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Natürlich sollte sich jeder Unternehmer an die Gesetze und die Gepflogenheiten des „ehrbaren Kaufmanns“ halten. Die meisten kleinen und mittleren Unternehmen tun das auch und benötigen keinen Compliance Officer dafür. Mit Fairness existiert ein weiterer Bereich der Unternehmensethik, dessen Wirkung oft unterschätzt wird.

Warum sollen Unternehmen besonders fair sein, wenn sie schon gesetzestreu und ehrlich sind?

Decken Gesetze und der kaufmännische Verhaltenskodex nicht schon alles Wesentliche ab und machen ein Unternehmen berechenbar genug, um auf ethischer Augenhöhe am Geschäftsverkehr teilnehmen zu können?

Fairness erzeugt Vertrauen

Die Art und Weise, in der ein Unternehmen als fair, flexibel und entgegenkommend wahrgenommen wird, ist ein wesentlicher Verstärker seiner Vertrauenswürdigkeit. Wenn alle ernsthaften Mitbewerber korrekt und ehrlich sind, ist Fairness das Extra, mit dem man sich von den anderen abheben kann.

Interessanterweise ist die eigene ethische Beweglichkeit auch dann noch ein Vertrauens-Booster, wenn der Wettbewerb sich ebenfalls anständig verhält. Weil für Fairness keine verbindliche Definition existiert, spielt immer die praktische Interpretation eine Rolle. Insofern leben Unternehmer ihre eigene Auslegung dessen, was sie für fair oder unfair halten. Dass es da Unterschiede gibt, ist nur natürlich.

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Um die Konkurrenz derart an Vertrauenswürdigkeit zu übertreffen, ohne sich dauernd zu falschen Zugeständnissen bewegen oder gar über den Tisch ziehen zu lassen, braucht es einen persönlichen Kompass, an dem man sich orientieren kann. Dafür, dass dieser Kompass tatsächlich existiert, tragen wesentlich die amerikanischen Forscher Jerald Greenberg und Gerald S. Leventhal die Verantwortung.

Die Prinzipien der Fairness

Jerald Greenberg unterscheidet die drei Formen der prozeduralen, distributiven und interaktionalen Fairness:

1. Prozedurale Fairness

Die prozedurale Fairness hat eine gerechte Entscheidungsfindung im Sinn, die unter Abwägung aller wesentlichen Argumente nachvollziehbar sein sollte.

2. Distributive Fairness

Die distributive Fairness betrifft den Verteilungsschlüssel: Werden Güter und Vorteile nach Leistung vergeben, nach dem Prinzip der Gleichheit oder nach individueller Bedürftigkeit?

3. Interaktionale Fairness

Die interaktionale Fairness bezieht sich auf den Umgang mit Personen (interpersonal) und Informationen (informational). Respektvoller Umgang und geteilte Kommunikationsstandards werden mit aktiver und transparenter Informationspolitik gepaart.

Gerald S. Leventhal ergänzt diese Definitionen und unterteilt die prozedurale Fairness in sechs Aspekte:

  1. Konsistenz: Für alle soll das Gleiche gelten
  2. Neutralität: Der Standpunkt soll unvoreingenommen sein
  3. Akkuratheit: Die Basis der Entscheidung sind genaue Informationen
  4. Revidierbarkeit: Fehlerhafte Entscheidungen müssen revidiert werden können
  5. Ethik: Entscheidungen fußen auf von allen geteilten Wertvorstellungen
  6. Repräsentativität: Die Bedürfnisse und Meinungen aller sollen berücksichtigt werden

Zunächst klingen diese Aufstellungen zwar recht theoretisch. Mit etwas Kreativität und Überlegung lassen sich ihre Kriterien aber in eine Art Checkliste übersetzen, nach der man seine Entscheidungen innerlich rechtfertigen und nach außen transparent begründen kann. Das kann im Zweifelsfall schließlich bedeuteten, dass die Absage an ein Ansinnen von außen mit weniger Enttäuschung akzeptiert wird, weil sie nachvollziehbar begründet ist.

Fairness ist Geld wert und keine Einbahnstraße

Zur These, dass Fairness keine einseitige Angelegenheit ist, hat der amerikanische Philosoph John Rawls Mitte der 1950er-Jahre einen Aufsatz verfasst. In Gerechtigkeit als Fairness argumentiert er, dass faires Gebaren das gesunde Eigeninteresse nicht preisgibt, sondern befördert. Wer auf andere zugeht, darf in einer Gesellschaft mit geteilten Normen davon ausgehen, dass andere auch ihm gegenüber fair sind – ein Prinzip, das „Reziprozität“ genannt wird.

Sei fair und werde fair behandelt.

Es versteht sich, dass faire Unternehmen hohes Vertrauen nach außen genießen. Doch auch im Innenverhältnis hat Fairness geldwerte Vorteile. Mitarbeiter, die ihre Organisation als fair wahrnehmen, sind hoch arbeitszufrieden und entsprechend engagiert. Gestützt auf hohes Führungsvertrauen arbeiten sie kooperativ und produktiv und stehen Veränderungen offen und angstfrei gegenüber.

Ist Fairness jedoch Mangelware, ziehen sie sich emotional zurück, kündigen innerlich und weisen höhere Fehlzeiten auf. Nach wissenschaftlichen Studien wirkt sich Unfairness unter Umständen sogar gravierend auf die Gesundheit der Mitarbeitenden aus – bei psychosomatischen Symptomen angefangen bis zum Fiasko eines größeren Herzinfarktrisikos.

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Kann Fairness jemals objektiv sein?

Fragt sich noch, woran Menschen objektiv, oft aber subjektiv festmachen, dass sie unfair behandelt wurden. Die Amerikaner Robert Folger und Russell Cropanzano geben mit ihrer Fairness-Theorie eine Antwort mit den drei Kriterien could, would und should darauf. Nach ihnen liegt gefühlte und erlebt Unfairness dann vor, wenn man meint:

  • Could: Der „unfair“ Handelnde hätte grundsätzlich anders handeln können.
  • Would: Er hätte Alternativen gehabt, die besser gewesen wären.
  • Should: Er hätte nach Umgangsnormen anders handeln sollen.

Wer als Unternehmer oder Führungskraft und Manager in eine Fairnessdiskussion eintritt sollte diese drei Punkte im Hinterkopf behalten. Dass nämlich eine Entscheidung der Checkliste der prozeduralen Fairness folgt, belegt nicht zwingend, dass es nicht auch grundsätzlich andere, intelligentere oder ethisch höher bewertetet Möglichkeiten gegeben hätte – oder dass es Menschen subjektiv so erscheint.

Transparenz erzeugt Verständnis. Verständnis schafft Vertrauen

Insofern kann eine Diskussion, ob fair oder nicht, kaum zu 100 Prozent objektiv geführt werden. In einer zunehmend diversen Gesellschaft gilt das insbesondere dann, wenn die Normen, nach denen ein Unternehmen handelt, andere sind, als die der dadurch Betroffenen. Hier kann es bestenfalls gelingen, Entscheidungen transparent und verstehbar zu machen, um damit Ernsthaftigkeit und aufrichtiges Bemühen zu beweisen. Aber auch das ist schon ein großer Gewinn in einer Welt, in der das Misstrauen schnell zum schädlichen Verkaufsfaktor werden kann.

Volker Römermann

Prof. Dr. Volker Römermann ist Vorstand der Römermann Rechtsanwälte AG in Hannover, Hamburg, Berlin, Frankfurt, Erfurt und Mannheim und als Experte und Berater bzw. Vertreter insbesondere im Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht und im Recht der freien Berufe bekannt. Gerade bei schwierigen und komplexen Vertragsverhandlungen werden seine langjährige Erfahrung und die Verhandlungsführung im In- und Ausland geschätzt. Volker Römermann hält eine Honorarprofessur an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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