1. Wie können Unternehmen von gelebter Integrität nachhaltig profitieren?
Fehlende Integrität als innere Haltung, Entscheidungskriterium und Verhaltensgrundlage wird zunehmend zu einem protektiven und produktiven Faktor. Wer professionelles Integritätsmanagement betreibt und damit eine gelebte Unternehmensintegrität als Kultur etabliert hat, der profitiert nachhaltig von ihr.
Eine produktive Wirkung liegt dann vor, wenn Unternehmensintegrität Umsatz und Ertrag sichert, indem sie die Reputation schützt und die Attraktivität für Auftraggebende sowie potenzielle MitarbeiterInnen steigert. Zugleich erhöht sie die Zuverlässigkeit und Effizienz in der Zusammenarbeit und erhöht die Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Integrität schafft demnach eine Kultur und einen Purpose, die einerseits Kunden und Kundinnen inspirieren und anderseits Angestellte langfristig an das Unternehmen binden. Schließlich wollen wir alle Teil von etwas sein, das größer ist als wir selbst und für ein Unternehmen arbeiten, das für Werte steht.
Wenn die Integrität den Unternehmenswert steigert, indem sie Risiken abfedert, Schadenzahlungen minimiert und den Zugang zum Kapitalmarkt sichert, spricht man von einer protektiven Wirkung. Hier spielt auch die Umsetzung der ESG-Anforderungen eine gewichtige Rolle. Dabei ist Nachhaltigkeit nicht nur als reines Umwelt-Thema zu verstehen, sondern umfasst auch den Umgang eines Unternehmens mit seinen Angestellten oder auch die Grundsätze guter Unternehmensführung. Faktoren, auf die Investoren mehr und mehr Wert legen.
2. Warum wird es immer wichtiger, ein eigenes Wertesystem zu haben und dieses auch in Krisenzeiten nicht über Bord zu werfen?
Krisenzeiten – wie die aktuelle Pandemie und Inflation sowie nun auch der Krieg in der Ukraine – beeinflussen nicht nur das öffentliche Leben, sondern auch Unternehmen sehr nachhaltig. Dabei zeigen sich die Folgen keineswegs nur in den Ergebnissen, sondern eben auch in veränderten Prozessen, Strukturen und Entscheidungsfindungen. Der Druck steigt, wenn Absatzmärkte einbrechen, Rohstoffe knapp werden, Lieferanten gewechselt und Prioritäten verlagert werden müssen, um womöglich Jobs und den Fortbestand des Unternehmens zu retten.
Aber Unternehmensintegrität bedeutet gerade nicht, dass der Zweck die Mittel heiligt. Führungskräfte sind dann besonders gefragt, andere integre Mittel und Wege zu finden. Etablierte Integritätsstandards wirken in solchen Situationen zum einen präventiv, indem sie das Risiko für Fehlverhalten oder nicht integrer Entscheidungen deutlich mindern. Zum anderen machen sie das Unternehmen krisenfester: das aufgebaute Vertrauen in das integre Verhalten und Handeln aller ermöglicht es Unternehmen, pragmatisch und schnell agieren zu können – ohne langwierige Abstimmungsprozesse. Das Vertrauen in die Notwendigkeit und Richtigkeit kurzfristiger Maßnahmen ist somit gegeben. Effektiv wirken Integritätsstandards allerdings nur dann, wenn diese sowohl über ein Wertesystem wie auch Prozesse, Strukturen und HR-Instrumente entsprechend ausgesteuert sind.
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3. Warum reichen bloße Compliance-Maßnahmen nicht aus, um Kunden und Kundinnen langfristig zu binden? Wie lässt sich durch integres Verhalten und Transparenz langfristig Vertrauen aufbauen?
Integrität ist ein zwischenmenschlicher Aspekt, der weit über die bloße Einhaltung von Gesetzen und Regeln hinausgeht. Da viele Produkte und Dienstleistungen weitestgehend austauschbar geworden sind, ist es für Unternehmen wichtiger denn je, persönliche Beziehungen zur Kundschaft aufzubauen, sie kennenzulernen, um sie zu wiederholten Käufen bewegen zu können. Um dies zu erreichen, erwarten Kunden und Kundinnen, dass Unternehmen etwas von sich preisgeben und als authentischen und vertrauensvollen Geschäftspartner erweisen. Sie erwarten – und das auch in Krisenzeiten – Transparenz. Und das durchaus auch im Umgang mit Fehlern. Eine offene und konsequente Kommunikation sowie die Einhaltung von Produkt- und Service-Versprechen sind strategische Erfolgsfaktoren. Das ist gelebte Integrität und schafft das notwendige Vertrauen in Unternehmen und damit schlussendlich in Marken.
Wenn Unternehmen jedoch in Krisenzeiten beschließen, Unternehmensintegrität als „Luxus-Thema“ einzustufen, das sie sich nicht mehr leisten können und wollen, dann verlieren sie wertvolles Vertrauen, auch für die Zeit nach der Krise. Denn tatsächlich „kostet“ integres Verhalten Zeit, Energie und Geld, um das gegebene Versprechen an Auftraggebende, aber auch MitarbeiterInnen, GeschäftspartnerInnen oder Mitmenschen einzuhalten. In der Krisenzeit zeigt es sich, ob ein Unternehmen Wort hält, auch wenn es ungemütlicher wird. Das bedeutet: integre Entscheidungen zu treffen, liegt im ureigenen Interesse. Dabei lohnt es sich nicht per se den einfachsten Weg zu gehen.
4. Welche Aufgabe kommt den Führungskräften zu, um die Unternehmensintegrität zu stärken?
Wichtig ist, sich dessen bewusst zu sein, dass Unternehmensintegrität nicht von selbst passiert. Integrität muss professionell gemanagt werden, gleichwertig wie eine klare Qualitäts- oder Kostenorientierung im Unternehmen. Integres Verhalten zu proklamieren, reicht nicht mehr aus. Auch Prozesse und Strukturen müssen so ausgerichtet sein, dass sie integres Verhalten fordern, fördern und ermöglichen. Das gelingt in der Praxis unter der Berücksichtigung von fünf wesentlichen Grundsätzen:
1. Schaffe Orientierung
Definiere und kommuniziere, welches Wertesystem im Hinblick auf Integrität in deinem Unternehmen gelten soll. Jeder muss verstehen, worum es geht, was gemeint ist und warum es wichtig ist. Ohne ein gemeinsames Grundverständnis geht es nicht. Und mehr noch: Integrität darf kein abstraktes Konstrukt blieben. Mach es deinen Mitarbeitenden so einfach wie möglich, diese Werte in konkretes Verhalten im Arbeitsalltag umsetzen zu können.
2. Rekrutiere und fördere die richtigen Leute
Sichere dir eine kritische Masse an „Überzeugungstätern“. Mach Integrität zu einem Kriterium bei Bewerbungen und Beförderungen. Gleichzeitig müssen auch die HR-Instrumente darauf ausgerichtet sein, z. B. Gespräche mit Mitarbeitenden und „Reward & Recognition“, um das richtige Verhalten zu honorieren. Und: Je kleiner das Unternehmen, desto transparenter ist es für alle, welches Verhalten gefördert wird und ob Fehlverhalten auch Konsequenzen hat.
3. Schaffe ein unterstützendes Umfeld
Stärke eine Speak-up- und Dialog-Kultur und die Kanäle, die es braucht, um Fehlverhalten vertraulich und ohne Angst vor Repressalien melden zu können. Überdies: Unterstütze die Integritätskultur auch strukturell. Alle Prozesse und Strukturen müssen auf den Prüfstand gestellt werden, ob sie Integritätsaspekte berücksichtigen, integres Verhalten sowie Entscheidungen einfordern oder Schlupflöcher lassen.
4. Sei ein Vorbild
Übernimm Verantwortung für dein berufliches Handeln, egal, ob dieses kritische hinterfragt wird oder nicht. Gerade Führungskräfte sollten mit gutem Beispiel vorangehen. Sie sind sichtbar und ihre Mitarbeitenden orientieren sich an ihnen – je kleiner das Unternehmen, umso stärker fällt dieser Punkt ins Gewicht. Und das bedeutet auch: Schau hin, hinterfrage Entscheidungen, Fakten und Lösungswege.
5. Überprüfe die Realität
Finde heraus, wie deine Mitarbeitenden mit den Risiken und Zwängen, das Falsche zu tun, umgehen. Messe Unternehmensintegrität explizit – nur so sind Verbesserungen möglich.
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