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Die kritische Selbstreflexion zählt zu den wichtigsten Eigenschaften einer jeden Person, die vorankommen will. Der achtsame Blick von oben auf das eigene Tun, auch Adlerperspektive genannt, dient der regelmäßigen Selbstoptimierung.

Habt ihr schon einmal vom Kekstest gehört? Die Sozialpsychologin Deborah Gruenfeld von der Stanford University ließ Studenten in Dreier-Gruppen über umstrittene Themen diskutieren. Per Los wurde jeweils einer der drei dazu bestimmt, die Meinung der beiden anderen zu bewerten. Er hatte also ein kleines Stückchen Macht bekommen.

Als wenig später eine Schüssel mit Keksen gebracht wurde, griffen die ermächtigten Studenten als Erste zu, kauten mit offenem Mund und fanden nichts dabei, den Tisch zu bekrümeln. Ohne sich dessen bewusst zu sein, bekundeten sie so ihren Machtvorsprung.

Wie es zu solchem Verhalten kommt? Macht erzeugt ein gefährliches Hormongemenge, das die Betroffenen – auch ohne es zu wollen – dazu bringt, rücksichtsloser zu werden, sich nicht länger darum zu kümmern, was die anderen denken und mit zweierlei Maß zu messen. Was den Mitarbeitenden niemals erlaubt würde, beispielsweise zu spät zum Meeting zu kommen, nimmt sich der Boss oft ganz selbstverständlich heraus.

Je höher jemand in der Hierarchie steigt, desto eher neigen er oder sie auch zur Selbstüberschätzung, zum Zweckoptimismus und, besonders gefährlich, zur Illusion der Unbesiegbarkeit. „Dem ist sein Erfolg zu Kopf gestiegen“, sagt dazu der Volksmund. Wie man sich davor und vor vielen weiteren Unarten schützt? Durch Selbstreflexion.

EXTRA: Persönlichkeit entwickeln: Fragen zur Selbstreflexion

Mit Adleraugen über sich selbst reflektieren

Selbstreflexion ist ein Denken höherer Ordnung, das bewusste Einnehmen einer Meta-Ebene, um sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Das eigene Tun wird gleichsam aus großer Flughöhe betrachtet, um zu wertvollen Selbsterkenntnissen zu gelangen und sein Verhalten kontinuierlich zu optimieren. Die regelmäßige Selbstreflexion – allein, im Team und im ganzen Unternehmen – ist eine der wirkungsvollsten Maßnahmen, um rasch immer besser zu werden.

Der selbstkritische Blick von oben auf das eigene Tun wird auch Adlerperspektive genannt. Gehe immer dann, wenn du mit Anderen mündlich oder schriftlich kommunizierst, kurz „eine Etage höher“ und frage dich: Ist es wirklich zielführend, was ich da gerade tue? Denk dabei wie ein guter Schachspieler zwei bis drei Züge voraus. Verlasse die ichbezogene Sichtweise und befasse dich mit selbstreflektierenden Fragen.

Zielführende Fragen zwecks Selbstreflexion

Versetze dich zum Beispiel immer dann, wenn du kommunizierst, in die Situation des Anderen – und frage dich:

  • Was wird das, was ich gerade sage/tue, bewirken?
  • Wie wird/kann der Andere das, was ich sage/tue, verstehen?
  • Was wird er/sie daraufhin wahrscheinlich denken oder tun?
  • Ist dies erstrebenswert und das von mir Gewünschte?
  • Was muss/kann ich ändern, damit das Gewünschte entsteht?
  • Lebe ich selbst vor, was ich bei anderen erreichen will?
  • Was kann ich dazu bei mir selbst jetzt gleich verbessern?

Du hast dich bei einer unglücklichen Wortwahl erwischt? Das kannst du sofort korrigieren, etwa so: „Uiii, ich glaube, da hab ich mich grad vergaloppiert. Ich formuliere um …“. Oder so: Oh, sorry, das war unangemessen. Ich geh nochmal auf Start …“. Oder so: „Das habe ich ungünstig ausgedrückt, bitte entschuldige.“

Drei smarte Methoden zur Selbstoptimierung

So manches kommunikative Desaster könnte vermieden werden, würde die Meta-Perspektive systematisch in die tägliche Arbeit integriert. Eine gesunde Selbstreflexion bedeutet natürlich nicht, sich in Selbstzweifeln zu suhlen, das Opferlämmchen zu mimen oder in düsteres Grübeln zu fallen. Sie dient vielmehr dazu, sich zu hinterfragen und Wünschenswertes dann peu à peu zu optimieren. Hier drei Methoden dazu:

>> Die Motto-des-Tages-Technik: Diese selbstreflektierende Technik dient dazu, zusagendes Verhalten zu einer angenehmen Gewohnheit zu machen. Hierbei wird täglich ein ausgewählter Aspekt gezielt trainiert, damit er sich automatisiert. Viele Themen bieten sich dazu an, so etwa auch die fünf magischen Worte, die oft kleine Dialog-Wunder bewirken: bitte, danke, sorry, klasse, gerne. Das klingt fast schon banal, doch oft sind es Details wie diese, die den Unterschied machen. Managementpapst Tom Peters nennt sie „The little big things“.

>> Das Jammerbändchen: Vielerorts ist Klagen und Jammern weit verbreitet. Das nervt, macht miese Stimmung und bringt rein gar nichts voran. Doch wie kriegt man das weg? Die Organisationsberaterin Lydia Schültken empfiehlt dazu ein Jammerbändchen, das man am Handgelenk trägt. Wer sich beim Nörgeln, Meckern und Maulen erwischt, wechselt das Armband von einem Handgelenk zum anderen. Ziel ist es, das Bändchen einen ganzen Tag lang nicht wechseln zu müssen. So nimmt man das eigene Jammern wahr, um es schließlich loszuwerden.

>> Das Selbstgespräch-Ritual: Um die Selbstwahrnehmung zu schärfen, sinnierst du nicht nur im Stillen, du redest auch laut mit dir selbst. So werden die meist etwas vagen Gedanken und Gefühle präzise in Worte gefasst und sortiert. Entscheidend ist, dies regelmäßig zu tun, etwa bei einem Spaziergang oder vor dem Schlafengehen. Dabei geht es um Fragen wie diese: Was ist heute gut gelaufen? Was ist derzeit mein größter Erfolg? Wofür bin ich dankbar? Was kann ich selbst tun, um eine unerwünschte Situation zu verändern? Worauf freue ich mich morgen? Was packe ich endlich an? Und was ist der nächste Erfolg, den ich feiern möchte?

Für Rituale, Routinen, Wiederholungen sorgen

Ein Weg entsteht dadurch, dass er begangen wird. Dies gilt auch für unser Gehirn. „Use it or lose it“ ist dessen Arbeitsprinzip. Wenn neuronale Verbindungen nicht regelmäßig stimuliert und immer wieder befeuert werden, entwickeln sie sich schnell zurück. Das kennen wir alle, etwa von Fremdsprachenkenntnissen, vom Beherrschen eines Musikinstruments oder aus dem Spitzensport.

Unser Denkapparat braucht eine Vielzahl von Wiederholungen, um etwas dauerhaft zu speichern und zu verankern. Erst hierdurch entstehen stabile Verknüpfungen zwischen den einzelnen Hirnzell-Komplexen. So rutscht trainiertes Verhalten vom Bewussten ins Unterbewusste und wird wie bei einem Autopiloten ganz von selbst abgespult.

Das macht Abläufe routinierter, gewandter, schneller und effizienter. Sehr gut siehst du den Unterschied, wenn du etwas recht Kompliziertes zunächst mit der geübten und dann mit der ungeübten anderen Hand erledigst. Trainiere also immer wieder auch bewusst und gezielt das, was du bislang noch weniger gut beherrschst. Rituale, Routinen und wiederholtes Üben sorgen dafür, sich fortwährend selbst zu optimieren.

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Anne M. Schüller

Anne M. Schüller ist Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Sie zählt zu den gefragtesten Rednern im deutschsprachigen Raum. 2015 wurde sie in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Ihre jüngsten Bücher heißen „Die Orbit-Organisation“ und „Querdenker verzweifelt gesucht“.

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