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Schwierige Kollegen und Kolleginnen kennt so ziemlich jeder. Aber warum nerven dich diese Menschen eigentlich? Wie gehst du mit ihnen um und wie kannst du deine Einstellung zu komplizierten Menschen nachhaltig ändern?

Antworten auf diese Fragen gibt uns Herr Dr. Frederik Hümmeke. Er ist Experte für Verhalten von Individuen, Teams sowie Organisationen und unterstützt mit seiner Arbeit insbesondere Führungskräfte bei Veränderungsprozessen und kritischen Situationen.

Herr Dr. Hümmeke, welche Konflikte können zwischen MitarbeiterInnen am Arbeitsplatz auftreten?

Überall dort, wo Menschen aufeinandertreffen, können Konflikte entstehen. Die Konflikt-Auslöser lassen sich dabei in vier Kategorien aufteilen.

Stress ist dabei der Anfang von allem: „Stress“ – Momente und Phasen des echten oder gefühlten Kontrollverlustes. Stress weckt unser evolutionäres Erbe und löst in uns entweder Aggression, Fluchtverhalten, Erstarren – wie beim gefürchteten Blackout – oder Schutz suchen in der Gruppe aus, das sind die 4F für

  1. Fight (Angriff)
  2. Flight (Flucht)
  3. Freeze (Erstarren)
  4. Flock (Zusammenrotten).


Wenn wir beispielsweise in einem Meeting verbal angegriffen werden spüren wir Stress. Und der muss irgendwo hin: Wir keifen aggressiv zurück, oder fangen schutzsuchend an zu weinen. Das gilt auch für ganz unspezifische Stressquellen: Da hat einer einfach einen anstrengenden Morgen gehabt: Ampelschaltung war ungünstig, am Kaffee verbrüht… und dann bekommt eben der erste Kollege auf dem Flur diesen Ärger ab. Andere den eigenen Stress spüren zu lassen, ist für viele eine gängige Methode, um den eigenen Stress abzubauen. Leider führt sie meistens zu weiteren Konflikten oder Konfliktverschärfung.

Auch Begegnungen mit „Hypokriten“ – Menschen, die ihren nach außen postulierten hohen Ansprüchen zwar selbst nicht gerecht werden, aber diese Maßstäbe trotzdem an andere, nämlich an uns, anlegen – verursachen Stress und Konflikte. Genauso, wie das Aufeinandertreffen mit „Idioten“ – Menschen, die sich nach unseren Maßstäben unsinnig oder irrational verhalten – und mit schwierigen Temperamenten und Persönlichkeiten wie beispielsweise cholerischen Menschen.

Die Anfangsbuchstaben dieser vier häufigsten Konflikt-Auslöser ergeben SHIT (Stress, Heuchler, Idioten und Temperamente). Und wir können lernen, mit diesem SHIT-Situationen richtig umzugehen.


Wie kann ich mit schwierigen KollegInnen umgehen?

Wenn wir uns aus Führungssicht beispielsweise den Konfliktauslöser Persönlichkeit genauer anschauen, entdecken wir bei jedem Menschen relativ stabile Verhaltensweisen. Die Forschung hat zehn messbare Dimensionen identifiziert, in denen sich Menschen unterscheiden und die in jedem Menschen unterschiedlich hoch oder niedrig ausgeprägt sind. Um diese Strukturen sichtbar zu machen, nutzen mein Team und ich das DEEP OCEAN Persönlichkeits-Assessment.

Und sogar ohne diese Dimensionen hier im Einzelnen betrachten zu müssen, wird das die Konflikte auslösende Grundprinzip schnell klar: Wenn jemand systematisch ordentlicher ist als sein Team-Kollege, wird der eine sich über die Nachlässigkeit des anderen, und der andere sich umgekehrt über dessen Pedanterie aufregen. Die Fleißigen finden die anderen zu faul, die Enthusiastischen die anderen lahm, uninspiriert und energielos, und so weiter.

Erst wenn man im Team einen Weg findet die Unterschiedlichkeit konstruktiv zu nutzen, bringt jede Ausprägung einen Wert ein. Dann warnt der Vorsichtige den Enthusiastischen vor Flüchtigkeitsfehlern, und der freut sich, dass ihm dieser Fehler deshalb nicht passiert, weil der Kollege ihn warnte. Im Spannungsfeld dieser zehn Dimensionen können sich Menschen also tödlich auf die Nerven gehen – oder sie können gemeinsam Höchstleistungen vollbringen.

Gute Führung sollte zur Vorbeugung also die Persönlichkeiten kennen, das Team gut zusammenstellen und die Teamkommunikation moderieren. Dann, wenn es mal passiert, sollte die Führungskraft Konflikte und ihre Quellen frühzeitig identifizieren. Doch oft leistet Führung das nicht, und dann bist du selbst gefragt.

Bei Konflikten sollte man die Persönlichkeiten aller Beteiligten anschauen. Alle meint dabei auch die eigene. Warum nervt mich ein Verhalten eines anderen Menschen? Welche Dimension meiner Persönlichkeit triggert es? Meist sind die Menschen, die wir als schwierig empfinden, ja nur anders als wir. DER stresst uns, weil er IMMER dieses und jenes macht. Und zwar nicht besser oder schlechter, sondern nur anders als wir es machen würden. Nicht weil er morgens aufgestanden ist und sich vorgenommen hat, uns mal so richtig den Tag zu versauen, sondern weil er aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur eben anders ist als wir.

Für andere Menschen sind andere Dinge „selbstverständlich“ als für uns. Andere Dinge, die wir vernachlässigbar finden, sind für sie extrem wichtig. Wenn uns das bewusst ist, ist schon ein großer Schritt gemacht. Wir sind dann mental aus dem Konflikt ausgestiegen und schauen in Vogelperspektive drauf und beginnen die Logik zu verstehen. Das reduziert nicht nur den Stress, hier finden sich oft auch die Hebel, mit denen der Konflikt gelöst werden kann.

Dann gilt es die kommunikativen Werkzeuge zu erlernen, mit denen wir auf verbale Angriffe lösungs- und handlungsorientiert reagieren können, sowie die Methoden, die uns helfen, unseren Stress soweit herunterzufahren, dass wir wieder klar denken können. Dies ist ein kleinerer Schritt und vor allem Übungssache.


Wie kann ich meine Einstellung zu komplizierten Menschen nachhaltig verändern?

Bei mir waren es eine Handvoll Erlebnisse mit schwierigen Menschen, die ich früh erleben durfte. Damals habe ich die Menschen, die im Zentrum des Konflikts standen, verflucht. Heute bin ich ihnen auf eine komische Art dankbar. Denn: Nur wegen der schwierigen Situationen habe ich mich mit dem Themenfeld beschäftigt, gelernt, geforscht, angewendet und geübt. Ohne sie würde es mein aktuelles Buch nicht geben, und ich hätte meine SeminarteilnehmerInnen nicht fit machen können.

Dies zeigt schon eine wichtige Erkenntnis, und das ist eine Haltungsfrage: SHIT ist die Chance zu wachsen, wer den SHIT zu Dünger für das eigene Wachstum macht, statt sich im Mist zu suhlen, der wird sich weiterentwickeln und besser werden. Schwierige Menschen und schwierige Situationen – SHIT-Situationen – sind also Möglichkeiten für mich zu wachsen, wenn ich eine wachstumsorientierte Haltung einnehme und das beginnt erstens mit einer klaren Entscheidung das zu wollen.

Zweitens hilft dann der Fokus auf die Chance in der Situation: Parieren wir in einen verbalen Angriff gut, gehen wir vorbereitet in das klärende Gespräch. Damit sind diese Situationen tolle Chancen, Erfolge zu erzielen und etwa lang schwelende Themen endlich zu klären. Wann könnten wir unsere Kompetenzen besser unter Beweis stellen als in der Krise? Ich wurde teils noch zwei Jahre später auf meine Reaktion auf einen gegen mich gefahrenen, verbalen Angriff auf einer Mitgliederversammlung angesprochen, so sehr hat die Reaktion imponiert. Es sind echte Chancen.

Drittens ist es wichtig, sich seiner Rolle und Verantwortung in jeder Situation bewusst zu sein: Bist du Spieler oder Spielball? Statt in eine, psychologisch so naheliegende Opferrolle zu gehen, gilt es hier heraus zu zoomen und eine neue Rolle zu finden: Die Heldenrolle. Ich lasse mich nicht in die Opferrolle drängen und ich werde nicht selbst zum Täter. Ich will aus der Logik des Angriffs aussteigen, ich habe ja begonnen zu verstehen, was da passiert und will nun das Thema auf einer anderen Ebene lösen.

Um diese Ziele umzusetzen gibt es Werkzeuge und Methoden wie Chancen-Map und Response-Ability. Ich beschreibe diese Werkzeuge ausführlich in Handling SHIT. Jeder kann sie nutzen und lernen. Und jeder kann an SHIT wachsen.

Buchtipp: Handling Shit*

Buchtipp - Handling ShitDer richtige Umgang mit schwierigen Personen und Situationen

Taschenbuch: 304 Seiten
Erschienen am: 13. Mai 2021
Preis: 19,90 €

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Dr. Frederik Hümmeke

Dr. Frederik Hümmeke ist Experte für Verhalten von Individuen, Teams sowie Organisationen und unterstützt mit seiner Arbeit insbesondere Führungskräfte bei Veränderungsprozessen und kritischen Situationen. Er ist Geschäftsführer von Hümmeke Consulting und als Berater, Coach und Speaker aktiv.

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