Skip to main content

„Wie sollen wir dieses Thema angehen?“ Das fragen sich zurzeit verunsichert viele Führungskräfte, wenn es um den KI-Einsatz in ihrer Organisation geht – auch weil die zahlreichen in dieser Debatte genutzten Buzzwords sie von den wesentlichen Fragen ablenken.

„Haben Sie heute schon Data Mining in der RPA-Anwendung betrieben, um die Basis für ein Machine Learning in Ihrer Organisation zu legen? Und schon über die richtigen Prompts für das Einbinden generativer KI nachgedacht? Und das Neural Network aktiviert?“

Der Hype rund ums Thema künstliche Intelligenz hat uns zahlreiche neue Buzzwords beschert, die in der KI-Debatte zu einem Zustand maximaler Verwirrung führen. Auch deshalb fühlen sich nicht wenige Personen, die in den Unternehmen Verantwortung für deren Entwicklung und Erfolg tragen, überfordert und stöhnen innerlich: „Hilfe! Ich bin doch kein Data Scientist!“

Auf die meisten Buzzwords kann man verzichten

Diese Panik bzw. Verunsicherung ist unbegründet, denn auch wer die Definition von Machine Learning und neuronalen Netzwerken nicht morgens früh korrekt aufsagen kann, kann KI-Anwendungen nutzen bzw. für deren gezielten Einsatz in seiner Organisation sorgen. Denn beim Auto wissen die meisten von uns ja auch nicht genau, was in ihm passiert, wenn man den Motor anlässt – und trotzdem entscheiden sie sich für den Kauf bzw. die Nutzung eines Autos. Und wer seinen Computer anschaltet, weiß in der Regel auch nicht, was dann genau in dessen Mainboard passiert. Und dies zu wissen, ist für die Anwender dieser Technologien auch nicht nötig. Denn ansonsten würde eine simple Autofahrt zum „Highspeed Acceleration Transport Object based on Machine Power“ mutieren. Und wir würden nicht am Computer, sondern an einer „Mainboard driven Data Processing Engine 3.0“ arbeiten.

EXTRA: Mehr als ein Buzzword: Was kann Data Science wirklich?

Aus der KI keine Raketenwissenschaft machen!

Sogar Toaster kann man mit Buzzwords zu Hightech-Wunder hochstilisieren: „Accelerated Food Transformation Engine based on artificial driven Heat“. Lassen Sie sich deshalb von all den Buzzwords, die irgendwelche (Marketing-)Experten in Zusammenhang mit der KI erfunden haben, nicht verunsichern. Sie versperren, wenn es um das Thema „KI-Anwendung im Betrieb“ geht, nämlich nur den Blick auf die wesentlichen Fragen:

1. Welche möglichen Anwendungsfälle für künstliche Intelligenz gibt es in unserer Organisation?

Es ist die gleiche Frage, die sich Menschen schon nach der Erfindung des Automobils gestellt haben: Wofür lässt sich diese neue „Problemlösung“ (noch) nutzen? Oder welche (potenziellen) Anwendungsfälle gibt es für den Computer im Westentaschenformat namens Smartphone?

2. Wie berechnen wir den (Mehr-)Wert der Anwendungsfälle?

Auch dies ist nicht nur im betrieblichen Kontext eine alltägliche Frage. Wie viel Zeit und Geld spare ich, wenn ich das Auto nehme? Lohnt sich eine Investition in einen Cloudspeicher? Das Institut Gartner empfiehlt, Investitionen in künstliche Intelligenz genauso zu betrachten, wie die in eine Maschine.

3. Wie können wir Projekte schnell und pragmatisch umsetzen?

Buzzwords führen oft dazu, dass (potenzielle) Anwender zu kompliziert und teuer denken. Wurden erst einmal fünfzehn Data Scientists eingestellt und umfangreiche Investitionen in die Wunderwaffe KI getätigt, wird auch das Projekt monströs. Dabei wird oft vergessen: Das Ziel ist es, von A nach B zu kommen. Und die Alternativen hierbei sind – bildhaft gesprochen auch im Betrieb – zu Fuß gehen, Fahrrad fahren, ein Auto kaufen oder selbst eins entwickeln und bauen. Dabei ist die Letzte die mit Abstand teuerste und komplexeste Vorgehensweise. Das gilt auch für die KI-Nutzung.

Einen Perspektivenwechsel vollziehen

Die Entscheider in den Unternehmen sollten bei der KI-Debatte einen Perspektivwechsel vollziehen: weg von einer primär technologischen hin zu einer (unternehmens-)strategischen Sichtweise. Eher sekundär ist es im Betriebsalltag nämlich, welche Technologie zum Einsatz kommt. Manchmal genügt eine Excel-Integration zur Problemlösung, ein anderes Mal können Herausforderungen mit dem Copilot von Microsoft gelöst werden und in wieder anderen Fällen braucht es komplexere Anwendungen. Was unter strategischen Gesichtspunkten und unter dem Kosten-Nutzen-Aspekt die jeweils beste Lösung ist, genau das gilt es im Unternehmen zu ermitteln.

Konkret heißt dies: Die Entscheider sollten eine Roadmap entwerfen, die darauf abzielt, zunächst systematisch die möglichen KI-Anwendungsfälle in der Organisation zu ermitteln. Danach gilt es unter strategischen Gesichtspunkten, basierend auf einer Kosten-Nutzen-Analyse deren Mehrwert für die Organisation zu quantifizieren, um hierauf aufbauend messbare Entwicklungsziele zu formulieren. Danach gilt es eine To-do-Liste zu erstellen, die zum Beispiel neben dem Bilden und Qualifizieren der erforderlichen Teams auch das Entwickeln und Erproben von Prototypen im Betriebsalltag umfasst.

Wenn Sie sich dem Thema „KI-Nutzung in unserer Organisation“ so nähern, verliert dieses seinen Schrecken. Es gelingt Ihnen zudem, erfolgreich neue Verfahren und Technologien bzw. Problemlösungen in Ihrem Unternehmen zu implementieren, die dieses fit für die Zukunft machen.

Dr. Jens-Uwe Meyer

Dr. Jens-Uwe Meyer ist Geschäftsführer der Innolytics GmbH, Buchautor und Keynote Speaker. Als Unternehmer entwickelt er Software für Unternehmens- und Organisationsentwicklung. Er ist Autor von 11 Büchern zum Thema Innovation. Sein Buch „Digitale Gewinner“ erschien 2019 im Verlag BusinessVillage.

Der Artikel hat dir gefallen? Gib uns einen Kaffee aus!

Leave a Reply