In Krisenzeiten suchen Unternehmen neue Problemlösungen, um wieder oder weiterhin profitabel zu arbeiten. Also sind sie auch schneller zu einem Lieferantenwechsel bereit. Außerdem strukturiert sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten der Markt neu. Deshalb sind sie der ideale Zeitpunkt, um Mitbewerbern Kunden abzujagen.
Ein Unternehmen macht pleite. Ein anderes fusioniert. Ein weiteres bildet mit anderen Firmen eine Einkaufsgemeinschaft. Solche Veränderungsprozesse kennzeichnen heute den Markt. Deshalb verlieren Anbieter von Investitionsgütern und Industriedienstleister immer wieder Kunden – auch in wirtschaftlich guten Zeiten. Und in schlechten Zeiten beschleunigen sich diese Prozesse. Deshalb stellt sich Herstellern von Investitionsgütern und Industriedienstleistern verschärft die Frage: Wie und mit wem erzielen wir künftig die gewünschten Umsätze?
Hierfür gibt es gemäß der Formel „Umsatz = Menge x Preis“ folgende Wege:
- bestehenden Kunden mehr verkaufen oder
- bei gleicher Liefermenge höhere Preise erzielen oder
- Neukunden gewinnen.
Das Erzielen höherer Preis ist in Zeiten einer geringen Nachfrage schwierig. Außerdem setzt dies top-geschultes Verkaufspersonal voraus. Deshalb schlagen Unternehmen, wenn sie ihre Umsätze halten oder gar steigern möchten, vielfach den vermeintlich leichteren Weg ein und versuchen den Lieferanteil und -umfang bei bestehenden Kunden zu erhöhen. Doch dies allein genügt zum Erzielen der gewünschten Umsätze (und Erträge) meist nicht. Das wissen auch die Unternehmensführer. Deshalb zielt die Strategie der Unternehmen zumeist auch darauf ab, neue Kunden zu gewinnen.
Neukunden sind zumeist Wettbewerberkunden
Dies klingt banal. In der Praxis erweist sich das Gewinnen von Neukunden im B-to-B-Bereich aber meist als schwierig, denn Neukunden gibt es zwar aus Unternehmens-, aber nicht aus Marktsicht. Aus Marktsicht sind die so genannten Neukunden fast stets Wettbewerberkunden – also Unternehmen, die bereits mit anderen Lieferanten zusammenarbeiten. Und dies meist seit vielen Jahren. Entsprechend stabil sind ihre Geschäftsbeziehungen – speziell wenn der Markt floriert. Dann besteht für die Wettbewerberkunden zumeist kein Anlass die bewährte Beziehung zu Lieferanten in Frage zu stellen, zumal ein Lieferantenwechsel neben Unsicherheit meist auch Mehrarbeit mit sich bringt.
Anders ist dies in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wenn die Unternehmen nicht auf prall gefüllten Auftragsbüchern sitzen und weniger hohe Gewinnmargen erzielen. Oder wenn für die Unternehmen absehbar ist: Wenn wir jetzt nicht aktiv werden, dann haben wir in absehbarer Zeit ein Problem. Dann stellen sie die bisher praktizierten Problemlösungen und somit zumindest indirekt auch die bisherigen Lieferantenbeziehungen in Frage. Deshalb sind in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Voraussetzungen ideal, um gewachsene Kundenbeziehungen von Mitbewerbern, wenn nicht zu knacken, so doch aufzuweichen. Unter einer Voraussetzung: Sie können den Kunden Ihrer Wettbewerber passende Problemlösungen anbieten.
Ziel: Sich als Zweitlieferant etablieren
Doch wie sollten Sie beim Versuch, ins Revier eines Wettbewerbers einzudringen, vorgehen? Wenig erfolgversprechend ist in der Regel ein Vorpreschen gemäß der Maxime „Alles oder nichts“ – insbesondere dann wenn Ihr Unternehmen recht komplexe Produkte und Dienstleistungen, die für das Leistungsvermögen Ihrer Zielkunden von Bedeutung sind, produziert und vertreibt. Denn bei solchen Produkten ist ein kompletter Anbieterwechsel aus Kundensicht meist mit einem zu hohen Risiko verbunden.
Erfolgversprechender ist im Investitionsgüterbereich meist eine Strategie, die (vorläufig) nicht darauf abzielt, den bisherigen Lieferanten ganz aus dem Boot zu drängen, sondern sich neben ihm als Zweitlieferant zu etablieren. Wenn dann aufgrund der Zusammenarbeit eine Beziehung zwischen Ihnen (beziehungsweise Ihrem Unternehmen) und den Entscheidern beim Kunden gewachsen ist, können Sie immer noch darauf hinarbeiten, Ihrem Konkurrenten den Kunden ganz abzujagen.
Zielkunden ermitteln
Bevor Sie mit der Neukundenakquise starten, sollten Sie ermitteln, bei welchen Unternehmen sich ein solches Bemühen lohnt – also welche Kunden ins Beuteraster Ihres Unternehmens passen. Sonst ist die Gefahr groß, dass Sie sich verzetteln.
Leitfragen für das Ermitteln der Zielkunden – also der Kunden, auf die Sie Ihre Aktivitäten fokussieren – sollten unter anderem sein:
- Welchen Unternehmen können wir aufgrund unserer Kompetenz beim Steigern ihrer Wettbewerbsfähigkeit helfen?
- Welche Unternehmen haben interessante Umsatzpotenziale? Und:
- Bei welchen Unternehmen haben wir realistische Erfolgschancen?
Sind diese Zielkunden identifiziert, gilt es über sie Hintergrundinformationen zu sammeln, um zu erkunden, durch welche (individuellen) Lösungen Sie ihnen zum Beispiel beim Steigern der Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Produktivität helfen können.
Dabei sollten Sie folgende vier Nutzen-Ebenen beachten:
- die technische,
- die ablauf-organisatorische,
- die sozial-menschliche und
- die kaufmännisch-wirtschaftliche Ebene.
Per Ferndiagnose lassen sich die nötigen Informationen nur zum Teil gewinnen. Also gilt es, eine persönliche Beziehung zu den Entscheidern bei den Wettbewerberkunden aufzubauen, um zu ermitteln, wo Sie den Hebel ansetzen könnten. Vereinbaren Sie zum Beispiel mit dem oder den Entscheidern in dem betreffenden Unternehmen ein „Erstgespräch“ – jedoch nicht mit der Erwartung, sogleich einen Auftrag an Land zu ziehen.
Ihre Gesprächsziele sollten vielmehr sein:
- die Organisation des Zielkunden sowie Ihre Gesprächspartner kennen zu lernen,
- sich und Ihr Unternehmen als attraktiven Partner zu präsentieren und
- den Bedarf des Zielkunden und die Bedürfnisse Ihrer Gesprächspartner zu erkunden.
Chancen für Zusammenarbeit ausloten
Im ersten Gespräch geht es also darum auszuloten, unter welchen Voraussetzungen für den Zielkunden eine Zusammenarbeit denkbar wäre und, wenn ja, in welchen Bereichen? Das Instrument hierzu sind Fragen, und zwar Fragen, die sich folgenden Typen zuordnen lassen.
- Ist-Fragen – zum Beispiel:
- „Wir verfahren Sie im Moment …?“
- „Was setzen Sie derzeit ein, um …?“
- „Welche Rüstzeiten kalkulieren Sie zurzeit ein?“
- Problembewusstseins-Fragen – zum Beispiel:
- „Welche Bedeutung hat für Sie …?“
- „In welchen Situationen (bei welchen Prozessen/Produkten) wäre es
- für Sie interessant …?“
- Soll-Fragen – zum Beispiel:
- „Wie soll künftig …?“
- „Was ist zu berücksichtigen bei …?“
- „Unter welchen Voraussetzungen …?“
Abhängig von den gewonnenen Informationen können Sie über das weitere Vorgehen entscheiden. Bei recht simplen Produkten, bei denen es den Zielkunden letztlich egal ist, wer ihnen diese Teile liefert – „Hauptsache, der Preis stimmt“, kann Ihre Strategie darauf abzielen, Ihren Wettbewerbern diese Kunden in relativ kurzer Zeit ganz abzujagen.
Bei Produkten und Dienstleistungen hingegen, die für die Arbeitsabläufe der Zielkunden und deren Erfolg eine hohe Bedeutung haben, sollte Ihre Strategie eher darauf abzielen,
- mit Spezialangeboten bei dem Neukunden Fuß zu fassen, die das Angebot seiner aktuellen Lieferanten ergänzen, oder
- ihm aufzuzeigen, welche Vorteile er davon hat, Ihr Unternehmen als Zweitlieferant zu engagieren.
Argumente für einen Zweitlieferanten sind:
- „Wenn Sie mehrere Lieferanten haben, ist Ihre Abhängigkeit vom Hauptlieferanten geringer.“
- „Wenn Ihr Hauptlieferant weiß, das Sie weitere Lieferanten haben, bemüht er sich stärker um Sie.“
- „Wenn Sie mehrere Lieferanten haben, bekommen Sie, wenn Sie neue Problemlösungen suchen, auch mehrere qualifizierte Lösungsvorschläge. Das erhöht Ihre Entscheidungsmöglichkeiten.“
Ein enges Beziehungsgeflecht aufbauen
In guten Zeiten ringen sich Wettbewerberkunden im Erstgespräch meist selten dazu durch, Sie als weiteren Lieferanten zu engagieren – weil kein akuter Handlungsdruck besteht. Anders ist dies in eher schlechten Zeiten. Dann können Sie in relativ kurzer Zeit Erfolge einfahren. Warum? In schlechten Zeiten haben die (Wettbewerber-)Kunden häufig ein akutes Problem. Entsprechend groß ist ihr Handlungsdruck und entsprechend offen sind sie für neue Problemlösungen. Also sollte Ihr Bestreben darauf abzielen, ihnen solche Lösungsvorschläge zu unterbreiten.
Dies gelingt Ihnen um so leichter, je mehr Informationen Sie über die Zielkunden und deren Organisation haben. Deshalb sollten Sie danach streben, ein immer engeres Beziehungsgeflecht zwischen den Mitarbeitern Ihrer Organisation und der Organisation der Zielkunden zu entwickeln.
Beziehen Sie also auch Ihre Servicetechniker, Entwickler und Logistikfachleute in den Beziehungsaufbau (und somit in die Neukundenakquise) ein.
Erfahren Sie dann, dass ein Mitbewerber auf ein Kundenproblem nicht (angemessen) reagiert oder sich mit der Lösung eines Kundenproblems schwer tut, dann ist Ihre Zeit gekommen. Dann können Sie Ihrer Kontaktperson konkrete Lösungsschritte vorschlagen – zum Beispiel: „Was halten Sie davon, wenn sich die Personen a, b und c aus Ihrer Organisation und die Personen x, y, und z aus unserer Organisation zu einem Spezifikationsworkshop treffen, um gemeinsam zu schauen, wie …“
Das heißt: Nun gehen Sie (erkennbar) in die Offensive, um den gewünschten Erstauftrag zu erlangen und zwar indem Sie mit dem Zielkunden oder stellvertretend für ihn dessen akutes Problem (teilweise) lösen und sich so als der bessere Partner als dessen bisheriger (Haupt-)Lieferant erweisen. Gelingt Ihnen dies, dann haben Sie den gewünschten Hebel in der Hand, um Ihren Wettbewerber mit der Zeit ganz aus dem Boot zu drängen.
Noch ein Tipp: Konzentrieren Sie beim Versuch, etwa gleich „starken“ oder gar „stärkeren“ Wettbewerbern Kunden abzujagen, Ihre Energie nicht auf deren Top-Kunden. Denn dann werden diese „fuchsteufelswild“ und setzen alles daran, dass Sie nicht zum Zug kommen. Anders ist es, wenn Sie deren Kunden im unteren A- und im oberen B-Kunden-Segment umgarnen. Sie stehen nicht so stark im Fokus der Key-Accounter. Deshalb können Sie mit ihnen, bevor Ihre Wettbewerber Ihre „Charme-Offensive“ registrieren, oft so enge Kontakte aufbauen, dass es zum Abwehren Ihres Angriffs bereits zu spät ist.
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