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Wenn man mit mittleren Managern spricht, hat man oft den Eindruck von Gehetzt-sein von vielen Terminen, von operativem Geschäft, das man übernehmen muß, obwohl man das eigentlich delegieren wollte, von vielen Wiederholungen, von Ineffizienz, von verschobenen Entscheidungen, von vielerlei Ansprüchen wie z.B. von den jungen Generationen oder von „den Chefs“ usw. Es geht für sie darum, den „Laden am Laufen“ zu halten, obwohl die Personaldecke längst nicht mehr reicht, obwohl es einfach zu viel ist, obwohl sie gar keine Zeit haben zu führen oder strategische Überlegungen anzustellen oder sich auf den nächsten Change, der angesagt wurde, gut vorzubereiten…

Das strengt an, das zermürbt, das macht auch unsicher, weil man spürt, dass man vielen Ansprüchen nicht (mehr) gerecht werden kann, weil man in verschiedenen Themen nicht auf dem neuesten Stand ist, und man fragt sich, wie lange man das noch durchhält, wie man durch die nächste Krise kommen soll und welches „Rezept“ man bekommen könnte, um voran zu kommen, um die nächste Innovation hinzubekommen, um die brennenden Feuer wirklich löschen zu können, statt nur oberflächlich auszutreten. 

Und dann kommt ja noch dazu, dass man sich über die eigene Zukunft Sorgen macht, wenn immer mehr von weniger Hierarchie, Netzwerken statt klassischen Strukturen, von anderem Rollen- und Führungsverständnis die Rede ist; man fragt sich, wohin die Reise geht – ich habe mich so angestrengt „nach oben“ zu kommen – und jetzt bricht dieser Weg vielleicht weg.

Was ist also die positive Orientierung, die man geben und sich erarbeiten kann?

1. Wir sehen nicht, dass „den Führungskräften“ (wer ist genau gemeint?) kaum eine andere Wahl bleibt, als Kosten zu sparen statt zu innovieren. Sogar eingefleischte BWLer haben erkannt, dass grade durch die Investition in Innovationen und Nutzung von Innovationen in form von Digitalisierungs-Elementen Kosten reduziert und Mehrwert erzeugt werden kann. Natürlich kennen wir auch Unternehmensvertreter, die diese Argumentation nutzen und in der Tat bei deren Umsetzung in Kauf nehmen, die mittleren Manager zu frustrieren und sogar zu reduzieren – das aber ein Fehler(s.u.)

2. Die Bedeutung des mittleren Managements speist sich grade vor dem von Dr.Sjöström angesprochenen Erfahrungs-Hintergrund aus der Pandemie aus der erlebten Tatsache, dass viele mittlere Manager besonnen und damit Sicherheit gebend richtig gehandelt haben, indem sie ihre Leute zusammengeholt und mit ihnen Notfall-Pläne gemacht, Ressourcen gehoben haben, von denen man vorher gar nix wusste, pragmatisch von heute auf nachher gehandelt haben mit dem direkten Focus auf die Bedürfnisse der Kunden – teilweise auch mit guten Ideen zur Verschnellerung der bisher geltenden, hoch-standardisierten Abläufe.

3. Wenn ein learning ist, dass sie ihre MitarbeiterInnen besser kennen- und einsetzen gelernt haben, dann wäre es jetzt unter Normal- oder auch neuen Krisenbedingungen an der Zeit, dass das Top-Management diesen Weg nicht nur durch ein „Anhalten der (mittleren) ManagerInnen, ihren Mitarbeitenden mehr „Empathie entgegenzubringen“ – wie Dr.Sjöström vorschlägt – zu unterstützen, sondern durch die Möglichkeit, in professionalisierter Art und Weise diese Kompetenzen und die gezeigte Lernbereitschaft weiter hochzuhalten und zu nutzen. Das geht nach unsrer Erfahrung am besten mit der gemeinsamen Diskussion von Zielen und einer entsprechenden Aufgaben-Verteilung, die über die „klassische Delegation“ hinausgeht.

4. Und weiter: wenn man die Erfahrung gemacht hat, dass sich die Teams mit ihren mittleren Managern zusammen an die Bewältigung der Probleme gemacht haben, dann reichen die vorgeschlagenen „drei Schritte zu mehr Mitarbeiterengagement“ längst nicht; vielmehr braucht es neben einem modernen Menschenbild (die Menschen wollen was bewegen, haben Fähigkeiten, die sie anwenden wollen usw.) und einer anderen Führungskultur (ist zwar richtig, wird aber verkürzt ausgeführt, s.u.), auch die Bereitschaft, sich konstruktiv in die Veränderung des Unternehmens – zusammen mit Ihren Mitarbeitenden einzubringen und sich hierfür Zeit und Raum zu verschaffen, anpassungs- bzw. veränderungs-Notwendigkeiten zu erkennen, anzupacken und damit in die Initiierung bzw. kritische Begleitung von Change-Prozessen einzusteigen, sich dazu schlau zu machen und sich entsprechend in Feedback- und Lernschleifen einzubringen.

5. Nochmal zum Thema „andere Führungskultur“: diese zeigt sich unserer Erfahrung und unserer Überzeugung nach nicht nur durch Verhaltens-Aspekte wie Einfühlungsvermögen oder ähnliches (klingt für uns sehr stark nach Psychologisierung des üblicherweise bestehenden Arbeitsverhältnisses, das in unserem Wirtschaftssystem nunmal ein Abhängigkeits- und damit ein Macht-Verhältnis ist), sondern auch am Grad einer wirklichen Einbeziehung der Menschen auf Augenhöhe in die Zieldefinition, in den Ablauf der Veränderungs-Prozesse inkl. Feedback-Schleifen, durch Empowerment der Mitarbeitenden und Unterstützung Richtung Selbstorganisation und Stärkung der Teamstruktur sowie eindeutiger Rollenklärung.

6. Und dann zurück zu unserem Beginn: wenn die Situation von mittleren ManagerInnen von uns ungefähr realistisch beschrieben wurde, dann braucht es zu allererst auf Top-Ebene die Einsicht, dass diese wertvolle Ressource nur erhalten und weiterentwickelt und für die Zukunft des Unternehmens genutzt werden kann, wenn man ihr die Chance eröffnet, sich soweit aus dem operativen Geschäft zu entfernen, dass mindestens 30-40% Führungs-Zeit bleibt – was dann erst die professionelle Einnahme der Rollen „Stratege“, „Chancen-Erkenner/Neuerer“, „innovator“, Prozess-Begleiter“, „Teamentwickler“ „Lern-Begleiter/Coach“ u.ä. ermöglicht.

7. Parallel dazu braucht es natürlich auch die Bereitschaft der mittleren ManagerInnen, sich auf diesen Weg einzulassen bzw. diesen Weg auch selbstbewußt zu einzufordern, ihre Möglichkeiten zu delegieren, bessere Supportstrukturen aufzubauen, auch besser die Digitalisierung dafür zu nutzen, mutiger zu sein in der Eröffnung von dezentralen Erarbeitungsstrukturen mit entsprechender Verantwortung (hier nochmal das Stichwort Rollenklärung als dafür zentralen Schritt) und nicht zuletzt, sich weiterzubilden zu Grundlagen von Change Management, zu Erkenntnissen, was für Menschen wichtig ist, wenn Veränderungen anstehen bzw. laufen, was es braucht, um möglichst fruchtbare und effektive Feedback-Schleifen einzurichten, um die nächsten Schritte besser zu machen, um Innovationen zu ermöglichen und damit einen ständigen Lernprozess zu implementieren.

8. Richtig ist, dass eine wichtige Basis für das Obige die Herstellung von Transparenz ist; allerdings nicht nur im Sinne von Austausch von Informationen, Meinungen, Einschätzungen, sondern auch im Sinne von weiterführenden Konzepten, modernen Arbeitsstrukturen, effizienten und kundenorientierten Prozessen, gezielter Unterstützung von selbstorganisierten Strukturen. Dafür wären dann nicht nur Teams- oder andere, einfach zu bedienende Kanäle oder Plattformen einzurichten, sondern auch physische Treffen, in denen einerseits an neuen Wegen, an Entlastungspunkten, an Verbesserung von Produkten bzw. Problemlösungen intensiv gearbeitet wird (mit modernen Methoden, die verhindern, dass bekannte Probleme immer wieder nerven) und andererseits Lösungsvarianten im „sounding board“ oder im „Prozess-Zirkus“ kritisch reflektiert werden.

Dr. Klaus Wagenhals

Dr. Klaus Wagenhals (Dipl.Soz. und Dipl.Psych.) ist seit 1998 engagierter und ideenreicher Berater bei der Umgestaltung von Organisationen ("der Change kann gelingen") Projekten ("project excellence") und von Führung. 2007 gründete er zusammen mit KollegInnen das Berater-Netzwerk metisleadership, das nicht nur gute Referenzen vorweisen kann, sondern aus dem heraus interessante Change-Initiativen entstehen. Er veröffentlicht zu obigen Themen, tritt als Speaker auf und engagiert sich ehrenamtlich z. B. in der GPM (Assessor für den PM-Award und Mitglied der Regionalleitung der GPM in KA) sowie bei den Wirtschaftspsychologen.

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