Skip to main content

Viele Unternehmen praktizieren inzwischen im Rahmen ihrer betrieblichen Aus- und Weiterbildung Lehr- und Lernkonzepte, die das Lernen in Präsenzseminaren mit einem computergestützten Lernen verknüpfen. Von solchen sogenannten Blended-Learning-Konzepten erhoffen sie sich eine Ersparnis von Zeit und Geld. Hinzu kommt: Der Lernbedarf ist in vielen Organisationen heute so groß, dass er mit Präsenzseminaren allein nicht mehr befriedigt werden kann. Deshalb muss das Lernen aus Sicht der Unternehmen ein integraler Bestandteil der Alltagsarbeit werden.

Digital Natives sind es gewohnt, online zu agieren

Erleichtert wird das Erreichen dieses Ziels dadurch, dass die meisten Mitarbeiter der Unternehmen inzwischen Digital Natives sind. Und insbesondere die Angehörigen der sogenannten Generation Z (also die Mitarbeiter, die nach 1995 geboren wurden) sind es gewohnt, den PC und die mobilen Endgeräte – vom Laptop bis Smartphone – zu nutzen, um sich zu informieren und zu kommunizieren sowie ihre Kooperation und (Zusammen-)Arbeit zu planen. Deshalb erwarten sie geradezu, dass die moderne Informations- und Kommunikationstechnik auch bei ihrer Aus- und Weiterbildung zum Einsatz kommt. Auch deshalb setzen die Unternehmen verstärkt auf das sogenannte E-Learning.

Dieser Trend wird sich fortsetzen. Marktbeobachter erwarten, dass die Ausgaben der Unternehmen für E-Learning von aktuell circa 240 Milliarden US-Dollar pro Jahr bis 2025 auf 300 Milliarden steigen – nicht nur weil zum Beispiel bei Online-Seminaren die bei Präsenz-Seminaren anfallenden Reisezeiten und -kosten entfallen. Entscheidender ist: Mit der modernen digitalen Lerntechnik lassen sich Lernkonzepte schmieden, die sich leichter in den Arbeitsalltag integrieren lassen. Ähnlich verhält es sich beim Coachen der Mitarbeiter. Auch bei ihm setzen die Unternehmen verstärkt auf Telefon- und Online-Coaching, denn solche Coachings lassen sich kurzfristiger – orientiert am akuten, individuellen Bedarf – planen. Und beim Trainieren der Verhaltenssicherheit der Mitarbeiter entdecken die Unternehmen zunehmend die Vorzüge von Microlearning- und Coaching-Apps, mit denen die Mitarbeiter das Gelernte einüben und vertiefen.

EXTRA: Zukunftssicher rekrutieren – Eine Analyse der Digital Natives

Online-Seminare: eine Herausforderung für die Wissensvermittler

So weit, so gut! In der Praxis stellt das Einführen von Blended Learning-Konzepten die Unternehmen jedoch meist vor größere Herausforderungen als gedacht. In vielen Betrieben herrscht noch die Überzeugung: Hierfür genügt es, die bisherigen Lernkonzepte und -unterlagen eins zu eins auf die Server hochzuladen und online zu präsentieren.

Das ist ein Irrtum! Das Implementieren von Blended Learning-Konzepten erfordert von allen Beteiligten ein neues Denken und Handeln. Es setzt eine Unternehmenskultur voraus, die diese Art zu lernen und das kollaborative Arbeiten unterstützt. Es erfordert zudem neben der nötigen technischen Infrastruktur die Kompetenz, diese professionell zu nutzen. Außerdem setzt es innovative Lehr- und Lernkonzepte und eine entsprechende Content-Entwicklung voraus. Und mit am wichtigsten ist das Bewusstsein, dass sich auch das Selbstverständnis der Trainer und Wissensvermittler wandeln muss.

Dies auch vor folgenden Hintergrund: Die meisten größeren Unternehmen beschäftigen zwar auch Fulltime-Trainer. Das Groh ihrer Trainer und Wissensvermittler sind jedoch Führungskräfte auf der operativen Ebene oder berufserfahrene Spezialisten, die nur zuweilen in die Trainerrolle schlüpfen – zum Beispiel, wenn neue Mitarbeiter eingearbeitet oder neue Problemlösungen im Unternehmen eingeführt werden sollen. Für die meisten firmeninternen Trainer ist das Trainieren also eine Zusatzaufgabe. Sie sind zudem keine ausgebildeten Pädagogen, sondern wurden gerade wegen ihres Fachwissens und ihrer beruflichen Erfahrung als Fachtrainer ausgewählt.

Change-Projekt: Einführung von Blended Learning

Speziell diese Parttime-Trainer fühlen sich oft überfordert, wenn sie künftig ihre Kollegen auch online trainieren und coachen sollen. Denn das Ausarbeiten der Blended Learning-Angebote und Schulen ihrer Kollegen mittels Kamera und PC erfordert von ihnen neue Skills (siehe Kasten).

Wenn Unternehmen bei ihrer Personalentwicklung verstärkt auf das E- bzw. Blended Learning setzen, kämpfen ihre Trainer und Wissensvermittler in der Regel mit zahlreichen technischen, methodisch-didaktischen, aber auch (selbst-)organisatorischen Fragen und Problemen. Und meist wird ihnen firmenintern bei deren Bewältigung zu wenig Unterstützung gewährt, denn: Viele Unternehmen verkennen, dass es sich beim Einführen des Blended Learning um ein Change-Projekt handelt, das auf das Schaffen einer neuen Lernkultur in der Organisation abzielt. Entsprechend professionell sollte das Projekt gemanagt werden.

EXTRA: Change-Projekte: So gelingt der Wandel!

Online trainieren erfordert viele neue Kompetenzen

Nicht wenige Betriebe unterschätzen zudem, wie viele neue Kompetenzen ihre Trainer brauchen, um künftig auch online ihre Aufgabe professionell wahrzunehmen. Nicht bewusst ist ihnen, dass diese u.a. in folgenden Bereichen neue Skills benötigen:

  • Digitaltechnik: Die Trainer müssen die Möglichkeiten, die ihnen und ihrem Unternehmen die neuen, digitalen Lerntechnologien bieten, realistisch einschätzen und die Technik professionell nutzen können.
  • Selbstverständnis: Die Trainer müssen sich – wie die Teilnehmer – als Lernende begreifen, die ihr (bisheriges) Trainerverhalten reflektieren und in Teilen ändern bzw. den veränderten Rahmenbedingungen anpassen.
  • Methodik und Didaktik: Die Trainer müssen u.a. einschätzen lernen, welche Lerninhalte und Skills mit der modernen Informations- und Kommunikationstechnik vermittelbar sind (und welche nicht). Sie müssen zudem die Lerninhalte so aufbereiten und präsentieren können, dass die Lernziele auch erreicht werden, wenn das Lernen (zumindest teilweise) online und im Selbststudium erfolgt.
  • (Selbst-)Organisation: Die Trainer müssen u. a. ihren Arbeitsalltag so strukturieren können, dass sie die Lerner in ihrem Lernprozess – als Tutor oder Coach – unterstützend begleiten können, obwohl diese oft an unterschiedlichen Orten und zu verschiedenen Zeiten lernen.

Die Blended Learning-Trainer aus- und weiterbilden

Unternehmen sollten ihren Trainern in einer Blended-Learning-Ausbildung, in der sie selbst auch die neue Lerntechnologie nutzen, die noch fehlenden Skills vermitteln. Diese Ausbildung sollte modular aufgebaut sein, so dass auf die Präsenz- und Online-Lernmodule stets Transferphasen folgen, in denen die Trainer das Gelernte in der Praxis einüben. Hierbei sollten sie durch einen Coach oder Tutor gecoacht werden, der bereits viel Erfahrung im Trainieren mit der neuen Lerntechnologie hat, denn letztlich lautet das Ziel der Trainer-Weiterqualifizierung: Bei den Trainern soll eine so große Verhaltenssicherheit im Umgang mit der neuen Lerntechnologie entstehen, dass sie beim Online-Trainieren und -Coachen nicht primär mit der Technik kämpfen, sondern sich voll auf den Lernprozess und die Lerner konzentrieren können.

Ansonsten entstehen speziell bei den Parttime-Trainern rasch Vorbehalte gegen das Online-Lernen und Blended Learning und sie nehmen das Trainieren zunehmend als eine belastende Zusatzaufgabe wahr. Das senkt ihre Motivation, und die Gefahr steigt, dass dem Unternehmen mittelfristig die firmeninternen Wissensvermittler fehlen, die es braucht, um sich zu einer lernenden Organisation zu entwickeln.

Sabine Prohaska

Sabine Prohaska ist Inhaberin des Trainings- und Beratungsunternehmen seminar consult prohaska in Wien und Autorin der Bücher „Coaching in der Praxis" und „Erfolgreich im Training – Praxishandbuch“.

Der Artikel hat dir gefallen? Gib uns einen Kaffee aus!

Leave a Reply