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Zertifizierungen spielen bei den Kaufentscheidungen von Unternehmen eine immer größere Rolle – auch weil man den Werbeversprechen vieler Anbieter im Markt und Internet immer weniger vertrauen kann.

Das Internet und die Social Media haben es Unternehmen ermöglicht, sich mit Werbebotschaften direkt an ihre Zielkunden zu wenden. Im Wettbewerb um deren Aufmerksamkeit überbieten sie sich dabei förmlich: Jedes gibt (gefühlt) vor, das Günstigste, Beste, Kundenorientierteste, Innovativste usw. zu sein.

Im allgemeinen Marktgetöse Profil zeigen

Doch was steckt wirklich hinter den vollmundigen Werbeversprechen? Das können die Adressaten oft nicht beurteilen. Denn sogar Top-Bewertungen im Internet kann man nur bedingt vertrauen. „Sie sind oft nur ein Beleg dafür, dass ein Anbieter das Online-Marketing beherrscht“, stellt Bernhard Kuntz, Darmstadt, Autor des Marketingbestsellers „Die Katze im Sack verkaufen“ nüchtern fest. Und Dennis Berse, Geschäftsführer der Online Marketing-Agentur AdRock Marketing, Pfronten, betont: „Um die Aufmerksamkeit der Zielkunden zu gewinnen, müssen die Unternehmen im digitalen Zeitalter in ihrer Selbstdarstellung oft recht laut werden.“

Doch wie können Klein-Unternehmen in diesem „lauten und omnipräsenten Marktgetöse“ potenzielle Kunden davon überzeugen, dass sie wirklich kundenorientiert sind und ihnen eine Top-Qualität liefern – obwohl sie nicht zu den Schreihälsen im Markt zählen? Insbesondere für Anbieter im B2B-Bereich stellt dies oft eine große Herausforderung dar; speziell, wenn sie sich gegen große etablierte Mitbewerber behaupten müssen, deren Marketingbudgets scheinbar unerschöpflich sind.

Zertifizierung als mögliche Problemlösung

Eine Option ist: Die eigene Organisation und die Qualität ihrer Leistung zertifizieren lassen – beispielsweise gemäß der Qualitätsnorm ISO 9001. „Gerade für kleine Unternehmen und Selbstständige bietet eine ISO 9001-Zertifizierung große Vorteile“, betont Reinhard Wanzek, Vorsitzender des Bundesverbands unabhängiger Zertifizierungsstellen (BVUZ), Bonn. „Denn sie signalisiert potenziellen Kunden: Der Anbieter legt Wert auf eine hohe Kundenorientierung und Qualität.“

Das Problem ist das damit verbundene Procedere. „Als wir uns erstmals mit den Vorgaben der Norm ISO 9001 befasst haben, wurden wir von deren Komplexität fast erschlagen“, erinnert sich Florian Kunze, der in der Geschäftsleitung des Arbeitsbühnen-Anbieters Kunze GmbH, Bruckmühl, für die Finanzen und die Digitalisierung zuständig ist: „Und eine Investition von mehreren Tausend Euro für eine monatelange Beratung kam für uns nicht in Frage“. Auch Bernd Brocher von der VerMaKom GmbH, Würselen, die Nachlass- und Notfallpläne für Auswanderer entwickelt, hatte das Problem: „Für kleine Unternehmen wie uns war der Zertifizierungsaufwand bislang einfach zu groß.“

Die Zahlen sprechen für sich: Von den vier Millionen KMU und Selbstständigen in Deutschland sind nur 50.000 offiziell zertifiziert. Der Grund: der hohe zeitliche und finanzielle Aufwand. Für eine ISO 9001-Zertifizierung müssen Solo-Unternehmer und Start-ups schnell mal 5.000 Euro berappen, bei Unternehmen mit bis zu 10 Beschäftigten werden meist fünfstellige Zertifizierungsgebühren fällig.

Den Aufwand an Zeit und Geld mit KI reduzieren

Dieser Problematik haben sich inzwischen innovative Start-ups angenommen. So bietet zum Beispiel das DICIS (Digital Institute for Certification of International Standards), Leipzig, die Vorbereitung auf die Zertifizierung und die Zertifizierung sogar als monatliches Abo an: zum „Professional“-Preis von 149 Euro/Monat „für bis zu 10 Nutzer“. Das Institut setzt dabei auf den Einsatz künstlicher Intelligenz. „In weniger als einer halben Stunde erarbeiten sich Unternehmen mit Hilfe unseres KI-Assistenten die Grundstruktur ihres Qualitätshandbuchs nebst den notwendigen Dokumenten wie Stellenbeschreibungen, Arbeitsanweisungen usw. – primär durch Eingabe der relevanten Eckdaten“, erklärt DICIS-Vorstand Dr. Jens-Uwe Meyer. „Die KI passt die Unterlagen dann inhaltlich exakt an das Unternehmen an.“ Danach kann die Umsetzung beginnen. „Die KI steuert sozusagen den Gesamtprozess, der bislang nicht selten über ein Jahr dauerte“, erklärt Meyer. Damit entfällt neben dem finanziellen das bisher größte Hindernis einer ISO 9001-Zertifizierung: der bürokratische bzw. administrative Aufwand, der neben der Alltagsarbeit oft nicht zu bewältigen war.

Nachweislich und sicher Qualität produzieren

Zertifizierungen werden in den nächsten Jahren immer wichtiger werden. Davon ist der Organisationsberater Klaus Doll, Neustadt an der Weinstraße, überzeugt: „Nicht nur wegen der Vielzahl gesetzlicher Auflagen, die Unternehmen zu erfüllen haben, sondern auch, weil die Marketingbotschaften speziell im Netz immer effekthascherischer werden, um möglichst viele Leads zu generieren.“ Deshalb werden, so Dolls Vermutung, Zertifizierungen zu immer wichtigeren Differenzierungsmerkmalen für Unternehmen im Wettbewerb – sofern die Zertifikate von vertrauenswürdigen Zertifizierern stammen.

Sowohl die Kunze GmbH als auch die VerMaKom GmbH nutzten ein KI-Tool für ihre ISO 9001-Zertifizierung. „Aus Zeit- und Kostengründen“, erklärt VerMaKom-Geschäftsführer Brocher. Und sein Kollege Florian Kunze von der Kunze GmbH ergänzt: „Der Bürokratieaufwand war bei uns auch ohne ISO 9001 schon enorm. Deshalb war für uns klar: Wenn wir uns mit dem Thema Zertifizierung befassen, dann innovativ – also mit KI-Unterstützung.

Auch AdRock Marketing ließ sich mit dem innovativen DICIS-Ansatz zertifizieren. „Denn wir leben in einer zunehmend digitalen Welt“, sagt Geschäftsführer Berse. „In ihr wirken die traditionellen Zertifizierungsverfahren geradezu aus der Zeit gefallen.“ Anders mag dies aus Konzernsicht sein, die in ihren Stabsabteilungen die erforderliche Manpower haben.

Janne Siemens

Janne Siemens, Darmstadt, arbeitet als freie Journalistin. Sie ist auf Managementthemen spezialisiert

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