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Fall 2: Die gleiche Situation und ein Vorgehen, das als ‚gewaltfreie Kommunikation‘ bezeichnet wird (Text von Günter Seemann): „Herr X, ich möchte mit Ihnen über Ihren letzten Arbeitsbericht sprechen. Erstens habe ich festgestellt, dass Sie Ihre eigene Berichtsform verwenden, und zweitens haben Sie die festgelegte Mindestzahl der wöchentlichen Kundenbesuche nicht erreicht. Das hat mich einerseits frustriert und andererseits enttäuscht, weil ich Wert darauf lege, das sich alle an die festgelegte Berichtsstruktur halten, denn dadurch habe ich einen sofortigen Überblick. Ganz besonders wichtig ist mir aber, dass alle die Mindestanzahl der Kundenbesuche erreichen, denn das gibt mir die Sicherheit, dass wir unseren Betreuungsauftrag gegenüber unseren Kunden erfüllen. Deshalb möchte ich Sie bitten, dass Sie zukünftig Ihren Bericht nach der vereinbarten Struktur erstellen und die Mindestanzahl der Kundenbesuche nicht unterschreiten. Ist das so in Ordnung für Sie?“

Dieses Vorgehen ist OK. Wenn man sich in den Mitarbeiter hineinversetzt, fühlt sich dieser zwar sicher betroffen, jedoch nicht angegriffen, und er weiß, was von ihm erwartet wird. Aber ist er auch motiviert? Und begeistert?

Fall 3: Sie sagen: „Herr X, ich möchte mit Ihnen über Ihren letzten Arbeitsbericht sprechen. Ich habe festgestellt, dass Sie Ihre eigene Berichtsform verwenden. Auch haben Sie die festgelegte Mindestzahl der wöchentlichen Kundenbesuche nicht erreicht. Damit ich das besser verstehe, interessiert mich Ihre Sicht der Dinge.“ Nun machen Sie eine Pause, damit der Mitarbeiter reden kann. Je nach Antwort geht es dann weiter wie folgt: „Danke, das macht die Sache für mich klarer. Nun brauche ich von Ihnen einen Vorschlag, wie Sie beides in Zukunft optimieren wollen.“ Diesmal machen Sie eine lange Pause, damit der Mitarbeiter Zeit zum Denken und Reden hat. Je nach Antwort sagen Sie dann: „Ja, das hört sich gut an. Können wir das so notieren (dabei freundlich nicken)? Bitte kommen Sie nächsten Mittwoch vorbei, mich interessiert der Zwischenstand sehr. Und danke, Herr X, dass Sie sich so engagiert an die Sache heranmachen.“

Dieses Vorgehen ist begeisternd. Dem Mitarbeiter wurde nichts vorgegeben, er hat die Lösung selber gefunden. Selbstorganisation und Eigenverantwortung sind also gesichert. Damit Konsequenz und Verlässlichkeit ins Spiel kommen und die Umsetzungswahrscheinlichkeit steigt, wird das verabredete Vorgehen schriftlich festgehalten. Außerdem zeigt der Chef Interesse am Zwischenergebnis und bleibt so eng am Thema dran. Der Zuspruch am Ende öffnet und motiviert. Wichtig dabei: Zeigen Sie Emotionen! Ihre Leute wollen und müssen wissen, wie es ‚Mensch‘ Führungskraft geht. Ein Pokerface ist beim Poker-Spiel unerlässlich, im Mitarbeitergespräch hingegen ist es überaus schädlich.

Fazit in Sachen Begeisterungsführung

Egal, um welche Aufgabe es sich handelt: An allen Mitarbeiter-Touchpoints lassen sich Führungssituationen nach dem Schema:

  • Was ist enttäuschend?
  • Was ist OK?
  • Was ist begeisternd?

theoretisch durchspielen, um optimale Soll-Vorgehensweisen zu finden. Dies kommt schon quasi einem Emotionsmanagement gleich, das nicht nur im Kundenkontakt, sondern auch in der Führungsarbeit immer stärker gefordert wird. Gemeinsam mit Kollegen lässt sich ein breites Spektrum von Möglichkeiten finden.

Übrigens lohnt es sich auch, hierzu die Vorschläge der Mitarbeiter einzuholen. So wird nicht nur deren Leistungsbereitschaft gesteigert, sondern auch die Fluktuationsneigung wichtiger Leistungsträger gesenkt, was beides betriebswirtschaftlich sehr zu begrüßen ist. Mitarbeiter bei allem, was sie letztlich betrifft, zu befragen, zu involvieren und unternehmerisch einzubinden, erzeugt den ‚Mein-Baby-Effekt‘. Und sein Baby lässt man bekanntlich nicht im Stich.

(Das Buch zum Artikel von Anne M. Schüller: Touchpoints – Auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute)

Seiten: 1 2

Anne M. Schüller

Anne M. Schüller ist Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Sie zählt zu den gefragtesten Rednern im deutschsprachigen Raum. 2015 wurde sie in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Ihre jüngsten Bücher heißen „Die Orbit-Organisation“ und „Querdenker verzweifelt gesucht“.

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One Comment

  • Günter Heini sagt:

    Ein sehr guter Artikel! Er legt den Finger genau in die Wunde, die viele Führungskräfte haben. Sie können mit Ihren Mitarbeitern nicht wirklich gut umgehen.

    Sie sind sehr schnell mit Vorschlägen und langsam mit Lob. Aber dank solcher Artikel werden sich manche angesprochen fühlen, da bin ich mir sicher.

    http://www.blog.ihr-text-coach.de

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