptberufliche Trainer ihren Lebensunterhalt verdienen möchten. Entsprechend umfassend sind nicht nur ihre Curricula, sie erstrecken sich zumeist auch über ein oder gar zwei Jahre.

„Bei den Multiplikatoren in den Unternehmen ist das Trainieren aber eine Zusatzaufgabe neben ihren Hauptaufgaben“, erklärt Wolfgang J. Schmitt. Deshalb sollte sich ihre Ausbildung „auf die ‚bullet points’ fokussieren, die für die Wissensvermittlung an Mitarbeiter oder Kollegen unabdingbar sind“.

Diese Rückmeldung erhielt auch Udo Albert in Gesprächen mit Unternehmen immer wieder. Deshalb beschloss die IHK Würzburg 2005, eine Trainerausbildung anzubieten, in der sich Mitarbeiter von Unternehmen binnen einer Woche zum „Trainer (IHK)“ weiterbilden können. In dieser Ausbildung, die die IHK Würzburg auch firmenintern durchführt, wird den Teilnehmern weitgehend dasselbe Know-how vermittelt wie in den klassischen Trainerausbildungen – jedoch in komprimierter Form.

So umfasst das Programm zum Beispiel Module mit Titeln wie „Lerntheorie und Didaktik“, „Moderation und Präsentation“, „Seminarplanung“ und „Seminarpraxis und Methodik“. Was im Pogramm jedoch fehlt, sind solche Themen wie Auftragsklärung. Warum? „Bei firmeninternen Schulungsmaßnahmen ist der Auftrag nebst den Zielen, die es mit der Maßnahme zu erreichen gilt, in der Regel vorgegeben. Also braucht man hierüber nicht lange debattieren“, erklärt Albert.

Konzept stößt auf positive Resonanz bei Unternehmen

Gemäß der Maxime „Was ist für unsere Zielgruppe interessant und was weniger?“ entschlackte die IHK Würzburg ihre Trainerausbildung so weit, dass der Stoff in einer Woche vermittelbar wurde. Dieses Konzept scheint bei den Unternehmen auf große Resonanz zu stoßen. In den letzten drei Jahren nahmen allein an den offenen Trainer-Ausbildungen der IHK über 300 Personen teil.

Außerdem führte die IHK zahlreiche firmeninterne Ausbildungen durch. Und die Nachfrage wächst weiter, wie Udo Albert nicht ohne Stolz berichtet – „unter anderem, weil immer mehr Unternehmen erkennen: Durch den Einsatz von Multiplikatoren können wir unsere Mitarbeiter kontinuierlich und zugleich kostengünstig und arbeitsplatznah schulen“.

Bewährt hat sich dieses Qualifizierungskonzept auch bei Schwäbisch Hall. Ein Indiz: Statt der ursprünglich angepeilten 80 Prozent beantworten die KUC-Mitarbeiter heute 93 Prozent aller Kundenanfragen abschließend. Und dies bei steigender Qualität. Das beweist das Deutsche Kundenbarometer, das jährlich misst, wie zufrieden die Kunden mit dem Service der Unternehmen sind. Bei ihm belegt Schwäbisch Hall seit Jahren einen Spitzenplatz.

(Bild: © scusi – Fotolia.de)

Klaus Schöffler

Klaus Schöffler ist Diplom-Ingenieur (FH) der Technischen Redaktion. Er arbeitet als PR-Journalist für das Büro für Bildung und Kommunikation in Darmstadt. Spezialisiert ist er auf die Themen Personal- und Unternehmensführung sowie Weiterbildung. Kontakt: Tel.: 06151/896590; E-Mail: k.schoeffler@bildung-kommunikation.de.

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