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Das Telefon in der PR-Agentur klingelt. Es meldet sich eine Steuerberaterin, die ein Logo braucht. Und einen Flyer. „Ich habe mich selbständig gemacht und muss jetzt schnellstmöglich Kunden gewinnen“, erklärt die Anruferin. Solche Situationen sind typisch: Die erste Priorität von Unternehmensgründern liegt darin, so schnell wie möglich arbeitsfähig zu sein.

Dass der Selbstdarstellungstext im Flyer oder Internet sowie das Logo gleichzeitig die Gelegenheit für ein erstes Markentraining ist, haben vor allem solche Existenzgründer auf dem Radarschirm, die kundenkontakt-intensive Dienste anbieten, wie hier die Steuerberaterin.

Das Logo: Ausdruck der Persönlichkeit

Die Gründerpersönlichkeit in lokalen Märkten

Am Beispiel Steuerberatung wird besonders deutlich, wie wichtig das Verhalten der Gründerin als Schlüssel für die berufliche Zukunft ist. Viele klassische Berufe wie Steuerberater, Arzt oder Rechtsanwalt, aber auch Architekten oder IT-Berater haben in ihrer Ausbildung meist nicht gelernt, mit Kunden umzugehen. Sie haben eine Expertise aufgebaut, die ihre Kunden meist nicht beurteilen können. Für solche Berufe gilt, dass die Markenwahrnehmung stark von Hilfsindikatoren abhängt. Marken sind verdichtete Wahrnehmungskomplexe, die langfristig vor allem aus der Kombination der Kernleistung und der Passgenauigkeit von Wohlfühlfaktoren wie Verständlichkeit, Höflichkeit, Charme und Erreichbarkeit resultieren. Das gilt vor allem für Berufe mit erklärungsbedürftigen Diensten, die lokale Märkte bedienen. Hier ist das Weiterempfehlungsnetzwerk von Ist-Kunden der entscheidende Schlüssel zum Erfolg: und damit für die Markenbildung und -pflege.

Das eigene Berufsbild als Markenwert

Längst stellen alteingesessene Kanzleien und Praxen fest, dass junge Kunden ausbleiben. Die Formel: „Der Herr Papa war Kunde, also auch die Sprösslinge“, geht oft nicht mehr auf. Stattdessen altert die Klientel mit der Gründerpersönlichkeit, weil die Vernetzung über die Generationen hinweg nicht nachhaltig gelingt. Als Hürde hierzu stellt sich dabei oft das gelernte Berufsbild heraus. Genau hier liegt die Chance von Existenzgründern. Als junge Steuerberaterin in einem oft von älteren Herren dominierten Berufsfeld in die Selbständigkeit zu starten, ist Risiko wie Chance gleichermaßen: Es ist ein Risiko, da viele ältere Unternehmen im konservativen Umfeld eine junge Frau als Steuerberaterin nicht ernst nehmen. Die Chance aber besteht darin, dass es älteren Wettbewerbern oft nicht gelingt, ihre Rolle als kompetenter Berater mit der eines Dienstleisters zu kombinieren, den jüngere Unternehmer als Kunden aber erwarten. Ärzte als Halbgötter in Weiß und Steuerberater als graue Eminenzen, bei denen Kunden „Patienten“ oder „Fälle“ hießen und die gnädige Audienz im Erstgespräch für hinreichend halten, stammen aus einer vergehenden Epoche.

Die Selbstdarstellungsbroschüre als Markenbildungsprozess

Mehr denn je gilt im zunehmenden Wettbewerb aus Sicht von Kunden und potenziellen Kunden zu denken und stetig sein Markenversprechen so einzulösen. Die Dienstleistungs- und Servicekultur als Rückgrat der Kanzlei- oder Praxismarke lässt sich anlässlich der Logoentwicklung und Büroerstausstattung definieren, trainieren und mit klaren Prozessen verankern. Der Text für den Entwurf eines Flyers ist daher im Idealfall nicht das Ergebnis der Kreativabteilung der Werbeagentur. Hier entstehen zwar meist gut lesbare Texte, aber keine Bewusstseinbildung für das erfolgskritische Selbstverständnis des künftigen Arztes oder Steuerberaters. Logo und Text sind vielmehr das komprimierte Ergebnis eines Arbeitstreffens zwischen Existenzgründer und PR-Berater bzw. Markencoach. Das Ziel des Gesprächs ist, kundenkritische Kontaktsituationen zu identifizieren. Im Idealfall begleitet dies eine Kundenbefragung: Denn diese können am besten über den gelebten Markenalltag Auskunft geben.

Flyer zur Selbstdarstellung: Authentizität geht vor Kreativität

Zwischen Berater und Dienstleister

Nur ein Beispiel: Wer einen Steuerberater im Erstgespräch um die Kostenschätzung für die Steuerberatung bittet, muss eine klar formulierte Auskunft bekommen. Der lapidare Verweis auf die Steuerberater-Gebührenverordnung, verschleiert nicht nur den Gestaltungsspielraum der zugrunde gelegten Zehntel, sondern verschließt dem Kunden auch sein Erfahrungswissen. Stark ist dagegen, wer als Existenzgründer sein eigens Wunschbild in Kanzleibroschüre bzw. –webauftritt verschriftlicht, visualisiert und auch lebt. Ein Beispiel: „Sie sind der Kapitän, ich bin Ihr Lotse“ lautete das Leistungsversprechen, das heute nicht nur als Kernsatz in Flyer und Internet zu lesen ist. Es prägt auch die Beratungsphilosophie jedes Kundenkontaktes: Den Kapitän sicher durch die verwirrenden Untiefen im Steuermeer lotsen und auch mal einen gemütlichen Kaffee auf der Kommandobrücke zu schlürfen, gehört hier nicht nur zum visuellen Erscheinungsbild.

Checkliste:

1. Die Geschäftsausstattung als Markenfundamentbau verstehen

2. Die Logoentwicklung als Coaching-Auftakt für markenkonformes Verhalten

3. Die Überprüfung der Kanzleibroschüre zur Identifikation von Trainingsbedarf

4. Im vierteljährlichen Rhythmus Kernkunden abfragen

5. Das Markenverhalten der Kanzlei überprüfen

(Bild: © Aamon – Fotolia.com)

Prof. Dr. Jan Lies

Prof. Dr. Jan Lies aus Münster ist Professor für PR- und Kommunikationsmanagement an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK) in Hamburg. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist nachhaltiges Marken- und Reputationsmanagement für Existenzgründer und Mittelstand. Der promovierte Volkswirt ist freier Strategieberater und Texter sowie Herausgeber des Handbuchs Public Relations mit mehr als 100 Stichworten.

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