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Kaum scheint die Krise überwunden, frohlocken die Unternehmen und feiern den Aufschwung. Das Verführerische am Aufschwung ist aber der Aufschwung selbst.

Von Christian Kalkbrenner

Denn die positiven Zahlen sind nicht nur unternehmerischer Brillianz geschuldet, sondern zum großen Teil auch Folgen der Krise, die jetzt in Form von Nachholinvestitionen zu Buche schlagen.  Doch jeder Aufschwung geht vorbei – und damit keine Katerstimmung aufkommt, empfiehlt es sich, einen Plan B in der Schublade zu haben.

Der aktuelle Aufschwung ist eine höchst angenehme Realität: die Arbeitslosigkeit sinkt auf Rekordtiefmaß, die Unternehmen zeigen sich bei den Lohn- und Gehaltserhöhungen großzügig, der Wohlstand steigt auf breiter Ebene. Auch die Aussichten für die Zukunft sind rosig, denn der Aufschwung hält bis ins Jahr 2012 an, so die professionellen Prognostiker. Alles bestens, kein Grund zur Klage? Zur Klage besteht tatsächlich wenig Grund, wohl aber zur Wachsamkeit.

Das Verführerische am Aufschwung ist der Aufschwung selbst. Dieses daran Teilhaben und Mitmachen. Das kann berauschend sein. Doch wie jeder Rausch vernebelt auch dieser Aufschwung die Sinne, die Wahrnehmung und den Blick für das wirklich Wichtige. Damit nach dem Aufschwung keine Katerstimmung aufkommt, empfiehlt es sich, frühzeitig zu prüfen, an welchen Stellen der Blick vernebelt sein könnte.

Der Nachfrageboom verschiebt Innovationen

Der aktuelle Aufschwung ist nicht technologischer Art, sondern erklärt sich aus dem allgemeinen Nachholbedarf an Wohlstand: In unserem eigenen Land werden jetzt Produkte und Leistungen angeschafft, auf die in der zurückliegenden Krise verzichtet wurde. In anderen Ländern kommt die überwiegende Nachfrage durch das Haben-Bedürfnis der Mitbürger zustande. Diese fragen vorwiegend die vorhandenen Produkte und Leistungen nach und keine wie auch immer gearteten Technologiesprünge. Woher sollen somit der Wunsch und der Druck kommen, Innovationen zu entwickeln, die das Wachstum von übermorgen absichern?

Die viele Arbeit hält vom strategischen Denken ab

Die Unternehmen fahren Sonderschichten, kürzen Werksferien und steigern die Überstunden. Denn jetzt geht es darum, die Aufträge zeitnah und möglichst wirtschaftlich abzuarbeiten. Alles andere muss warten. Wer hat in den Unternehmen momentan noch die Zeit, sich um neue, relevante  Themen zu kümmern, die das Unternehmen weiter bringen bevor der nächste Abschwung kommt?

Die Unternehmen bleiben die Melkkühe der Nation

Während die Berufspolitiker nach wie vor unfähig sind, die Ausgaben zu drosseln, sollen es die Einnahmen aus Steuern richten. Da die Umsätze und Gewinne im Aufschwung sprudeln, funktioniert das relativ einfach und schmerzlos. An der grundsätzlichen Richtung der Schuldenspirale ändert sich somit wieder nichts und die Lobbyisten alleine erreichen zu wenig. Das muss den Melkkühen bewusst sein und sie sollten sich die Frage stellen, wie viele Krisen sie sich noch leisten können.

Die Jahresplanung für Deutschland ist unsportlich

Das gesamtwirtschaftliche Wachstum im Jahr 2010 wird mit 3,6% prognostiziert und das im Jahr 2011 mit 2%, so verkündete es die Deutsche Bundesbank im Dezember 2010. Das Fatale an diesen Zahlen: alle Akteure richten sich danach. Dabei wäre es vorteilhafter, die Zahl nicht als vermutliche Zahl zu verkünden, sondern als Ziel. Und bei dieser Vorgabe sollte die Zahl nie unter dem Vorjahresniveau liegen. Dann lautet die Aufgabe: Wie muss sich Deutschland benehmen, um jährlich den prozentualen Zuwachs um beispielsweise bescheidene 10% zu toppen. Mit dieser Annahme könnte das Wachstum im Jahr 2011 stattliche 3,96% betragen statt der prognostizierten 2%. In vielen Unternehmen ist diese Vorgehensweise üblich und begründet das nachhaltige Wachstum.

Die Bevölkerungsmehrheit will keine Veränderung

Gemäß den bahnbrechenden Erkenntnissen der Neurowissenschaftler lässt sich die Bevölkerung in Deutschland nach ihrem bevorzugten Alltagsverhalten faustgrößenartig wie folgt einteilen:

  • Abenteurer/ Entdecker: ca. 10%. Der Anteil nimmt mit zunehmendem Alter ab.
  • Umsetzer/ Verfolger:  ca. 10%. Der Anteil nimmt mit zunehmendem Alter ab.
  • Analytiker/ Kontrollierer: ca. 35%. Der Anteil nimmt mit zunehmendem Alter zu.
  • Bewahrer/ Fürsorger: ca. 45%. Der Anteil nimmt mit zunehmendem Alter zu.

Das bedeutet, dass prinzipiell alle Menschen, die sich ähnlich verhalten wie Leonardo Da Vinci, Christoph Kolumbus und Steven Jobs, einer gesellschaftlichen Minderheit angehören. Sie müssen sich gegen andere durchsetzen. Das Gute daran ist, dass sich nicht unendlich viele Innovationen verbreiten, sondern durch Auslese und Optimierung nur die besten überlebensfähig sind. Andererseits erfolgt der Wettkampf der Innovationen auf einem sehr niedrigen Niveau, weil sich nur ein geringer Anteil der Menschen daran beteiligt. Niemand weiß, wie sich unsere Gesellschaft entwickeln würde, wenn sich die Anteile z.B. zugunsten der Entdecker und Verfolger verändern würden.

Wer kümmert sich um diesen Zusammenhang, der auch auf internationaler Ebene vorhanden ist, wenngleich hier die Anteile anders zusammengesetzt sind. Denn aus diesen Erkenntnissen lassen sich viele neue Ansätze für die Ausbildung und Qualifizierung sowie für das allgemeine Miteinander ableiten.

Wo lassen wir zukünftig denken?

Die demographische Entwicklung in Deutschland für die nächsten 30 bis 50 Jahre ist relativ klar. Der Anteil der älteren Bevölkerung steigt gewaltig. Berücksichtigt man die unter Punkt 5 dargelegten Erkenntnisse, so wird Deutschland auch verhaltensbiologisch ein Land von Kontrollierern und Bewahrern. Für Innovationen und deren zügige Umsetzung werden andere Länder, die einen niedrigeren Altersdurchschnitt in der Bevölkerung aufweisen, zuständig sein.

Die deutschen Unternehmen werden ihren schrumpfenden Erfindungsgeist international kompensieren. Die Ideenschmieden sitzen zukünftig in Ländern mit einem geringeren Durchschnittsalter der Bevölkerung und einem hohen Bildungsniveau. Wenn wir diese Entwicklung in Deutschland nicht beeinflussen können, in welchen Ländern lassen wir dann zukünftig am besten denken?

Über den Autor:

Christian Kalkbrenner Dipl.-Kfm. (univ.), restrukturierte zahlreiche Unternehmen und verhalf ihnen mit schlagkräftigen Marktkonzepten zu neuen Erfolgen. Er ist Autor mehrerer Fachbücher, Berater, Manager auf Zeit, Referent und seit vielen Jahren Experte für Unternehmenswachstum.

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Vermeiden Sie Katerstimmung! (Teil 2)

(Bild: © Yuri Arcurs – Fotolia.com)

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