Der Austritt Englands aus der europäischen Union ist leider immer noch mit zahlreichen Unklarheiten und Unwägbarkeiten belastet. Eine dieser Unklarheiten betrifft vertragliche Beziehungen zwischen deutschen und englischen Unternehmen. Durch die Folgen des Brexit können bestehende Verträge problematisch werden, etwa durch mögliche Zollbelastungen.
Besonders für Exporteure stellt sich in diesem Fall die Frage, ob und wie man aus derartigen internationalen Verträgen „herauskommt“ und wie man sich bei künftigen vertraglichen Beziehungen mit englischen Unternehmen absichern soll.
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— Berliner Tageszeitung (@BlnTageszeitung) 11. Juni 2018
Im ersten Schritt ist herauszufinden, nach welchem Rechtssystem sich die vertragliche Beziehung richtet. Hier ist entscheidend, ob das deutsche oder das englische Recht die Rechte und Pflichten der Parteien bestimmt. Meistens ist das im Vertrag geregelt und das entsprechende Land gilt als Ort der Austragung von Streitigkeiten.
Wie ist die Rechtslage in Deutschland?
Wegfall der Geschäftsgrundlage
In Deutschland kann es auf Grund von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage zur Vertragsauflösung kommen. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage liegt vor, wenn aufgrund von schwerwiegenden Änderungen der wesentlichen Umstände, die Vertragsdurchführung für eine Partei unzumutbar geworden ist. Das gilt für Änderungen, die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar waren. Bejaht man den Wegfall der Geschäftsgrundlage, kommt eine Vertragsanpassung oder eine Kündigung des Vertrages in Frage.
WICHTIG: Eine Einführung von Zöllen wäre eine erhebliche Änderung von Umständen. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage ist bei rein wirtschaftlichen Veränderungen allerdings problematisch. Die rein wirtschaftlich nachteiligen Veränderungen werden in den allermeisten Fällen als zumutbar angesehen.
Dauerschuldverhältnisse
Auch Dauerschuldverhältnisse können aus wichtigem Grund vorzeitig gekündigt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie befristet sind oder nicht. Wie der Name besagt, setzen Dauerschuldverhältnisse voraus, dass dauerndes Verhalten oder wiederkehrende Leistungen geschuldet werden und dass der Umfang der Leistung von der Dauer des Rechtsverhältnisses abhängt.
Unzumutbare Vertragsfortsetzung
Ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn für die kündigende Partei unter Abwägung beiderseitiger Interessen und unter Berücksichtigung aller Umstände die Vertragsfortsetzung unzumutbar ist. Auch vor dem Beginn des Dauerschuldverhältnisses liegende und der kündigenden Partei zunächst unbekannte Tatsachen können einen Grund zur Kündigung geben. Im Rahmen der umfassenden Abwägung sind die Besonderheiten des jeweiligen Vertragstyps in Betracht zu ziehen. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse kann ebenfalls zur Kündigung berechtigen.
Je nachdem, wie sich der Brexit im konkreten Einzelfall auswirkt, kann die Fortsetzung der Dauervertragsbeziehung für die kündigende Partei durchaus unzumutbar sein und damit ein Recht zur Kündigung gewähren.
Nichtigkeitsgründe
Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält zahlreiche Vorschriften, die für bestimmte Fälle als Folge die Nichtigkeit des Vertrags vorsehen. Auch die Rechtsprechung kann durchaus als „nichtigkeitsfreundlich“ bezeichnet werden.
Wegen „Nichtigkeitsfreundlichkeit“ der Rechtsprechung sollte der Vertrag unbedingt auf das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes geprüft werden.
Höhere Gewalt
Häufig enthalten Verträge Regelungen für die Fälle „Höherer Gewalt“, zum Beispiel Naturkatastrophen, Krieg, Unruhen bzw. generell zufällige, nicht vorhersehbare und nicht vermeidbare Ereignisse. Man müsste im Einzelfall genau schauen, ob die jeweilige, konkrete Klausel weit genug formuliert ist, um den Brexit zu erfassen. Das wäre auch ein interessanter Ansatzpunkt, um zu versuchen, im ersten Schritt eine einvernehmliche Vertragsanpassung zu verhandeln.
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Vertragsauflösungen nach englischem Recht
Es ist deutlich schwieriger, einen Vertrag nach englischem Recht aufzulösen. Verträge zu erfüllen, wird in England sehr ernst genommen. Der Tradition entsprechend, sind die Richter sehr zurückhaltend mit Eingriffen in die Verträge der beiden Parteien. Das könnte man als positiv ansehen – denn einmal unterzeichnet, besteht damit die Sicherheit, dass das Vereinbarte nicht irgendwann von einem Richter uminterpretiert oder außer Kraft gesetzt wird. Eine Vielzahl von Markt-Teilnehmern hält das für einen der Vorzüge des englischen Vertragsrechts.
Frustration: Wegfall der Geschäftsgrundlage
Der Wegfall der Geschäftsgrundlage (frustation) erfasst im englischen Recht die Fälle, in denen die Parteien die Änderung der dem Vertrag zugrundeliegenden Umstände nicht vorausgesehen haben und die veränderten Umstände die Natur der vertraglichen Verpflichtungen radikal ändern.
Frustration kommt ausnahmsweise zur Anwendung, wenn das fragliche Risiko keiner Partei zuzuweisen ist oder von keiner Partei verschuldet wurde. Auf den ersten Blick klingt das exakt wie der Fall von Brexit, jedoch wird auch die Doktrin der frustration im englischen Recht sehr restriktiv gehandhabt. Die englische Rechtsprechung lehnt die Anwendung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ab, wenn es für eine Partei „bloß unwirtschaftlich“ geworden ist, den Vertrag zu erfüllen.
Unter frustration wird der Brexit vermutlich nicht fallen. Selbst wenn dies der Fall wäre, gibt es im Rahmen der frustration grundsätzlich keine Vertragsanpassung, sondern „nur“ eine Vertragsauflösung mit Wirkung für die Zukunft. Das liegt wiederum daran, dass die Richter nach der Tradition des common law nicht in die Privatautonomie der Parteien eingreifen und deren vertraglichen Rechte und Pflichten „umstellen“ dürfen.
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Gemeinsamer Fehler – Common (Shared) Mistake about the subject matter
Die Anwendbarkeit dieser Fallgruppe ist stark eingeschränkt, sie gilt für Extremfälle. Grundsätzlich muss die Erbringung der Vertragsleistung unmöglich sein (nicht unbedingt physisch), ohne dass die Parteien sich dessen bei Vertragsschluss bewusst waren. Die Auswirkungen des Brexit werden kaum darunter fallen, zumal die Leistung für den Lieferanten möglich bleibt, wenn auch mit einem höheren finanziellen Aufwand.
Verträge mit unbestimmter oder bestimmter Dauer
Verträge mit unbestimmter Dauer, die nicht ausdrücklich eine Kündigungsfrist vorsehen, sind nach englischem Recht einseitig mit einer angemessenen Frist kündbar. Das wäre also eine elegante und einfache Möglichkeit, aus einem Vertrag herauszukommen. Ist die Vertragsdauer allerdings ausdrücklich festgelegt, besteht eine solche Möglichkeit nicht.
Illegality, Public Policy
Im kommerziellen Kontext sind hier vor allem Wettbewerbsbeschränkungen zu erwähnen. Wenn diese nicht angemessen sind, könnte der Vertrag unter Umständen nichtig sind.
„MAC“ bzw. „Brexit“-Klauseln
Die Finanzbranche verwendet schon lange in ihren Verträgen sogenannte „MAC“-Klauseln (Material Adverse Change – Klauseln). Der Eintritt von negativen Bedingungen, wie Verschlechterung von vertraglich festgelegten finanziellen Parametern bei einem Vertragspartner, gibt dem anderen Vertragspartner das Recht vom Vertrag zurückzutreten.
Klar ist: Je unbestimmter die Klausel, desto mehr Streitpotential birgt sie. Unbestimmte Klauseln erlauben der „bevorzugten“ Partei das Risiko des Eintritts von Umständen, die sich außerhalb der Verantwortlichkeit der Parteien ereignen, der anderen Seite aufzuerlegen. Zudem kann die gegenüberstehende Partei erheblich unter Druck gesetzt und gegebenenfalls zu Zugeständnissen bewegt werden. Die „Brexit“-Klauseln sind von ihrer Struktur her vergleichbar mit „MAC“ – Klauseln.
Eine fair formulierte Klausel wird genau festlegen, wann die Verschlechterung eingetreten ist. Es ist jedoch alles andere als einfach, die Voraussetzungen für einen Rücktritt zu bestimmen und eindeutig festzulegen. Die absehbaren „Verschlechterungsfaktoren“ sollten soweit wie möglich strukturiert werden. Um die noch nicht voraussehbaren Faktoren zu erfassen, könnte man einen Auffangtatbestand hinzufügen, bei dem auf die wirtschaftliche Vergleichbarkeit abgestellt wird. Auch dieser Begriff sollte bestmöglich präzisiert werden, um Fairness zu gewährleisten. Ist eine Vertragsanpassung gewünscht, muss festgelegt werden, wie diese vorgenommen werden soll.
Ähnliche Klauseln sind für den Fall des (harten) Brexits denkbar. Man sollte dabei bestimmen, was als „Verschlechterung“ gilt und wie das bestimmt werden soll. Da beim Thema Brexit leider noch vieles unklar ist, ist hier eine besonders sorgfältige Formulierungskunst angesagt. Falls das englische Recht auf den Vertrag anwendbar ist, sollte man Klauseln vermeiden, die die Parteien lediglich zur (Neu)Verhandlung verpflichten. Die Wirksamkeit solcher Klauseln im englischen Recht scheint immer noch mit Unbestimmbarkeit behaftet zu sein.
Es lohnt sich durchaus, bestehende Verträge auf die Auflösungsmöglichkeiten hin zu prüfen, besonders, wenn die Anwendbarkeit des deutschen Rechts vertraglich vereinbart wurde. Für künftig zu schließende Verträge sollte man die Geltung von „MAC“- bzw. Brexit-Klauseln vereinbaren, die mit viel Bedacht zu formulieren sind.
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