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SchlüsselübergabeUnternehmensnachfolger, die einen Betrieb übernehmen wollen, sollten sich nicht nur um den Businessplan und den Unternehmensfahrplan kümmern. Ein zentrales, oft unterschätztes Element ist ein Unternehmens-Leitbild. Es beschreibt, wohin die Unternehmensreise qualitativ gehen soll und welche Werte gelebt werden sollen. Damit bietet es den Nachfolgern und den Abgebern eine messbare Orientierung.

Die familiären Unternehmensnachfolger sind geprägt von den Erziehungswerten und den erlebten Unternehmenswerten der Eltern. Vater und Mutter sind häufig die Leitfiguren, die verschiedene Situationen, Lob und Tadel verantworteten und damit das Unternehmen prägten. Meist ziehen sich die Eltern schrittweise zurück und hoffen, dass ihre „Kinder“ das Unternehmen ordentlich weiterführen – genauer gesagt: „im Sinne der Eltern“.

Das Problem ist, dass die Nachfolger das Unternehmen aber in ihrem eigenen Sinne und mit ihrer eigenen Persönlichkeit weiterführen müssen und nicht als Abziehbilder der Eltern. Und gerade hierbei kommt dem Unternehmens-Leitbild eine ganz besondere Bedeutung zu. Diese verdeutlichen die beiden folgenden Beispiele aus der Coachingpraxis.

Unternehmensnachfolge: Das Unternehmens-Leitbild als Generationenbrücke

Ein mitarbeitender Sohn und potenzieller Unternehmensnachfolger hatte regelmäßig mit seinem Vater Konflikte über die Unternehmenspolitik und Ausrichtung des Unternehmens. Dadurch war das Vertrauen des 64-jährigen Vaters in die alleinunternehmerische Leistungsfähigkeit des 33-jährigen Sohns gestört. Beide sind Geschäftsführer. Er befürchtete, dass sein Image als geschätzter Unternehmer in der Gemeinde und seine Altersversorgung gefährdet seien.

Andererseits muss der Sohn seine dreiköpfige Familie ernähren. Das Unternehmen beschäftigte 25 Mitarbeiter und war zu 90% auf gewerbliche oder private Ausschreibungen, meist im Neubausektor, konzentriert. Die Ertragslage war seit einigen Jahren sehr angespannt. Der Sohn, Handwerksmeister und Betriebswirt, wollte sich deshalb bereits seit ca. vier Jahren verstärkt neuen Privatkunden und dem Kleingewerbebereich zuwenden, um dort Heizungs- und Badmodernisierungen durchzuführen.

An dieser Stelle setzte mein Coachingprozess ein: Zunächst in Einzelgesprächen und dann zu dritt klärten wir die beiderseitigen Anliegen und einigten uns darauf, Vorstellungen, Werte, Qualität und Ziele in einem Unternehmens-Leitbild zu formulieren. Meine Funktion dabei war, als neutraler Vermittler, Klärungs- und Formulierungshelfer für die Sätze im Unternehmens-Leitbild zu agieren.

Die Problemdefinition und die Zielformulierungen lagen bereits aus den Einzelgesprächen vor, sodass diese Gedanken zur künftigen Unternehmensausrichtung nun noch passend schriftlich formuliert werden mussten. Allerdings gab es auch hierbei Diskussionsbedarf.

Unternehmensnachfolge: Diskussionsbedarf bei den Formulierungen

Dazu ein Beispiel: Bei der Formulierung „Wir beraten hersteller- und produktneutral und finden für unseren Kunden seine beste nutzenbringende Lösung“ entstand ein Spannungsfeld, weil der Vater bislang die Firmenfahrzeuge und das Betriebsgebäude mit dem Namen seiner Hauptlieferanten gestaltet hatte. Der Sohn dagegen wollte künftig die Unternehmensmarke als Gestaltungselement in den Vordergrund stellen.

Als Konsequenz aus der Formulierung im Unternehmensleitbild resultierte, dass man nun ein neues Unternehmenslogo entwickelte, das heute auf Fahrzeugen, Kleidung, Gebäude usw. präsentiert wird.

Ein weiteres Formulierungsbeispiel lautet: „Wir investieren in Zeit und Geld nur dann, wenn wir den Nutzen und ROI (Return-On-Invest) festgelegt haben.“ Nach diesem Prinzip prüfte der Sohn auch alle Inventurbestände, Maschinen und Geräte und konnte so feststellen, wo unnötig Kapital gebunden ist. Nach anfänglichen Diskussionen war der Vater letztlich sehr erfreut, da er darin die Sicherheit für die wirtschaftliche erfolgreiche Fortführung des Unternehmens erkannte.

Bewährungsprobe für das Unternehmens-Leitbild

Vater und Sohn nahmen die drei DIN A4 Seiten des Unternehmens-Leitbildes mit nach Hause, um es auf sich wirken zu lassen und mit den Ehepartnern zu besprechen. Nach zwei Wochen trafen wir uns wieder, um kleine Nachbesserungen vorzunehmen und die Verankerung in das Tagesgeschäft zu planen.

Gleichzeitig wurden die Rollen des Vaters und des Sohnes innerhalb und außerhalb des Unternehmens geklärt. Man besprach den Umgang mit dem Unternehmens-Leitbild, die Entscheidungsfindung, Umgang mit Vaters Ratschlägen und viele anderen möglichen Konfliktminen und vereinbarte entsprechende Vorgehensweisen.

Nach fast einem Jahr zeigte sich, dass sich vor allem das Unternehmens-Leitbild und die festen Besprechungstermine bewährt haben. Die miteinander vereinbarte Umgestaltung hat erste Früchte getragen. Am mühevollsten war und ist noch die Umstellung von den langjährigen Mitarbeitern auf die neue Ausrichtung und Führung durch den Sohn.

Vor allem bei den Geschäftsführerbesprechungen sitzt das Unternehmens-Leitbild symbolisch auf einem dritten Stuhl, quasi als Vorsitzender der Geschäftsführung. Es ist Helfer und Richtschnur bei allen Entscheidungen, um in der formulierten Spur zu bleiben – bei Mitarbeiterbesprechungen, Betriebsversammlungen sowie in Gesprächen mit Dienstleister, Lieferanten und Banken.

Die Haltung der Unternehmer hat sich gegenseitig positiv verändert. Sie handeln heute klarer, mit mehr gegenseitigem Vertrauen und treffen alle Entscheidungen überzeugter.

Der wahre Wert eines wirklich nachhaltigen Unternehmens-Leitbildes entfaltet sich erst durch die alltägliche und bewusste Anwendung auf allen Ebenen innerhalb des Betriebs und im Außenverhältnis mit Kunden, Lieferanten etc. Unternehmer, die schon seit vielen Jahren aktiv mit ihrem Leitbild arbeiten, haben zufriedenere Mitarbeiter und erzielen dementsprechend auch bessere wirtschaftliche Ergebnisse im Vergleich zu Mitanbietern ohne klares und gelebtes Unternehmens-Leitbild.

Sollten Sie diese Kraftquelle noch nicht kennen, dann probieren Sie diese doch einmal aus. Und wenn Sie zuversichtlich und optimistisch an die Sache herangehen, dann klappt es auch.

(Bild: © shoot4u – Fotolia.com)

Dieter Grabs

Unser Autor Dieter Grabs ist seit 1987 selbständiger Berater und Trainer für Marketing/Verkauf in verschiedenen Branchen. Seit 1999 wirkte er auch als UnternehmerCoach in über 80 Unternehmen.

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