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Mitfahrzentrale: Interview mit flinc.orgIn unserer Reihe „Start-up Interview“ spüren wir interessante Start-ups aus ganz Deutschland auf und fragen, wie alles begann, was geplant war, und wie die Pläne umgesetzt wurden. Bei unserer Recherche sind wir auf www.flinc.org gestoßen. Benjamin Kirschner ist Gründer von flinc.org und unser nächster Kandidat im Interview.

unternehmer.de: Wann und wie wurde flinc gegründet? Wie kam die Idee zustande und was ist Euer Angebot?

Benjamin Kirschner: Unser Ziel war es und ist es, eine intelligente und vernetzte Mobilität zu schaffen. Der Grundstein für flinc wurde bereits 2008 an der Hochschule Darmstadt gelegt, als ich zusammen mit meinen Kommilitonen Michael Hübl und Alexander Kuhn überlegt habe, wie man die Mobilität verbessern kann. Gerade in den Stoßzeiten sitzen in jedem Auto durchschnittlich nur 1,1 Personen. Mit flinc wollen wir diesen Wert erhöhen. Die geringe Auslastung ist extrem ineffizient, erhöht die Staugefahr und die Umweltbelastung. Von den Tankkosten, die jeder alleine tragen muss, ganz zu schweigen. Wir verfolgten die Idee von flinc ein Jahr während unseres Studiums und trafen nach unserem Abschluss die Entscheidung, dass flinc auf die Straße kommen soll. Im Mai 2010 konnten wir dann zusammen mit Dr. Klaus Dibbern die flinc AG gründen. Heute bieten wir unseren Nutzern einen Service, mit dem sie komfortabel ihre Fahrten planen. Der Hauptanwendungsfall ist derzeit die täglichen Fahrten zur Arbeit oder zur Uni. Aber auch die Fahrt zum Supermarkt oder zum Konzert ist mit flinc durch die automatische Vermittlung von Fahrer und Mitfahrer in Echtzeit möglich. Ich brauche nicht zu suchen, sondern bekomme sofort Fahrtangebote von flinc vorgeschlagen, bei denen ich von Tür zu Tür gefahren werde. Damit sparen Fahrer und Mitfahrer Geld, sie sind flexibler und sie sind gemeinsam unterwegs, statt alleine im Auto zu sitzen.

Zusammen zur Arbeit fahren mit flinc

Zusammen zur Arbeit fahren

unternehmer.de: Was unterscheidet flinc von anderen Unternehmen der Branche oder Mitfahrzentralen?

B. Kirschner: Wir sind kein schwarzes Brett, wir sind ein Social Mobility Network. flinc vermittelt weltweit automatisch Fahrer und Mitfahrer. Als einziger Anbieter vermittelt flinc auch Teilstrecken. Wenn der Fahrer also von München nach Hamburg fährt, bietet ihm flinc auch Mitfahrer von Nürnberg nach Frankfurt an. Diese Technologie bietet natürlich auch bei der Pendelfahrt enorme Vorteile. Wir sind weltweit das erste Mitfahrsystem, das in die Navigationssysteme von Navigon und Bosch integriert ist. Wenn Sie flinc nutzen und am Sonntag ein Mitfahrangebot angenommen haben, weiß Ihr Navi am Montagmorgen, wo Sie den Mitfahrer abholen müssen und leitet sie direkt dorthin. Sie können sogar einfach in Ihr Auto einsteigen, das Navigationssystem anmachen und losfahren. Ihre Route wird direkt in flinc eingespeist. Selbst während der Fahrt können Sie noch Anfragen von Mitfahrern annehmen.

Benjamin Kirschner, Gründer von www.flinc.org

Benjamin Kirschner ist der Gründer von www.flinc.org

unternehmer.de: Was waren denn die größten Ängste und Bedenken bei dem Gedanken an die Unternehmensgründung?

B. Kirschner: Wir hatten das Glück, sehr schnell mit Leuten zu sprechen, die uns beim Start geholfen haben. Unsere Familien haben uns unterstützt, die Hochschule bzw. das Career Center, später die Investoren. Klaus Dibbern ist als erfahrener Entrepreneur und Business Angel bei uns eingestiegen. Wir haben mit der Idee von flinc begeistert, weil wir selbst begeistert waren. Natürlich gab und gibt es Situationen, in denen man sich nicht sicher sein kann, ob ein Plan aufgeht. Gerade beim Aufbau des Teams haben wir viel miteinander gesprochen. Wie finden wir die richtigen Mitarbeiter, was fehlt uns noch im Team?

unternehmer.de: Welche finanziellen Quellen standen bei der Gründung zur Verfügung? Gab es Momente, in denen existenzielle Unsicherheiten in Euch aufkamen? Warum?

B. Kirschner: Wir hatten am Anfang unsere Familien im Rücken, und später Investoren, die unsere Vision auch langfristig unterstützen: die ISB Rheinland-Pfalz und die KfW. Natürlich müssen wir unsere Ziele erreichen, um das Vertrauen, welches uns geschenkt wird, zu rechtfertigen. Anfänglich habe ich mir Gedanken gemacht, was passiert, wenn flinc nicht funktionieren sollte. Mittlerweile drehen sich meine Gedanken nur noch darum, wie wir flinc auf die nächste Stufe heben können. Keiner aus unserem Team muss um seine Existenz fürchten. In einem Start-up lernt man, effektiv und effizient zu arbeiten und mitzudenken. Diese Qualitäten werden in jedem Unternehmen geschätzt. Jetzt, nach einem Jahr auf dem Markt, haben wir flinc so weit entwickelt, dass wir den Proof of Concept haben. Mit der neuen Version ab Anfang August treten wir an, den Markt auf breiter Front zu erschließen.

unternehmer.de: Wenn Ihr heute zurückblickt: Was waren die größten Fehler, die Ihr vor oder während der Gründung begangen habt?

Per App oder Web Fahrer und Mitfahrer suchen

Per App oder Web Fahrer und Mitfahrer suchen

B. Kirschner: Wir haben uns lange mit dem Aufbau des Teams und der Finanzierung beschäftigt. Im besten Fall sollte man von Anfang an den Fokus auf das Produkt setzen und keinen Stillstand in der Entwicklung herbeiführen. Essentiell für ein schnelles Vorankommen ist ein Kernteam, welches einhundert Prozent seiner Zeit in das Produkt und das zukünftige Unternehmen investiert. Halbe Sachen funktionieren einfach nicht. Die Erfahrung von Klaus hat uns enorm weitergeholfen und sicherlich einige Fehler von Anfang an verhindert.

unternehmer.de: Jetzt zum Positiven! Worauf seid Ihr im Rückblick besonders stolz, was waren Eure größten Erfolge?

B. Kirschner: Wir sind sehr glücklich, dass heute bereits über 80.000 Menschen mit flinc unterwegs sind und das wir immer ein offenes Ohr für unsere Nutzer haben! Im Support, im Forum, auf Facebook und auf Twitter. Wir kommunizieren auf vielen Kanälen mit unseren flincern. Unternehmen wie Vaude und Bosch Car Multimedia nutzen unsere Unternehmenslösung und viele weitere werden in den kommenden Monaten folgen. Die Nachfrage ist enorm. Wir haben Kooperationen mit DriveNow, Bosch und Navigon geschlossen und konnten gemeinsam etwas einmaliges schaffen. Wir sind immer wieder aus unserer Komfortzone herausgekommen, um flinc voranzubringen. Wir sind daran gewachsen.

Wir pflegen eine sehr offene Atmosphäre im Team. Es ist toll, wenn jeder seine Meinung und seine Ideen kundtut und flinc voranbringt. Das schlägt sich auch in zahlreichen Auszeichnungen nieder. Gartner hat uns als „Cool Vendor 2012“ ausgezeichnet, die Bitkom hat uns den Urban Solution Pitch verliehen, Peter Ramsauer hat uns für unser Engagement im ländlichen Raum ausgezeichnet, wir haben den Pioniergeist Award gewonnen. Wir freuen uns sehr, dass immer mehr Personen und Unternehmen erkennen, welchen Nutzen flinc für die Gesellschaft, aber auch für jeden Einzelnen hat. Ein Bericht über flinc in der Tagesschau hat dem Ganzen das Sahnehäubchen aufgesetzt.

unternehmer.de: Welche Tipps würdet Ihr Menschen geben, die sich gerade im Moment mit dem Gedanken beschäftigen, ein Unternehmen zu gründen?

B. Kirschner: Es gibt viele Tipps. Einer der wichtigen ist sicherlich: Mach! Erfolgreiche Gründer gründen. Suche den Austausch mit anderen Gründern und sei offen für Kritik an deiner Idee. Wer seine Idee nicht mit anderen teilt, kann sie nicht verbessern und wird sehr wahrscheinlich keinen Erfolg haben.

unternehmer.de: Welche Charaktereigenschaften sind ein absolutes Muss, um sich als Start-up behaupten zu können?

B. Kirschner: Man muss sich im Unternehmen darüber im Klaren sein, wie man am Markt agieren will. Wie möchte ich mit Partnern umgehen, wie möchte ich meine Kunden behandeln? Man muss sich für den Markt und das Umfeld interessieren, um Chancen nicht zu verpassen und Trends früh zu erkennen. Essentiell ist aus meiner Sicht ein hohes Maß an Agilität. Bei flinc haben wir sehr schlanke Strukturen aufgebaut, die es uns ermöglichen, Ideen und Verbesserungen schnell umzusetzen. Interdisziplinäre Zusammenarbeit gehört zu unserem Alltag. Es wird nur sehr wenig, wie wir sagen, „für die Tonne“ konzipiert. Nutzerzentriertes Arbeiten ist ebenfalls sehr wichtig. Wir arbeiten eng mit unseren Nutzern zusammen, interpretieren ihr Feedback und lassen es in die Entwicklung einfließen. So kann man in unserem Forum nicht nur geplante und umgesetzte Features sehen, sondern auch selbst Features vorschlagen oder hochvoten.

Unkomplizierte Mitfahrgelegenheit

Unkomplizierte Mitfahrgelegenheit

unternehmer.de: Eine lustige Anekdote aus der flinc-Welt?

B. Kirschner: Lieber gleich ein paar. Wir haben eine Verkehrsampel, die den Status unseres Staging Servers (das ist unser Testsystem) anzeigt. Und wir haben einen Testing-Sombrero, der aufgesetzt wird, wenn die neuen Apps auf Fehler geprüft werden. Viele unserer Nutzer sind Pendler oder Studierende, aber eine unserer ersten Nutzerinnen ist eine Frau, die auf ihren Rollator angewiesen ist. Sie organisiert Ihre regelmäßige Fahrt zum Arzt mit flinc. Einer ihrer häufigsten Fahrer ist ein Chorleiter. Man sieht: Auch außerhalb unserer Kernzielgruppe spielen sich wundervolle Geschichten ab.

unternehmer.de: Wir haben gesehen, Ihr seid auch auf dem Barcamp Nürnberg vertreten gewesen. Nutzt Ihr solche Veranstaltungen häufiger, um auf Euch aufmerksam zu machen?

B. Kirschner: Social Media ist ein wichtiges Thema für uns, wir suchen die Community, nicht nur online, sondern auch im richtigen Leben. Auf den Barcamps treffen wir Nutzer, aber auch mögliche Kooperationspartner. Die Veranstalter nutzen flinc auch als offiziellen Mobilitätspartner. Die Barcampsbesucher können also gemeinsam zum Event fahren.

Im gleichen Sportclub? Auto teilen!

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unternehmer.de: Ihr bietet ganz neu auch eine „Mobilitätslösung für Unternehmen“ an. Was genau kann man sich darunter vorstellen und wie funktioniert das Ganze?

B. Kirschner: Die Unternehmen haben erkannt, dass betriebliches Mobilitätsmanagement nicht nur gut für den Mitarbeiter ist, sondern auch dem Unternehmen selbst einen großen Mehrwert bereitet. Parkraumkosten, CO2 Einsparungen und eine erhöhte Kommunikation zwischen den Mitarbeitern sind nur einige Faktoren. Speziell für Unternehmen bieten wir Lösungen, mit denen die Mitarbeiter flexibel gemeinsam pendeln. Das funktioniert viel besser als starre Lösungen oder schwarze Bretter. In einer bundesweiten Studie haben wir festgestellt, dass die meisten Mitfahr-Initiativen an der fehlenden Flexibilität scheitern. Hier können wir Abhilfe schaffen. Eine Einführung von flinc im Unternehmen ist in fünf Schritten ganz einfach vollzogen. Wir benötigen nur wenige Tage den Service selbst bei mehreren, auf der ganzen Welt verteilten Standorte einzurichten. Dank der frühen Zusammenarbeit mit großen Konzernen wissen wir, wie wir die hohen Anforderungen im Bezug auf Datenschutz und Privatsphäre der Mitarbeiter erfüllen müssen. Dieses runde Paket wird von den Unternehmen sehr gut angenommen. Wir freuen uns darauf, schon bald neue Kunden von flinc bekanntgeben zu dürfen.

unternehmer.de: flinc ist ja ganz schön gewachsen, was sind eure Pläne für die Zukunft?

B. Kirschner: Wir haben bereits viel geschafft und stehen trotzdem erst am Anfang. Es geht jetzt darum, den Markt breit zu erschließen. Dazu bauen wir das Social Mobility Network zusammen mit unseren Nutzern und Kooperationspartnern weiter aus. Intelligente, vernetzte Mobilität ist ein langer aber sehr spannender Weg.

(Artikelbild: © Thaut Images – Fotolia.de)

(Fotos: © flinc.org)

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